Was haben ihm die eigenen Fachleute geraten? Wirtschaftsminister Robert Habeck will keinen Einblick in seine Akten geben / dpa

Meistgelesene Artikel 2023: April - Warum wir an unserer Klage gegen Habecks Ministerium festhalten

Robert Habeck hat die Chance verstreichen lassen, einen historischen Fehler zu korrigieren und den deutschen Atomausstieg zu stoppen. Wie und auf welcher fachlichen Grundlage er darüber entschieden hat, will er geheimhalten. Doch Cicero nimmt das nicht hin. Dies war der meistgelesene „Cicero“-Artikel im April.

Daniel Gräber

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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Zum Jahresende blicken wir auf die Themen des Jahres 2023 zurück und rufen die Cicero-Artikel in Erinnerung, die am meisten Interesse fanden. Lesen Sie hier: den meistgelesenen Artikel im April.

Die letzten drei deutschen Kernkraftwerke liefern nur noch an diesem Samstag Strom. Dann ist Schluss. Wahrscheinlich für immer. Viele Bürger – darunter auch solche, die der Atomenergie gegenüber jahrzehntelang kritisch eingestellt waren – können es nicht wirklich verstehen, warum das geschehen muss. Noch weniger Verständnis für die Starrköpfigkeit der deutschen Anti-AKW-Politik hat man im Ausland.

Mitten in einer Energiekrise – die zwar durch Russlands Überfall auf die Ukraine ausgelöst wurde, aber auch eine Folge der historischen Fehlentscheidung ist, neben den Erneuerbaren auf Gas statt Atomkraft zu setzen – schaltet Deutschland drei hervorragend laufende Kernkraftwerke ab, um deren Zuverlässigkeit uns andere Länder beneiden.

Tragische Figur

Nur mit großem Aufwand und viel Gezerre gelang es dem kleinsten Koalitionspartner, der FDP, eine Minimal-Verlängerung von dreieinhalb Monaten herauszuschlagen. Für eine echte Kehrtwende in der verkorksten und wohlstandsgefährdenden Energiepolitik fehlte allen Beteiligten der Mut. Doch die tragischste Figur ist Robert Habeck.

Es gab einen kurzen Moment, ganz zu Beginn des Ukrainekriegs, als der Grünen-Politiker andeutete, über die innerhalb seiner Partei mit religiösem Eifer behandelte Atomkraftfrage neu nachzudenken. Er weiß vermutlich ganz genau, dass seine ehrgeizigen Windkraftausbaupläne nicht zu halten und seine Erzählungen vom noch schnelleren Kohleausstieg vollkommen wirklichkeitsfremde Märchen sind.

Kein Joschka Fischer

Aber Habeck wollte oder konnte es seiner Partei nicht zumuten, neue Brennstäbe für die drei noch laufenden und im besten Fall auch die drei weiteren bereits Ende 2021 abgeschalteten Kernkraftwerke zu bestellen. Er hätte sich dafür, so wie einst Joschka Fischer für den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr, mit dem linken, fundamentalistischen Teil der Grünen anlegen müssen. Er hätte persönliche Angriffe und wütende Parteiaustritte aushalten müssen.

Das hat er sich nicht getraut. Stattdessen hat er alte Kohlekraftwerke zurück ans Netz geholt, um ohne Stromausfälle durch den Winter zu kommen. Die CO2-Bilanz des ersten Bundesministers für Klimaschutz ist verheerend.

Klage auf Akteneinsicht

Cicero wollte erfahren, wie Fachleute in Habecks Ministerium das Gezerre um die Atomkraft seit Beginn des Ukrainekriegs beurteilt haben, wie und auf welcher Faktengrundlage die Entscheidungen zustande kamen und wieso die Führungsspitze immer wieder Halbwahrheiten und Falschbehauptungen verbreitete.

 

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Auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetzes, das nicht nur Journalisten sondern jedem Bürger ein Recht auf Zugang zu Regierungsakten gibt, haben wir im Juli 2022 einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Doch während ein gleichlaufender Antrag an das Umweltministerium erfolgreich war, hat Robert Habecks Ministerium von Anfang an gemauert und verzögert – und es sogar auf eine Klage ankommen lassen.

Spiel auf Zeit

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Da unser Eilantrag leider erfolglos blieb, müssen wir nun auf eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts im Hauptsacheverfahren warten. Das kann dauern. Womöglich kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, aber einen Termin dafür gibt es noch nicht.

Auch wenn die letzten Kernkraftwerke dann schon abgeschaltet sein werden und die Akteneinsicht eher historischen Wert hätte, haben wir uns entschieden, an unserer Klage festzuhalten. Denn es geht um Grundsätzliches: um die Transparenz staatlichen Handelns und um eine Rechenschaftspflicht der Regierung ihren Wählern gegenüber.

Interne Vermerke

Habecks Wirtschaftsministerium hat unseren Antrag auf Akteneinsicht lange nicht beantwortet und erst, nachdem wir Klage eingereicht haben, ein paar wenige, kaum aussagekräftige Unterlagen zur Verfügung gestellt. Die interessanten und womöglich auch brisanten Stellungnahmen aus den Fachabteilungen und deren Schriftwechsel mit der von grünen Energiewende-Hardlinern besetzten Führungsspitze will das Ministerium nicht herausrücken.

Zur Begründung heißt es: „Die Vermerke wurden ausschließlich für interne Zwecke erstellt und dienten ausschließlich dem internen Meinungsbildungsprozess und Meinungsaustausch zwischen Fach- und Leitungsebene des BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Anm.). (...) Nach einer Abwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Herausgabe der Dokumente auch nicht das Interesse an einem vertraulichen internen Meinungsbildungsprozess, bei dem unbefangen einzelne Meinungsäußerungen ausgetauscht werden können.“

„Vertraulicher Meinungsbildungsprozess“

Ob diese Abwägung so richtig ist, müssen nun die Verwaltungsrichter beurteilen. Ist das öffentliche Interesse, zu erfahren, wie und auf welcher Faktengrundlage eine so umstrittene Entscheidung mit weitreichenden Folgen für Umwelt und Wirtschaft zustande gekommen ist, wirklich weniger wert als das Geheimhaltungsinteresse grüner Staatssekretäre und Minister? Und wozu dient ein vertraulicher interner Meinungsbildungsprozess, bei dem unbefangen einzelne Meinungsäußerungen ausgetauscht werden können, wenn diese Meinungen am Ende womöglich gar keine Rolle spielen?

Denn alles, was Dank der deutlich transparenzwilligeren Reaktion des Bundesumweltministeriums auf unseren Antrag bisher bekannt geworden ist, deutet daraufhin, dass es innerhalb des Wirtschaftsministeriums durchaus kritische Stimmen gab, die das Festhalten am Atomausstieg für einen schweren und der Bevölkerung kaum zu vermittelten Fehler hielten. Gehör fanden sie offenbar nicht.

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Jürgen Waldmann | Sa., 30. Dezember 2023 - 14:45

Wir haben die modernste Energieversorgung abgeschaltet , was nicht nur bei den Nachbarländern für Unverständnis gesorgt hat . Aber auch die Windenergie ist keine Lösung , die man mit Verschandelung der Landschaft und bleibenden Betonfundamenten in der Natur erkauft hat , wie das Bild zeigt :
https://imgur.com/a/XwQOKm0

Henri Lassalle | Sa., 30. Dezember 2023 - 14:45

Habecks Widerstand ist ein Zeichen mehr von wachsendem Demokratieverlust.

Das Ausland, wie vor allem Frankreich, hat den übereilten, radikalen Atom-Ausstieg Deutschlands nicht verstanden. Aber auch in F wurde auf Druck des Grünen-Wahnsinn die Elektrizitätgewinnung durch Atomenergie begrenzt. Einst war Strom in Frankreich einer der preiswertesten Europas, das ist vorbei. Brüssel - Europa spielt ebenfalls eine für den Verbraucher negative Rolle.
Infolge Merkels grundloser Panik nach dem Reaktorunfall in Japan (hierzulande gibt es keine Gefahr von Reaktorunfällen durch Erdbeben), sowie ihre Hörigkeit gegenüber u.a. der Grünen-Lobby haben die Bürger hohe Energiekosten zu verkraften. Aber damit war es nicht genug, siehe die Energieabhängigkeit von Russland.

Christa Wallau | Sa., 30. Dezember 2023 - 14:49

daß er nicht nachläßt bei dem Versuch, die Blockade der Verantwortlichen gegen die Veröffentlichung der Meinungsbildungsprozesse im Wirtschaftsministerium zu durchbrechen.

Es ist mühselig und teuer, aber eine andere Möglichkeit hat die Öffentlichkeit nicht.

In diesem Sinne ist der CICERO ein Medium, das seinen Auftrag vorbildlich erfüllt.
Dafür bezahle ich gerne.

Karin Zorn | Sa., 30. Dezember 2023 - 20:11

Antwort auf von Christa Wallau

Danke Cicero, auch danke Frau Wallau. Danke allen Menschen die auf ihr Recht bestehen, die Wahrheit wissen zu wollen.

Martin Beckmann | So., 31. Dezember 2023 - 15:19

Antwort auf von Christa Wallau

Ich finde es gut, dass der Cicero dran bleibt. Diese Regierung hat schon in der CoronaPlandemie total versagt und durch die Energiepolitik versucht sie es wieder, einfach Infos zu "unterschlagen".

Gunther Freiherr von Künsberg | Sa., 30. Dezember 2023 - 16:54

fallen leider in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ich konnte mich nie des Eindrucks erwehren, dass in dieser Gerichtsbarkeit von Bedeutung ist“ Wes Brot ich eß, des Lied ich sing.“ Ohne die konkreten Informationen/Sachverhalte zu kennen drängt sich mir aber der Verdacht auf, dass die einstweilige Anordnung erfolglos war um zu vermeiden, dass zum Zeitpunkt der politischen Entscheidung die Akteninformationen öffentlich werden. Wenn diese Informationen 1 oder 2 Jahre später öffentlich werden ist die Brisanz verraucht, d. h. der politische Schaden für die Ampel ist geringer als der Schaden wäre, wenn Akteninhalte zeitnah veröffentlicht worden wäre.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellt in seinen Urteilen vom 27. Mai fest, dass deutsche Staatsanwaltschaften nicht hinreichend unabhängig gegenüber der Exekutive sind. In dem zugrundeliegenden Verfahren wurde Litauen hingegen die nach EU-Recht nötige justizielle Unabhängigkeit attestiert. Deutsche Staatsanwaltschaften dürfen künftig keinen Europäischen Haftbefehl mehr ausstellen, da die Gefahr einer Einflussnahme durch die Exekutive.
„Das ministerielle, politische Weisungsrecht ist anachronistisch. Die Bundesregierung muss ihren internationalen Verpflichtungen nachkommen und die Eingriffsbefugnis der Politik auf die Justiz beseitigen.“
Quelle: https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/eugh-urteilt-deuts…

Gisela Hachenberg | Sa., 30. Dezember 2023 - 23:07

Sehr gut, lieber Herr Gräber, bleiben Sie dran! Natürlich spielt das Ministerium auf Zeit. Und ich denke, das zuständige Gericht wird nicht erpicht darauf sein, sich beim zuständigen Minister unbeliebt zu machen. Hoffen wir darauf, dass die Gerechtigkeit siegt! Ich wünsche allen im Forum ein gutes Neues Jahr, auch wenn nicht viel dafür spricht, dass es gut werden wird. Trotzdem hilft vielleicht ein bisschen Optimismus!?

Tomas Poth | So., 31. Dezember 2023 - 00:03

Weiter so und standfest bleiben.
Die Waschlappen der Mainstream-Kartellmedien können hier etwas lernen!

Gerhard Huitl | So., 31. Dezember 2023 - 07:51

Robert Habeck im Zusammenhang mit dem Kernkraftausstieg als "tragischste Figur" zu bezeichnen ist Euphemismus pur. Er war es doch, der z. B. mit den Erkenntnissen der von ihm beauftragter Experten zu den negativen Folgen eines Ausstiegs bewusst hinter dem Berg gehalten hat. Er hat die Öffentlichkeit wissentlich in die Irre geführt. Aus ideologerischer Überzeugung und aus Parteiräson. Kein Zweifel: Robert Habeck ist der klassische Überzeugungstäter. Darin ein Rolle als "tragische Figur" zu sehen ist auch unter dem Aspekt freundlicher Gesundbeterei bizarr.

Ernst-Günther Konrad | So., 31. Dezember 2023 - 10:13

Auch wenn ich davon ausgehe Herr Gräber, solltet ihr Akteneinsicht bekommen, ob die dann vollständig sein wird? Könnte mir vorstellen, dass Teile geschwärzt oder lückenhaft sind. Wer weiß, wann die Sache entschieden wird und ob es bei der Entscheidungen des VG bleibt. Vermutlich wird egal von wem das OVG Berlin angerufen werden. Es glaubt doch niemand wirklich, das diese Regierung noch bereit ist, Recht und Gesetz anzuerkennen, wenn dasselbe gegen sie steht. Nein, ich will Euer Bemühen nicht klein reden oder Euch zur Resignation treiben. Ich wünsche Euch bei allem allen erdenklichen Erfolg. Nur ist eben mein Vertrauen in die Gerichte und die Befolgung von Urteilen, wenn sie sich gegen die Politik richten nahe Null.

Martin Beckmann | So., 31. Dezember 2023 - 15:31

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Wenn wir eine unabhängige Gerichtsbarkeit hätten, würden folgende Personen nicht mehr im Amt sein: Lauterbach, Fäser, Scholz und auch Habeck. Auch Scheuer, der über 200 Mio € in den Sand gesetzt hat, gehört vor Gericht und bestraft. Bis zur Pfändungsfreigrenze muß dem alles weggenommen werden, da er seinen Amtseid gebrochen hatte.