Maputo-Bay-Bridge in Mosambik
Die Maputo-Bay-Bridge in Mosambik ist eines der von Peking finanzierten Seidenstraßen-Infrastrukturprojekte / dpa

Chinas Neue Seidenstraße - In der Schuldenfalle

Die „Belt and Road“-Initiative ist ein essentieller Bestandteil von Chinas Streben nach wirtschaftlicher und weltpolitischer Größe. Doch bei vielen Projekten in Afrika können etliche Länder ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen. Peking arbeitet deshalb an einem Kurswechsel.

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Ronan Wordsworth ist Analyst bei Geopolitical Futures.

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China rückt neuerdings erkennbar von seiner bahnbrechenden „Belt and Road“-Initiative (Neue Seidenstraße) ab und setzt stattdessen auf kleinere Direktinvestitionen in strategische Projekte wie erneuerbare Energien und Kommunikation. Im Jahr 2013 hatte Peking die Initiative „Belt and Road“ vorgestellt, die aus riesigen Krediten für gigantische Infrastrukturprojekte insbesondere im globalen Süden bestand. Afrika war einer der Hauptempfänger dieser Kredite. Viele Seidenstraßen-Projekte wurden jedoch nicht fertiggestellt oder durch aufgeblähte Budgets, ausbleibende Rückzahlungen beziehungsweise mangelhafte Ausführung unter der Aufsicht chinesischer Ingenieure behindert. Diese Enttäuschungen veranlassen Peking dazu, seine Afrika-Strategie zu überdenken.

Chinas Ziel in Afrika ist es, günstige Handelsbeziehungen und eine zuverlässige Versorgung mit natürlichen Ressourcen zu schaffen. Die Strategie hinter der Neuen Seidenstraße bestand darin, Investitionen gegen politisches Kapital einzutauschen. China würde seinen Partnern bei der Entwicklung von Transitrouten helfen, um den Handel sowohl innerhalb als auch außerhalb des Kontinents zu fördern. Für Peking würden gute Beziehungen zu den Seidenstraßen-Empfängern die Sicherheit der Lieferkette und eine billige Mineralienförderung mit reduzierten Lizenzgebühren gewährleisten. Zu dieser Zeit war China auch um die Sicherheit seiner Ölversorgung besorgt. Verbesserte Beziehungen würden nicht zuletzt Afrikas Importe chinesischer Waren fördern; 2009 überholte China die USA als wichtigster Handelspartner Afrikas und liegt heute nur noch hinter der EU.

Fokus auf erneuerbare Energien

Im Allgemeinen ist chinesisches Kapital in zwei Formen nach Afrika geflossen: als ausländische Direktinvestitionen oder als Darlehen der Regierung, der Geschäftsbanken oder der staatlichen Banken. In den zurückliegenden Jahren hat Peking jedoch weniger Kapital in Dinge wie Verkehrsinfrastruktur, Kohlenwasserstoff-Pipelines und große Energieprojekte investiert. Stattdessen konzentriert es sich auf den Kauf von Beteiligungen an Bergbauprojekten, die Finanzierung kleinerer Stromerzeugungsprojekte (insbesondere erneuerbare Energien), den Aufbau von Internet- und Kommunikationsnetzen und die Modernisierung von Einrichtungen der afrikanischen Regierung. Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien sind oft kurzfristig rentabel und schaffen Wohlwollen bei den Regierungsparteien, ebenso wie Investitionen in Regierungsgebäude.

China hat festgestellt, dass es Zugang zu den wichtigen Mineralien, dem Öl und dem Gas des Kontinents hat, ohne die enormen Investitionen tätigen zu müssen, die es einst für unerlässlich hielt. Von den 169 Milliarden Dollar, die chinesische Entwicklungsbanken und die Regierung in Peking den Afrikanern geliehen haben, ging beispielsweise ein Viertel an Angola, um in die staatliche Ölgesellschaft investiert zu werden, mit dem Ziel, Chinas Ölversorgung sicherzustellen. Heute stammen 25 Prozent des chinesischen Erdöls und Erdgases aus Afrika. Dank langfristiger Lieferverträge und günstiger politischer Bedingungen konnte China seine unmittelbaren Sorgen wegen der Versorgungssicherheit ausräumen. Das Gleiche gilt für wichtige Mineralien wie Lithium, Kupfer und Kobalt. In der Vergangenheit investierte Peking zu viel in rohstoffreiche Länder und nutzte die Mineralien als Sicherheiten. Tatsächlich waren afrikanische Politiker dankbar für die chinesischen Investitionen und die oft günstigen Partnerschaftsbedingungen mit chinesischen Bergbauunternehmen.

Gesunkene Leistungsbilanz

Die chinesische Kreditvergabe stieg in den 2010er-Jahren an und erreichte 2016 ihren Höhepunkt. Von 2012 bis 2018, als China die Finanzierung vieler dieser Projekte einstellte, beliefen sich seine Afrika-Kredite auf umgerechnet 107,9 Milliarden US-Dollar – eine enorme Belastung für Chinas Staatskasse. Der massive Umfang der weltweiten Seidenstraßen-Kredite führte dazu, dass Chinas Leistungsbilanz von 293 Milliarden Dollar im Jahr 2015 auf nur noch 24 Milliarden Dollar im Jahr 2018 sank, bevor sie sich wieder erholte, nachdem die großen Auslandskredite drastisch reduziert wurden. Im Jahr 2020 vergab China nur noch Kredite in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar – ein massiver Rückgang. Diese Talfahrt wird sich voraussichtlich fortsetzen.

Das ursprüngliche Investitionsmodell Chinas stieß auf mehrere Probleme. In finanzieller Hinsicht hatte China Schwierigkeiten, einen Großteil der bilateralen Schulden zurückzuzahlen, und entgegen den Befürchtungen, in eine Schuldenfalle zu geraten, hat es sich im Allgemeinen kulant gezeigt, wenn es um Schuldenerlass und Zahlungsaufschub für Schwellenländer ging. Nachsicht liegt in Chinas Interesse, da seine afrikanischen Partner wichtige Handelspartner sind, die über Mineralien verfügen, welche China zu hochwertigen Gütern verarbeitet.

Von den wichtigsten Darlehensempfängern in Afrika ist Sambia mit den Rückzahlungen in Verzug geraten; für Ghana, Nigeria, Kenia und Ägypten besteht ein hohes Risiko der Zahlungsunfähigkeit, und weitere Anträge auf Schuldenerlass sind sehr wahrscheinlich. In jedem dieser Länder fließen mehr als 30 Prozent der Staatseinnahmen in die Zinszahlungen für die Schulden bis 2023.

Schuldenerlass oder schlechtere Beziehungen

Politisch gesehen steht Peking vor der Wahl zwischen einem weiteren Schuldenerlass, der die eigene finanzielle Situation weiter belasten würde, oder der Ablehnung der Anträge und der Gefährdung der aufgebauten guten Beziehungen. Darüber hinaus würden andere Gläubiger wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank Pekings Unnachgiebigkeit verurteilen. China entscheidet sich deshalb für Ersteres. Im März war der Finanzminister Ghanas in Peking zu Besuch, um über eine Umschuldung zu verhandeln. Sambia verhandelt seit drei Jahren mit China und anderen Gläubigern über eine Umschuldung, eine Abschreibung der ausstehenden Beträge und niedrigere Zinssätze. Die G7-Staaten und US-Finanzministerin Janet Yellen haben China vorgeworfen, die Erleichterung für hoch verschuldete Länder hinauszuzögern.

Darüber hinaus stellen einige Länder den Wert chinesischer Darlehen und Entwicklungsfinanzierungen in Frage, die für große Infrastrukturprojekte vorgesehen waren. So kündigte die Demokratische Republik Kongo kürzlich an, dass sie ihre Bergbaukonzessionen mit Peking neu bewerten wird. Sie ist der Ansicht, dass die Bedingungen zu sehr zu Gunsten Chinas verzerrt sein könnten. In ähnlicher Weise hat Nigeria Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit früherer Schulden bei Peking. Mitte 2022 machten die nigerianischen Schulden gegenüber China 84 Prozent der gesamten bilateralen Schulden in Höhe von 4,9 Milliarden Dollar aus. Ein großer Teil der nigerianischen Staatseinnahmen fließt in den Schuldendienst, und das Land hat versucht, niedrigere Zinssätze auszuhandeln, da es die chinesischen Zinssätze für ausbeuterisch hält.

Schließlich sind Seidenstraßen-Darlehen aus chinesischer Sicht unnötig, um sich den Zugang zu afrikanischen Bodenschätzen zu sichern. China hat sich bereits auf dem afrikanischen Markt etabliert. Ein Beispiel dafür ist Simbabwe, wo sich China bedeutende Lithiumabbaurechte ohne große Infrastrukturprojekte gesichert hat. Selbst als Simbabwe die Verarbeitung und Raffination verstaatlicht hat, hat China seine Position verteidigt; die einzigen Unternehmen mit Lithiumraffinerien in Simbabwe sind in chinesischem Besitz.

Verlagerung auf kleinere Projekte

Vor diesem Hintergrund ist China von der Finanzierung großer Infrastrukturprojekte abgerückt und hat sich auf kleinere Projekte verlegt. Anfang dieses Jahres kündigte Uganda einen Vertrag im Umfang von 2,2 Milliarden Dollar mit der China Harbour Engineering Co. über den Bau eines 273 Kilometer langen Abschnitts einer Normalspurbahn und begründete dies mit Verzögerungen bei der Finanzierung durch China. Kenia bemüht sich ebenfalls um Finanzmittel für den Bau einer eigenen Eisenbahnstrecke, erhielt aber in diesem Jahr nur 12,7 Millionen Dollar aus China für das Projekt. Auch Nigeria bemüht sich um 22,8 Milliarden Dollar für eine neue Kaduna-Kano-Eisenbahn. Im Jahr 2016 unterzeichnete die chinesische Exim-Bank eine Vereinbarung zur Finanzierung des Projekts. Das nigerianische Parlament genehmigte die Vereinbarung 2020, aber die Bank zog sich 2022 zurück. Vorigen Monat kündigte die nigerianische Regierung an, dass die Chinesische Entwicklungsbank einen wesentlich geringeren Betrag, nämlich 973 Millionen Dollar, zur Finanzierung der Eisenbahn bereitstellen würde.

Peking ist nun auf der Suche nach weniger riskanten Projekten, in die es investieren kann. Berichten zufolge könnte China zum Beispiel die ostafrikanische Rohölpipeline von Uganda zu einem Hafen in Tansania finanzieren, nachdem sich die Standard Chartered Bank aufgrund von Umweltbedenken zurückgezogen hatte. Das Projekt, das vom französischen Energieriesen Total verwaltet wird, gilt als relativ risikoarm. Sobald die Pipeline in Betrieb ist, wird China ein wichtiger Bestimmungsort für das Öl sein, und chinesische Unternehmen haben europäische Firmen beim Bau mehrerer Abschnitte der Pipeline abgelöst.

Peking bleibt größter Handelspartner Afrikas

In der Zwischenzeit nehmen die ausländischen Direktinvestitionen Chinas in Afrika trotz des nachlassenden Appetits auf Großkredite stetig zu. Die chinesischen Direktinvestitionen in Afrika stiegen von 491 Millionen Dollar im Jahr 2003 auf 44,2 Milliarden Dollar im Jahr 2021 und sind in den vergangenen fünf Jahren konstant geblieben, selbst während der Corona-Pandemie. Die Investitionen konzentrieren sich auf eine kleine Gruppe von Branchen. Im Jahr 2021 entfielen 22,6 Prozent (9,9 Milliarden Dollar) der chinesischen Direktinvestitionen in Afrika auf den Bergbau, 37 Prozent (16,3 Milliarden Dollar) auf den Bausektor und 13,4 Prozent auf die verarbeitende Industrie. Chinesische Bauunternehmen sind nach wie vor in Afrika tätig, arbeiten aber nicht mehr im Rahmen von Regierungsaufträgen, die durch Seidenstraßen-Kredite finanziert werden. Peking ist nach wie vor der größte Handelspartner des Kontinents; 2021 entfielen insgesamt 22 Prozent des afrikanischen Handels auf China.

 

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Kleinere Infrastrukturprojekte werden als langfristige Investitionen betrachtet und nicht durch Entwicklungskredite finanziert. Bei vielen handelt es sich um kleine Projekte im Bereich der grünen Energie, darunter Wasserkraftwerke sowie Solar- und Windparks. So unterzeichnete beispielsweise ein namibisch-chinesisches Joint Venture einen Vertrag mit einem Volumen von 100 Millionen Dollar zur Entwicklung eines 50-Megawatt-Windkraftwerks. Solche Initiativen gelten als nachhaltiger und letztlich rentabler als die großen Wasser- und Kohlekraftwerke, die früher chinesische Gelder angezogen haben.

Chinesische Investitionen in Afrika zielen auch auf die Machtzentralen auf dem Kontinent ab. Peking hat sich am Bau oder der Renovierung von Parlamentsgebäuden in zehn Ländern und anderen offiziellen Einrichtungen in fünf Ländern Afrikas beteiligt, darunter auch der Hauptsitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba. Diese Projekte dienen dem politischen Establishment als subtile Erinnerung an Chinas anhaltendes Engagement in Afrika. Auch wenn Peking seinen Fokus auf den Kontinent verlagert, verlässt es ihn nicht.

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Christoph Kuhlmann | So., 21. Mai 2023 - 13:13

mal wieder an der Misswirtschaft. Das ist natürlich kontraproduktiv für die übergeordneten politischen Ziele. In Deutschland wurde die Silk Road Initiative in der Presse als finsterer Plan Chinas dargestellt, die Weltherrschaft zu erlangen. Ich glaube, nicht nur die Kolonialmächte leiden in Europa unter dem Phantomschmerz, die durch die Industrialisierung erreichte globale Bedeutung zu verlieren. Wie sagte Scholz doch neulich: Vor 250 Jahren war es ganz normal, dass China und Indien 25-30 % der globalen Wirtschaftsleistung erbrachten. Wir erleben einen Normalisierungsprozess. Dass die EU mit ihrem Freihandelsradikalismus zu Anfang des Jahrtausends verhinderte, dass ihre Mitgliedsstaaten die Chipfabriken zu zwei Dritteln finanzierten, so wie dies in Asien geschah, von dem wir nun abhängig sind, kann man den Asiaten auch nicht vorwerfen. Es kochen alle mit Wasser und die EU ist zwar teuer, aber besser als die Kleinstaaterei mit ihren ständigen Kriegen und Zöllen. Da haben wir Vorteile.

Ich bin kein China-Experte, aber weder der rasante wirtschaftliche Aufstieg des Landes (seit etwa 1990) noch die hier beschriebenen Probleme haben sonderlich viel mit sozialistischer Planwirtschaft zu tun.
Politisch ist China eine (extrem menschenverachtende) kommunistische Ein-Parteien-Diktatur, wirtschaftlich jedoch ziemlich kapitalistisch. In den Ländern Zentralasiens und Afrikas hat man neo-koloniale Strukturen etabliert, von denen China mehr profitiert als die Länder, deren natürliche und finanzielle Ressourcen man ausbeutet - mit den von Wordsworth beschriebenen Folgen.
Man wird sehen, wie ein totalitären Regime damit umgeht, wenn seine auf dem Wohlstandsversprechen basierende Legitimation Risse bekommt.
Aus europäischer Sicht kann man nur hoffen, dass China noch mehr Probleme bekommt. So oder so müssen wir unsere Abhängigkeit von diesem Regime reduzieren.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 21. Mai 2023 - 16:57

auch nicht qualifiziert, viel mehr zu sagen, als von Eindrücken zu berichten.
Ich würde China raten, das eigene Land zu stabilisieren und Asien überhaupt.
Ich glaube nicht, dass Afrikaner sich etwas von China sagen lassen.
Sie lassen sich eher "Brücken bauen", als das selbst zu tun?
Wobei mir nach wie vor schleierhaft ist, wieso das so wäre.
Ich ziehe aber auch so etwas wie
Angetan-sein-von-sich-selbst in Betracht.
Es gibt auch in Europa Probleme mit der Zahlungsmoral bzw. dem Umgang mit Geld in Südeuropa?
Das sind allerdings schon auch eher Vorurteile, genausogut könnte man die Kolonialzeit anführen, aber darunter litt China doch auch.
Ich verstehe es also nicht, wäre aber wirklich etwas zurückhaltender in der Einbindung Afrikas, bei allem Respekt oder auch Zuneigung natürlich.
Einklagen können wird China nichts und da es jetzt unter internationalen Druck wegen Russland gerät, jetzt eben erst recht nicht?
Die Welt ist kein Ponyhof.
Trau, schau wem.
Ich habe Respekt vor jedem Land.