Irans Präsident Ebrahim Raisi / picture alliance

Iran am Scheideweg - Wer dominiert den Nahen Osten?

Obwohl kein einziges Land der Region dem Iran etwas entgegensetzen kann, stößt Teheran bei seiner Expansion an natürliche Grenzen. Die wichtigsten davon sind innenpolitische Forderungen, da das Land am Rande eines evolutionären Regimewechsels steht.

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Kamran Bokhari ist Experte für den Mittleren Osten an der Universität von Ottawa und Analyst für den amerikanischen Thinktank Geopolitical Futures.

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Nach China und Russland ist der Iran die größte außenpolitische Herausforderung für die Vereinigten Staaten – eine Herausforderung, die die verschiedenen US-Regierungen seit fast einem halben Jahrhundert quält. Die Islamische Republik hat lange Zeit chronische Schwächen in der arabischen Welt ausgenutzt, vor allem in Bezug auf Israel, und einen großen Einflussbereich im Nahen Osten aufgebaut.

Obwohl kein einziges Land in der Region dem Iran etwas entgegensetzen kann, stößt Teheran bei seiner Expansion an natürliche Grenzen. Die wichtigsten davon sind innenpolitische Forderungen, die die Aufmerksamkeit der Regierung erfordern, da sie am Rande eines evolutionären Regimewechsels steht.

Am 31. Dezember versenkten US-Marinesoldaten drei Huthi-Angriffsboote im Roten Meer. Bis dahin konnten die regionalen Stellvertreter Irans, einschließlich der jemenitischen Huthis, die durch die Region fahrende Handelsschiffe angegriffen hatten, weitgehend ungestraft agieren. Die Gruppen in Syrien, im Libanon und im Irak wussten, dass abgesehen von gelegentlichen israelischen oder amerikanischen Angriffen auf ihre Einrichtungen niemand ihren Vormarsch aufhalten würde. Tatsächlich hat Saudi-Arabien, die faktische Führungsmacht der arabischen Welt, Washington zur Zurückhaltung gegenüber den Huthis gedrängt, aus Angst vor einem größeren regionalen Flächenbrand.

Das sunnitische Lager ist tief zersplittert

Die Reaktion Riads ist in gewisser Weise verständlich. Das Königreich steht innenpolitisch unter Druck, den Krieg im Gazastreifen irgendwie zu beenden, und der siebenjährige Konflikt im Jemen – eine Katastrophe für sich – hat die Position der Huthis nur gefestigt. Die Entscheidung, diesen Krieg zu führen, rührte daher, dass die USA nach ihrem jahrzehntelangen Feldzug im Irak und den jahrelangen Unruhen nach dem Arabischen Frühling nicht mehr daran interessiert waren, sich im Nahen Osten über begrenzte Interventionen gegen transnationale Dschihadisten hinaus zu engagieren. Saudi-Arabien und die Huthis stellten die Feindseligkeiten 2022 ein, und Riad bemüht sich seither um eine Einigung mit den Iranern – ein Prozess, der im vergangenen Juni zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen führte.
 

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Die saudische Regierung ist der Ansicht, dass diese Bemühungen sie in die Lage versetzen, die regionale Sicherheit effektiver zu verwalten. Sie glaubt indes nicht, dass diese Bemühungen den Iran dazu zwingen werden, sein Ziel, den Nahen Osten zu dominieren, aufzugeben. Dies erklärt, warum das Königreich fieberhaft an der Normalisierung der Beziehungen zu Israel gearbeitet hat – ein Ziel, das durch den Hamas-Anschlag vom 7. Oktober torpediert wurde. Riads Strategie, den Iran aufzuhalten, besteht aus einer Kombination aus amerikanischer Aufsicht, der Wiederherstellung der Beziehungen zu Teheran und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel.

Das eigentliche Problem Saudi-Arabiens besteht darin, dass das vom Iran angeführte schiitische Lager weitgehend geschlossen ist, während sich das sunnitische Lager tief zersplittert zeigt. Die Türkei zum Beispiel könnte ein starkes Gegengewicht zum Iran bilden, aber die arabischen Staaten wollen den Iran nicht besiegen, nur um am Ende von den Türken dominiert zu werden. Im Moment ist das ohnehin ein strittiger Punkt. Ankara wird nicht nur vom Iran durch den Irak und Syrien eingeengt, sondern steckt auch in einer Finanzkrise, die nur durch arabische Investitionen gelöst werden kann.

Teheran hat den Höhepunkt seiner Macht erreicht

Obwohl es keine regionalen Staaten gibt, die der Islamischen Republik entschlossen entgegentreten könnten, gibt es andere Faktoren, die den Iran daran hindern, die Region zu dominieren. Zum einen ist der Iran ein ethnisch persisches Land, dem es schwer fallen würde, in den arabischen Ländern Kontrolle auszuüben. Das Land konnte dieses Hindernis umgehen, indem es schiitische Gruppen von seinen Grenzen bis zum östlichen Mittelmeer unterstützt hat. 

Und wie die Beziehungen des Iran zur Hamas zeigen, ist es Teheran gelungen, die Kluft zu überbrücken, indem es einige sunnitische Stellvertreter aufgebaut hat. Dabei macht es sich eine gemeinsame islamistische Ideologie mit der sunnitischen Muslimbruderschaft zunutze, deren Ableger die Hamas ist. Noch wichtiger ist jedoch, dass sich der Iran in einer Zeit, in der die arabischen Staaten als Sympathisanten Israels gelten, als Verfechter der palästinensischen Sache positioniert hat. Zwar unterstützen auch die Türkei und Katar die Hamas, aber ihr Verhalten ist eher defensiv und oft eine Reaktion auf iranische Aktionen.

Die Sanktionen sind ein Haupthindernis für weiteres Vordringen

Doch so erfolgreich die iranische Strategie bei der Unterstützung von Gruppen vom Arabischen Meer bis zum östlichen Mittelmeer auch war, sie hat ihren Einflussbereich so weit ausgedehnt, wie sie nur kann. Demografische Faktoren wie die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der iranischen Bevölkerung Nicht-Perser sind, sowie die relative Stabilität der arabischen Monarchien und die Stärke Israels machen es dem Iran sehr schwer, weiter in die Region vorzudringen. Die massiven Sanktionen sind ein weiteres Haupthindernis für ein weiteres Vordringen nach außen.

Hinzu kommt der bevorstehende Wechsel des Obersten Führers in einer Zeit, in der die herrschende Elite erbittert zerstritten ist. Der Iran steht an einem entscheidenden Punkt – nicht nur in Bezug auf seine Entwicklung als Land, sondern auch in Bezug auf die Wahrung seiner geopolitischen Stellung in der Region.
 

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Christoph Kuhlmann | Fr., 5. Januar 2024 - 11:14

Das Beste wird sein sie im eigenen Saft schmoren zu lassen soweit das Geht. Die Hanas ist in den nächsten Monaten Geschichte. Ob es mit der Hisbollah weiter geht, hängt von den nächsten Wochen ab und um die Huthis wird sich eine internationale Allianz kümmern müssen. Niemand hat das Interesse diese Konflikte unnötig zu eskalieren. Die Störungen im roten Meer verursachen jetzt schon Störungen in den Lieferketten und müssen beseitigt werden. Die Presse kolportiert die Radikalen, doch das gibt ein verzerrtes Bild.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 5. Januar 2024 - 11:56

"natürliche Grenzen"?
Mir sagt das nämlich schon noch etwas und entsprechend wenig halte ich von Allem, dass sich grenzenlos, so oder so, setzt, es sei denn, dem würden nun mal von anderer Seite keine Grenzen gesetzt.
Libanon, Jordanien und Israel sehe ich als "Afrikaspitze".
Wie gesagt, den Iran eher Richtung Osten, als Richtung Süden.
Saudi-Arabien in Richtung Süden zu dem, was sich jetzt von Afrika lösen wird.
Besser, man sieht im Nahen Osten Four main Player, Türkei, Iran, Syrien und Saudi-Arabien.
Das kann man sicherlich an den kulturellen Zuordnungen ablesen.
Aber Vorsicht, Österreich zähle ich sowenig zur Bundesrepublik Deutschland, wie die Schweiz.
Nur weil man die gleiche Sprache spricht oder Religion ausübt, ist man sich noch nicht näher.
Aber hoffentlich nah genug, sich verständigen zu können.
Wie komme ich auf die "Afrikaspitze"?
Nun, seit meinen Studientagen bei Herrn Prof. Dr. Bassam Tibi rätsele ich, was den Libanon ausmacht.
Wollte Moses nicht noch weiter?
Spekulation

Ernst-Günther Konrad | Fr., 5. Januar 2024 - 12:07

Sollen sie sich doch gegenseitig meucheln. Diese Islamisten sind sich ja selbst nicht einig. Sunniten, Schiiten, Wahhabiten usw. Und jeder behauptet, nur er vertrete konsequent und glaubwürdig den Islam und ihren Mohammed? Am Ende wird der Iran wie alle anderen auch wieder unter Druck geraten, wenn die unterschiedlichen Glaubensabspaltungen sich gegenseitig bekämpfen. Solange sie das im eigenen Land machen und die sich gegenseitig massakrieren ist mir das egal. Und was die USA anbetrifft. Die halten sich nach wie vor für die Weltpolizei und meinen, überall mitmischen zu müssen. Das wird sich unter demokratischen Präsidenten auch nicht ändern. Denn auch die USA verfolgen nur eigene Interessen, auch wenn sie sich gerne als Beschützer anderer aufspielen. Das machen sie nur so lange, wie sie ihre Verbündeten brauchen. Danach lassen sie jeden fallen. Man sieht es derzeit in der Ukraine wieder. Dort wird der Rückzug bereits eingeläutet.