Soldaten während eines feierlichen Gelöbnisses / picture alliance

Wehrbeauftragte kritisiert Bundesregierung - „Die 100 Milliarden Euro allein werden nicht ausreichen“

Die Wehrbeauftragte Eva Högl kritisiert, dass der 100-Milliarden-Euro-Topf für die Bundeswehr nicht schon im vergangenen Jahr für Einkäufe genutzt wurde. Das Verteidigungsministerium und die Beschaffungsbürokratie sollen nun in die Gänge kommen.

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Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, hat den schleppenden Start der Zeitenwende hin zur vollständigen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr deutlich kritisiert. „Die Bundeswehr hat von allem zu wenig. Und sie hat seit dem 24. Februar 2022 noch weniger“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung ihres Jahresberichts.

Sie verwies auf das vom Bundestag beschlossene Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, mit dem die Bundeswehr einsatzbereit gemacht werden soll. „Ich muss leider feststellen, dass im Jahr 2022 von diesem Sondervermögen noch kein Euro und kein Cent ausgegeben wurde“, sagte Högl. Die Wehrbeauftragte hilft nach Artikel 45b des Grundgesetzes dem Bundestag bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte. Sie gilt aber auch als Anwältin der Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können.

Beschaffungswesen „zu behäbig“

In ihrem Jahresbericht kritisierte sie, dass das Beschaffungswesen „zu behäbig“ sei. Sie nennt zahlreiche Beispiele: Seit 2016 werde an einem Biologie-Labor für eine ABC-Abwehr-Schule geplant. Obwohl es um handelsübliche und marktverfügbare Geräte gehe, seien bisher nur 32 von 200 Einzelgeräten beschafft. An anderer Stelle reiche die Beschaffung eines Fliegerhelms mit ballistischem Schutz schon bis 2013 zurück – obwohl marktverfügbar und im US-Militär im Einsatz. Im dritten Quartal dieses Jahres solle die Ausrüstung nun bereitgestellt werden.
 

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Högl plädierte aber trotz lange beklagter Probleme für mehr Geld. „Die 100 Milliarden Euro allein werden nicht ausreichen, sämtliche Fehlbestände auszugleichen, dafür bedürfte es nach Einschätzung militärischer Expertinnen und Experten einer Summe von insgesamt 300 Milliarden Euro“, schrieb Högl.

Auf Nachfrage bekräftigte sie, dass sie auch eine deutliche Steigerung des regulären Verteidigungsetats („Einzelplan 14“) befürworte, wie von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gefordert. „Der Minister ist jetzt mit der Forderung 10 Milliarden Euro reingegangen. Ich drücke die Daumen, dass er sich durchsetzt“, sagte Högl. „Das Geld ist gut investiertes Geld in Frieden, Freiheit, Sicherheit. Die Truppe braucht es dringend.“

„Wir brauchen einen größeren Pool an Bewerbungen“

Die Wehrbeauftragte blickte mit Sorge auf die Personalsituation in der Bundeswehr und zweifelte daran, dass bis zum Jahr 2031 die Zielstärke von 203 000 Soldatinnen und Soldaten erreicht werden kann. Die Personalstärke habe Ende vergangenen Jahres 183 051 betragen, ein leichtes Minus zu 2021 (183.695 Soldaten). Negativ festzustellen sei, dass die Zahl der Bewerbungen um 11 Prozent auf 43 900 zurückgegangen sei. „Wir brauchen einen größeren Pool an Bewerbungen“, sagte Högl. Es seien 18 692 Stellen oder 15,8 Prozent der Stellen unbesetzt. Die Bundeswehr werde personell immer älter.

Högl kritisierte, dass das Potenzial und der Nachholbedarf bei der Einstellung von Frauen im Militär nicht ausgeschöpft werde. „Selbst inklusive des Sanitätsdienstes liegt der Anteil der Soldatinnen erst bei 13,21 Prozent“, kritisierte sie. Übergriffe gegen die sexuelle Selbstbestimmung hätten nach einem deutlichen Rückgang während der Corona-Zeit wieder zugenommen. Es habe dazu 34 Eingaben und 357 meldepflichtige Ereignisse gegeben. „Da ist wirklich Handlungsbedarf. Das ist auch entscheidend dafür, ob Frauen sich entscheiden, zur Bundeswehr zu gehen“, sagte Högl.

„In einem erbärmlichen Zustand“

Einen Rückgang der Zahlen verzeichnet ihr Bericht beim Thema Rechtsextremismus, wo es 319 Fälle und 203 meldepflichtige Ereignisse gab. Högl sagte dazu: Wenn der Rückgang bedeute, dass das Problem weniger groß sei, „dann freuen wir uns darüber. Aber das muss, wie gesagt, noch weiter verfolgt werden.“

Ein Dauerthema: die Infrastruktur. Kasernen sind landauf, landab „in einem erbärmlichen Zustand“. Högl sagte: „Es fehlt an Unterkünften, funktionierenden Toiletten, sauberen Duschen, Spinde, Hallen, Sportanlagen, Truppenküchen, Betreuungseinrichtungen, Munitionslagern und Waffenkammer und nicht zuletzt auch WLAN.“ Der Investitionsbedarf werde auf mittlerweile 50 Milliarden Euro beziffert. Die Bauverwaltungen schafften es pro Jahr, Projekte im Volumen von einer Milliarde Euro umzusetzen. Die Wehrbeauftragte: „Das heißt, wir brauchen ein halbes Jahrhundert, um den Investitionsbedarf auch entsprechend umzusetzen.“

Quelle: dpa

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Walter Bühler | Di., 14. März 2023 - 14:55

... sich über die Gemütlichkeit des eigenen Pferdes beklagt.

Was hat denn die SPD-Frau Högl selbst unternommen, um bei den Beschaffungen und bei den sonstige Reformen im Galopp zum Angriff überzugehen?

Ich dachte, Ihre Partei sei ein Teil der Regierungskoalition. Mangelt es am Können oder am Willen?

Würde man mit den Russen einen Vertrag machen, ihnen jedes Jahr 1 Mrd. € zu schenken, hätte man 100 Jahre Frieden.
Nur die Polen wollen mehr, ein 1300 Mrd. Sondervermögen, also 13 Wummse, um es in der Sprache des Kanzlers auszudrücken.

Karl-Heinz Weiß | Di., 14. März 2023 - 16:56

Ist das die Zustandsbeschreibung für die Bundeswehr oder für die Bundesrepublik ? Dass die frühere Verteidigungsministerin nichts zustande gebracht hat: geschenkt! Diese Personalie hat (Cum oder Ex) allein der Kanzler zu verantworten. Aber statt Beschaffungen aus dem 100 Milliarden-Sonderschulden auf den Weg zu bringen, nun weitere Milliarden zu fordern: das ist dreist!

Tomas Poth | Di., 14. März 2023 - 19:01

Was in den letzten 30 Jahren versemmelt wurde, kann nicht mit 100 Milliarden innerhalb einer Legislaturperiode behoben werden.
Aber es muß mit Nachdruck daran gearbeitet werden.

Ronald Lehmann | Mi., 15. März 2023 - 14:56

Die tagtägliche Verarschung - ja Herr Poth, seit 30 Jahren kann die dickste Kuhhaut auf Zeit nicht aushalten.

Degradiert zur "Muskelmasse" & Sündenbock für unfähige d. Regierungen, die sowie so nicht's zu entscheiden haben & wenn ja, wo sowie so nicht's gescheites dabei heraus kommt.

Ich hatte nie Interesse an Soldaten spielen. Aber unsere Armee hat gleich mehrere schwarze Peter-Karten gezogen. Die tun mir sogar richtig Leid & Afghanistan war der Allerwertesten-Tritt für die d. Armee.

Und auf unserer d. Mülldeponie werden sie kaum brauchbares finden, zumal auch ihren Produkte nicht anders gestrickt sind.

Teile nicht konvertibel austauschbar, weil ein jeder Hersteller seine Ecke reinsägt, damit ja nicht das Teil woanders genutzt werden könnte & halten so es ja auch nicht.

MOTTO UNSERER INDUSTRIE

außer ein paar Familien-Betiebe wie NAGEMA oder BOSCH

WAS LANGE HÄLT BRINGT KEIN GELD