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() Ursula und Ferdinand Piech

VW - Frauen an der Macht: Die Uschi und die Autos

Wenn es jemanden gibt, der nahe an den notorischen Einzelgänger Ferdinand Piech herankommt, dann ist es seine Frau Ursula. Bislang zog sie die Strippen diskret im Hintergrund. Doch jetzt hat der VW-Patriarch ihr sein industrielles Erbe vermacht.

Wer hätte vor einigen Jahrzehnten noch gedacht, dass die wichtigste Branche der Nation, die Autoindustrie, eines Tages einmal in Frauenhände gelangen könnte? Doch neben der BMW-Erbin Johanna Quandt und Maria-Elisabeth Schaeffler, Königin der Kfz-Zulieferer, soll nun eine weitere Dame den vielleicht höchsten Thron der Automobilwelt besteigen: Der geniale Ingenieur und VW-Regent Ferdinand Piech verkündet, sein industrielles Erbe seiner Frau Ursula übergeben zu wollen. Hundert Milliarden Euro Umsatz macht der VW-Konzern jährlich. Piech ist mit sieben Prozent an Porsche beteiligt und mit zehn an der Porsche Holding, die wiederum die Mehrheit an Porsche und VW hält. Dieses Vermächtnis hat er zwei österreichischen Privatstiftungen übertragen: „Ferdinand Alpha“ und „Ferdinand Beta“, Bunker zur Sicherung seiner Hausmacht. Stirbt Piech, geht sie an seine Frau über. In einem Konzern, der Toyota als weltgrößte Autofirma ablösen will, hat Ursula Piech Chancen, die mächtigste Autofrau des Planeten zu werden.

Dabei hatte sie als heimliche Geliebte aus der Provinz begonnen. Die heutige Frau Piech wächst als Ursula „Uschi“ Plasser, Tochter eines Zollbeamten, im oberösterreichischen Braunau auf, einem Örtchen an der deutschen Grenze, traurig bekannt als Geburtsort Hitlers. Dort stößt die heitere Kindergärtnerin 1982 auf ein Stellengesuch als Gouvernante im Haus des damaligen Audi-Technikvorstandes Ferdinand Piech. Sie ist 25 und will raus, in den Winterferien steht sie in der österreichischen Berghütte der Piechs auf der Matte. Ferdinand ist ein Schwerenöter: Fünf Kinder hat er bereits mit einer Jugendliebe, dann spannt er seinem Vetter Gerd Porsche dessen Frau Marlene aus: zwei zusätzliche Kinder. Irgendwo dazwischen gibt es weitere Kinder, Ferdinand Piech und Marlene betreiben eine „offene Beziehung“. Als Ursula kommt, kriselt die Liaison bereits. Ferdinand selbst krümmt sich mit Nierenkrämpfen in der Küchenecke, sie hat Mitleid mit dem Herrn. Er dagegen hat schon bald „so ein Gefühl“.

Als die Sache mit Marlene Porsche und Ferdinand Piech scheitert, tröstet er sich mit Uschi Plasser, dem lustigen Kindermädchen. Als er sein neues Gschpusi im bayerischen Wald zum Skilanglauf treibt und die sich dabei das Steißbein bricht, fährt sie auch danach noch Auto: mit einem Schwimmreifen auf dem Sitz. Piech ist beeindruckt. Und als er sie zum Segeln zwischen Madeira und Teneriffa entführt, übergibt er sich im Minutentakt, sie dagegen ist quietschvergnügt. Offiziell verschweigt er die Affäre, auf öffentlichen Anlässen wie seiner Promotion an der Wiener TU wird Ursula am Kindertisch geparkt. Zwei Jahre nach ihrem Antritt als Gouvernante hat Piech genug und macht ihr einen Antrag. Als Ursula der Standesbeamtin von den neun Kindern ihres Verlobten erzählt, greift die ihre Hand: „Maderl, überleg dir’s noch einmal!“ Sie tut es und heiratet ihn kurz darauf.

Auf Piech wartet direkt nach der Hochzeit schon wieder das Geschäft: Autosalon in Paris, beim Dinner will er den Audi-Vorständen die neue Frau Piech vorstellen. Ursula will nicht vorgeführt werden, es kommt zur ersten Szene der jungen Ehe. Schließlich stellt sie sich der Welt ihres Mannes doch. „Wie kannst du nur meinen Vater heiraten, du bist doch sonst so ein fröhlicher Mensch“, witzelt eines der Kinder. Besonders zu Ferdinands Mutter Louise, geborene Porsche, entwickelt sich schnell ein herzliches Verhältnis. Insgesamt drei Kinder gebiert Ursula ihrem Ferdinand, die Familie lebt vorerst in Ingolstadt. Vor dem Schicksal ihrer Vorgängerin fürchtet sie sich offenbar nicht: Sie engagiert ein Mädchen aus ihrem Heimatort als Gouvernante.

Ferdinand Piech steigt rapide auf und wird 1993 Chef von VW, Ursula übernimmt auch in der Folgezeit, abgesehen von einigen Schirmherrschaften, nie offizielle Funktionen im Konzern. Doch eine Gruß-Uschi ist sie auch nicht. „Mein Mann arbeitet, ich halte ihm den Rücken frei“, sagt sie über ihre Rolle an der Seite des notorischen Einzelgängers. Er selbst spricht vom „hohem Misstrauen gegenüber anderen“, ein Mann, an dessen Seite lebenslang zu stehen schon eine Leistung ist, seine Erbin zu werden erst Recht. Und Ursula weicht nicht. Schon in seiner Zeit als VW-Chef beugt sie sich mit ihm über Akten, gilt in Wolfsburg schon bald als Macht im Hintergrund. Wo immer er auftritt, sie ist dabei. Beim Kitzbüheler Hahnenkamm-Rennen stapft sie eingehakt mit ihm durch den Schnee, in Rom verneigen sie sich zu zweit vor Papst Benedikt, Händchen haltend hocken sie mit grünen Fanschals im Stadion des VfL Wolfsburg, auf den Hauptversammlungen des Konzerns sitzt sie hellwach neben ihm. Und als Piech im Zuge des VW-Skandals in Prozessen auftreten muss, ist sie es, die ihn zum Gerichtssaal chauffiert. Mit ihrem angeborenen Witz fungiert Ursula dabei als Diplomatin des listigen, leisen Greises.

1996 bespaßt sie den damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder in Piechs Loge auf dem Wiener Opernball. Als der ihr wenig später die blonde Focus-Redakteurin Doris Köpf als neue Geliebte vorstellt, nimmt Ursula sie verständnisvoll unter ihre erfahrenen Fittiche und tanzt später vergnügt mit ihr auf dem Wolfsburger Bon Jovi-Konzert. Als Schröder 1998 seine Doris heiratet, feiern die Piechs selbstverständlich mit. Berühmt ist die Anekdote, wie sie das fröstelnde Verhältnis zwischen Ferdinand und Christian Wulff zum Tauen brachte, indem sie ihn um ein Autogramm auf ihrem Gipsarm bat. Durch das gebrochene Eis verbündeten sich die Männer, bringen gemeinsam Piechs Widersacher Wiedeking zur Strecke.
Ursulas Rolle wird unterschätzt, weil sie hinter der Fassade agiert. Klug, diskret, mit emotionaler Intelligenz, der Kerntugend jeder Matriarchin. Und Ursula Piechs Aufstieg hat gerade erst begonnen.

Zu Teil 1 der Reihe „Frauen an der Macht“: Friede Springer

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