Vermummte Klimaaktivisten während Protesten gegen den Kohleabbau in Lützerath / dpa

Selbstermächtigung, Empörung, Sanktionierung - Die Missionare des Guten

Moral und Dekonstruktion altbewährter Muster liegen im Trend. Doch oftmals schießen Gender-Befürworter und Klimaaktivisten über das eigentliche Ziel hinaus. Überlegene Moral um der eigenen Überlegenheit willen beschwört den Kampf, nicht die Verständigung.

Autoreninfo

Ewald Kiel ist Ordinarius für Schulpädagogik an der LMU München und war Direktor des Departments für Pädagogik und Rehabilitation sowie Mitglied des Universitätssenats. Zur Zeit ist er Dekan der Fak. 11 der LMU.

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In der gegenwärtigen Welt gehört es zum guten Ton, eine dezidierte Moral zu haben, entsprechende Moralvorstellungen zu artikulieren, ein Handeln gemäß diesen Vorstellungen einzufordern und wachsam zu sein, wenn andere Menschen das nicht tun. In diesem Fall gilt es, Sanktionen auszuüben oder sie wenigstens einzufordern, wenn andere die eigenen moralischen Überzeugungen nicht teilen und, schlimmer noch, daher auch nicht so handeln, wie man es selbst für moralisch angemessen hält. Mit anderen Worten: Moral ist immer und überall! Wir haben einen Moralüberschuss in der Gesellschaft, gepaart mit Verletzlichkeit und Empörungswillen.

Triggerwarnung und Verletztheit an der Hochschule

Dieser Überschuss äußert sich auf allen Ebenen der Gesellschaft. In meinem Arbeitsbereich, der Universität, wollten Studierende der Literaturwissenschaft vor einigen Jahren in Cambridge davor gewarnt werden, wenn sie „Titus Andronicus“ von Shakespeare lesen. Dort gehe es um unglückliche Liebe und sexuelle Gewalt. Dies könne empfindsame Gemüter verletzen, ihre Vorstellung einer gewaltlosen Gesellschaft oder konsensueller Liebe zerstören etc.

Es gibt ein Fachwort für solche Warnungen: „Trigger Warnings“ oder „Content Warnings“. Meine Trigger-Warnung an alle Studierenden der Literaturwissenschaft ist genereller: Große Teile der Weltliteratur beschäftigen sich mit unglücklicher Liebe, Sex, Gewalt, Tod und Untergang. Dies gehört einfach zum Fach. Die Auseinandersetzung mit anderen Vorstellungen als den eigenen, gerade wenn man sie nur liest, kann durchaus bildsam sein.

 

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Ein anderes aktuelles Beispiel betrifft eine studierende Person, die mich nach einer komplexen Vorlesungsstunde anspricht. Sie hätte mir viele fachliche Fragen stellen können. Mir jedoch teilt die Person mit, sie (er, es) sei verletzt, weil ich von Lehrerinnen und Lehrern spreche, sie (er, es) sei aber nonbi (non-bi?) genderfluid, und ich hätte sie (ihn, es) nicht adressiert. Das störe den kognitiven Verarbeitungsprozess, und Störungen hätten immer Vorrang.

Das „närrisches Maskulinum“ 

Da ich in Bayern arbeite und mein Ministerpräsident Markus Söder gegen das Gendern ist, wage ich es, meinen Sprachgebrauch dennoch beizubehalten. Ich tue dies, obwohl ich weiß, dass in Großbritannien die Kollegin Kathleen Stock ihr Amt verließ, weil sie zu sagen gewagt hatte, ein biologisches Geschlecht sei unveränderbar. Davor fürchte ich mich nicht, würde ich jedoch in meinen Publikationen das generische Maskulinum „Lehrer“ verwenden, hätte ich in vielen Publikationsorganen Schwierigkeiten, meine Forschungsergebnisse unter die Menschen zu bringen. Es gibt meines Wissens nur ein Publikationsorgan der Erziehungswissenschaften in Deutschland, wo man das generische Maskulinum nicht nur verwenden darf, sondern auch soll.

An dieser Stelle muss ich einfügen, dass das von mir verwendete Diktierprogramm den Ausdruck „generisches Maskulinum“ nicht kennt und mir stattdessen den Ausdruck „närrisches Maskulinum“ auf den Bildschirm zaubert. Ich frage mich vor dem Hintergrund der Berichterstattung zur künstlichen Intelligenz ChatGPT und ihren vielfältigen Möglichkeiten, ob das Diktierprogramm fähig ist, feine Ironie darzubieten oder ob es von woken Programmierpersonen erstellt wurde, die damit grundsätzlich verhindern wollen, dass das generische Maskulinum eine Überlebenschance hat – und es daher lieber als Narrentum ad absurdum führen. Verschwörungstheoretisch würde das Sinn machen!

Moralüberschuss im Alltag

Nicht nur im akademischen Bereich, sondern auch im Alltag ist man vor einem Moralüberschuss nicht gefeit. Klimaaktivisten kleben sich auf die Straße, behindern den Verkehr und verhindern die freie Durchfahrt von Rettungsfahrzeugen, oder sie lassen Luft aus SUVs, um die SUV-besitzenden Personen daran zu erinnern, dass sie Klimaschädlinge sind. Sicherlich wird dies viele zur Buße und Umkehr ihres klimaschädlichen Verhaltens bewegen – ich sehe vor meinen Augen viele reuige SUV-Fahrer, die sich aufgrund der Attacken Kleinwagen zulegen!

Dies alles fügt sich in das oben genannte Schema: Die eigenen moralischen Vorstellungen einer klimagerechten Welt sind von so überragender Bedeutung, dass man diejenigen, die diese Vorstellung nicht teilen, aus eigener Ermächtigung sanktionieren muss, um sie zur Annahme der eigenen Vorstellung zu bewegen. Selbstverständlich zeichnen sich die Klimaaktivisten dabei durch besondere Wachsamkeit aus – die allerdings nur ihre moralischen Vorstellungen betrifft.

Die Regeln eines Rechtsstaates, demokratische Spielregeln, eine Gefährdung anderer oder die Gefährdung von Kunstwerken, wie etwa bei den Anschlägen auf Werke von Leonardo da Vinci oder van Gogh, spielen dann nur eine untergeordnete Rolle. Was zählen die Ideale anderer, wenn man selbst so wahnsinnig betroffen ist?

Kunst muss sich in diesem Kontext nicht nur vor Klimaaktivisten fürchten. In der gegenwärtigen Ausstellung zum „Blauen Reiter“ im Lehnbachhaus in München haben es vor mehr als 100 Jahren Künstler gewagt, in einer Bildunterschrift das Wort „Indianer“ zu verwenden, welches jetzt nur als „I...“ erscheint. Aus der Perspektive einer postkolonialen Moral ist dies absolut unerlässlich. Die ganze Ausstellung tut sich in ihren Kommentierungen schwer damit, dass einerseits der „Blaue Reiter“ eine herausragende Bewegung in der modernen Kunst war, Kandinsky, Munter, Macke und viele andere den Maßstäben einer postkolonialen Perspektive jedoch eher nicht genügen. Viele weitere Beispiele aus allen Bereichen des Lebens könnten hier angeführt werden.

Postmoderne als Erklärung?

Als Sozialwissenschaftler frage ich mich: Was passiert da gerade und aus welchen Gründen? Ein erster Gedanke hierzu kommt aus der Soziologie und Philosophie. In beiden Fächern gibt es Vertreterinnen und Vertreter, die die gegenwärtige Gesellschaft als postmodern bezeichnen. Diese postmoderne Gesellschaft wird in den Worten des Philosophen Zygmunt Bauman als fluid, sich dauernd verändernd betrachtet. Das alte „Gehorsams-Verzichts-Modell“ (Gensicke) hat ausgedient, Religion als einigende moralische Instanz hat ebenfalls nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Darüber hinaus, so Lyotard, fehlen die großen Erzählungen.

Einer der zentralen Begriffe in diesem Kontext, der die Welt, wie wir sie kennen, entzaubern soll, ist der Begriff der Dekonstruktion – d.h. grundsätzlich skeptisch gegenüber althergebrachten Vorstellungen zu sein und diese daraufhin zu überprüfen, ob nicht alles ganz anders sein könnte, es zum Beispiel mehr als zwei Geschlechter gibt, man Mobilität nicht anders regeln muss etc. In dieser Welt pluraler, oft divergierender Meinungen kommt es zu einem Kampf um die Hegemonie der eigenen Wahrheit, die keine Wahrheit unter vielen sein soll. Sie soll zur großen Erzählung werden, die alle beeinflusst. Viele möchten ihre Vorstellungen durchsetzen, und Moral dient dabei als eine Art Letztbegründung, die andere Glaubenssysteme ersetzt.

Abweichler sind Häretiker

Obwohl es nicht um Religion geht, bekommen die Diskurse einen quasi religiösen Charakter. Wenn christliche Kirchen die Säkularisierung der Gesellschaft betrachten, dann erscheint diese Gesellschaft als ein unbestellter Acker, der von Unkraut überwuchert wird. Selbstverständlich muss das Unkraut vernichtet werden, damit die wertvolle christliche Saat nicht verloren geht. Man nennt das Mission.

Auch die oben angeführten Beispiele, deren Liste sich fast beliebig erweitern ließe, haben diesen Missionsgedanken. Es geht darum, Menschen zu machen, sie so zu formen, dass sie dem eigenen Ebenbild der Menschlichkeit entsprechen. Abweichler sind Häretiker, und gegen Häretiker kann man mit allen Mitteln vorgehen. Mit dem Römerbrief (Kap. 12, Vers 21) könnte man hier jedoch auch anführen: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Mit anderen Worten: Nicht Sanktionen gegen Kunst, Autofahrer und unliebsame Hochschullehrende helfen, sondern selbst das Gute vorzuleben.

Der verletzungsbereite Mensch

Moralität hat in diesem Kontext jedoch nicht nur eine hegemoniale Perspektive, sondern auch die Perspektive des Opfers, wie die obigen Beispiele unter anderem aufzeigen. Der verletzungsbereite Mensch, dessen moralische Bedürfnisse nicht anerkannt werden, inszeniert sich als Minderheit, für die Sorge getragen werden muss, die man nicht vernachlässigen darf und die, aufgrund ihrer Verletzlichkeit und tatsächlichen Verletztheit, das Recht hat, Regeln zu übertreten, andere zu schädigen, um das Gute zu erreichen.

Die Gesamtinszenierung als Hegemon und Opfer ist nicht ohne Geschick und hat einen besonderen Charme. Man ist Meinungsführer und Opfer zugleich. Wer will es da wagen, zu widersprechen? Wenn man dem Hegemon widerspricht, muss man mit Sanktionen rechnen, wenn man das verletzliche Opfer nicht als Opfer sieht, ist man kalt, herzlos, dumm oder alles zugleich. Bei einem Widerspruch gibt es keine Win-Win-Situation sondern nur eine Loose-Win-Situation. Wer widerspricht, der verliert.

Nichterwachsensein der Erwachsenen

Schade, dass die hier geschilderte Inszenierung so sehr von Rationalität entlastet. Denn Skepsis und Dekonstruktion sind durchaus etwas Positives. Sie könnten das Tor zu etwas Neuem sein. Ein rationaler Dialog, der sich im Sinne von Habermas bemüht, herrschaftsfrei zu sein, könnte zu interessanten Problemlösungen führen. Selbstermächtigung, Empörung und Sanktionierung anderer, die nicht meiner Vorstellung von Menschlichkeit entsprechen, gehören nicht zu einem solchen herrschaftsfreien Dialog. Sie führen zu argumentativen Verhärtungen und beschwören den Kampf, nicht die Verständigung.

Interessant ist hier ein Blick auf die Moraltheorie im Kontext der Entwicklungspsychologie. Sie betont die Anerkennung der Perspektive der anderen. In der sogenannten Theory of Mind hat man einen wichtigen Entwicklungsschritt gemacht, wenn man sich in die Vorstellungswelt und Gefühlswelt anderer hineinversetzen kann und dies gar in die eigenen Handlungsplanungen mit einbezieht. Dieser Einbezug der Vorstellungswelt der Anderen ist besonders wichtig – und besonders komplex –, wenn man andere Menschen von den eigenen moralischen Standpunkten überzeugen will. Da ist es dann im Zweifelsfall eben doch einfacher, einfach die Luft aus ein paar Reifen zu lassen.

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Achim Koester | Mo., 20. März 2023 - 08:44

Trotz Ihrer schlüssigen Erklärung für Ihre Gendersprache halte ich es nach wie vor für höchst undemokratisch, wie eine Minderheit, die sich als Elite versteht, unsere Sprache mit Gewalt verändern will, denn das "Gendern" ist nicht auf die Sprache begrenzt, sondern dient dem Ausdruck einer politischen Indoktrination.
Bezeichnend für die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung finde ich die Tatsache, dass Ihre Publikationen evtl. nicht angenommen werden, wenn sie nicht verballhornt sind. Im Grundgesetz steht das irgendwie anders.

Albert Schultheis | Mo., 20. März 2023 - 09:15

Und das Sein wird dafür sorgen, dass das Wesen die luftigen, grund-losen, konstruierten Wesenheiten über Bord wirft, um wieder "sein" zu können. Genau dafür wird der "Vater aller Dinge" sorgen - der Krieg. Und er ist niemals divers, niemals trans*_, niemals LGBTQRSTx - er ist männlich, viril, gewalttätig, brutal und überwältigend. Er schafft Elend, Hunger, Tod und Ruin, ... und Wiedergeburt. Er ist wie ein Vulkan, dessen heiße Lava alles zudeckt, verschmilzt und mit einer schwarzen Kruste Basalt überbackt, wo vorher üppige Natur war, Leben, Kultur, Zivilisation der Egoismen. Damit schafft ein Vulkan neues Land aus dem Uterus der Erde. Ein Reset der Schöpfung. Zurück auf Los von Vegetation, Wachstum, Leben und Kultur. Nach der Katharsis beginnt das Spiel der evolutionären Ideokrasien von Neuem, besiedelt und erobert das Land, der alles umfassende Metabolismus der Erde beginnt seine Verdauung und Verwandlung wieder vom Mineral bis hin zum menschlichen Geist, von der Physik zur Metaphysik

Chris Groll | Mo., 20. März 2023 - 09:29

Das „närrisches Maskulinum“ drückt es wunderbar und eindeutig aus.
Diese Missionare des Guten werden von vielen Institutionen geschützt und gefördert. Amerikanische NGO's zahlen für diese Verwirrten riesige Summen. (Recherche Cicero)
Die Gefährdung von Kunstwerken wird zum Teil von den Museen gefördert, weil die Direktoren derselben ebenfalls mit den Klimaaktivisten symapthisieren (Recherche Tichy).
Diesen, sich so moralisch vorkommenden Personen fehlt in meinen Augen jede Art von Moral und Selbstreflexion. Es zählt nur ihr eigene ICH. Sie finden dabei sehr große Unterstützung bei den einfältigen Grünen Parteimitgliedern
(Grüne/SPD/CDU/FDP/SED). Die Parteimitglieder, die noch selbstständig denken können, schwimmen trotzdem lieber mit dem Strom, um nicht in den Strudel des Shitstorm zu geraten.
Rückgrat ist heute nicht mehr angesagt.

Peter Sommerhalder | Mo., 20. März 2023 - 09:45

ist einfach schade, aber wieso ist denn mittlerweile alles so extrem?
Einfach gesagt: Die Linken sind die Guten, die Rechten sind die Schlechten.

Ist es denn so simpel? Ich z. B. bin liberal, konservativ und rechts. Also schlecht. Was um Himmels Willen soll daran schlecht sein, ich bin ja nur mich selbst und versuche so gut wie möglich mit meinen Mitmenschen auszukommen und dies geht sehr wohl auch als „Schlechter“…

Romuald Veselic | Mo., 20. März 2023 - 10:01

an, die Mehrheit zu belehren u ihre sich ständig ändernde Dogmen mit allen Mitteln aufzuzwingen.

Z "Große Teile der Weltliteratur beschäftigen sich mit unglücklicher Liebe, Sex, Gewalt, Tod und Untergang. Dies gehört einfach zum Fach. Die Auseinandersetzung mit anderen Vorstellungen als den eigenen, gerade wenn man sie nur liest, kann durchaus bildsam sein." ?
Im Koran wird gekillt, was das Zeug hält, was die Nichtmuslime betrifft. Oder Marx-Leninsche Thesen sind f mich Einleitung z Massenmord, wie Killing Fields o Islamischer Staat.

Ich erkenne keinen Unterschied mehr zw Bigotterie, Fanatismus & Aktivismus, betrachte ich als tiefst amoralisch, dumm u Intellekt feindlich. Mit der Betonung; ich will nicht missioniert, bekehrt o. klimaideologisch gerettet werden. Die einzige Rettung die ich akzeptiere, ist physischer Natur. Fortsetzung von Leben u Leben lassen.

Es wird versucht, Moralismus zum Gesetzt zu umfunktionieren. Das lasse ich mir persönlich nicht gefallen. Ich bin Anti-Hype

Naumanna | Mo., 20. März 2023 - 10:11

Danke, Ewald Kiel, für diesen erfrischenden Artikel. Diese von Ihnen so treffend beschriebenen "Moralapostel" schießen absolut übers Ziel hinaus oder total daneben. Wir bewegen uns, wenn wir ihnen denn folgen sollten, was hoffentlich nicht passiert, zurück in eine Welt der Voraufklärung und

Vorrennaissance - also zurück ins Dunkle. Unter dem Deckmantel einer abstrusen Moral werden Kultur und Kunst "dekonstruiert" und es wird versucht, einige Kunstwerke zu dämonisieren bzw sie ihres aufmüpfigen Inhaltes zu berauben. Erbärmliche Entwicklung - bzw. "Abwicklung" alles dessen, was Kulturgut der Menschheit ist.
Bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viele Menschen sich diese Denkverbote nicht gefallen lassen.
Bedenklich stimmt mich allerdings, dass Teile der Regierung und einige Verlage diesen kulturellen Schritt zurück in Voraufklärung mittragen. Was steckt dahinter?

Christa Wallau | Mo., 20. März 2023 - 10:21

tun es heute die Moralisten einer neuen Säkular-Religion, in deren Zentrum Minderheiten bzw. "Unterdrückte" jeglicher Art stehen, die als (angebl.) Opfer lautstark ihre Rechte einfordern u. Entschädigung für ihnen zugefügte Schmerzen/Mißachtung verlangen.

Gewaltige EMPÖRUNG reicht aus!

Beweise für eine tatsächliche Schuld der Mehrheitsgesellschaft bzw. ein Nachdenken darüber, was die Kläger selbst zu ihrer Lage beigetragen haben könnten, braucht es nicht.
So wird die Schar derer, die sich unterdrückt u. mißachtet fühlen, täglich größer, und der moralische Druck auf die unsensiblen "Täter" verstärkt sich. Die "Wokeness" feiert Triumphe u. befördert die Schaffung neuer Stellen für "Diskriminierungsopfer".

Wer sich da nicht als "Verletzter" meldet, ist selber schuld bzw. hat das Pech, ein Angehöriger der stinknormalen Mehrheit zu sein.
Dann bleiben ihm nur Sack und Asche oder - zumindest - stumme Zurückhaltung.
Wie soll man es sich sonst erklären, daß die Mehrheit nicht aufbegehrt?

... aber wie in den "echten" Kirchen spielen sich auch in diesen grün-modernen "Kirchen" hinter den Kulissen die gleichen "menschlichen" Szenen ab. Auch in diesen modischen Hierarchien der "moralischen Reinheit" ist keineswegs alles Gold, was uns aus den Medien entgegenglitzert.

Gerhard Hellriegel | Mo., 20. März 2023 - 10:25

Spricht mir aus der Seele. Mehr noch: ist das wirklich Moralität? Oder dient es nicht auch der Selbstdarstellung, ist also eigentlich eine Werbebotschaft? Oder sind das Signale von Gruppenzugehörigkeit, vergleichbar einer Jugendsprache? Oder ist das einfach ein kindliches Gut-Böse-Schema, mit dem die Welt erobert werden soll? Wo ist das Verständnis von Evolution und Geschichte? Ist das Wohlstandsdünkel, Moralkonsum? Hilfe, ich bin ein alter weißer Mann, ich verstehe es einfach nicht mehr.

Walter Bühler | Mo., 20. März 2023 - 12:49

Antwort auf von Gerhard Hellriegel

Ich erlebe hier in Berlin Aktivismus nur selten als subjektiv ehrliche Haltung. Wenn die Jungfunktionäre der "Zivilgesellschaft" hier im Regierungsviertel anreisen und ihr professionell gestaltetes Aktionsmaterial aus ihren alten Diesel-Fahrzeugen räumen, (die bei uns in den Nebenstraßen "unsichtbar" geparkt werden), damit vor den Reichstag marschieren, Ihr Werbe- Material aufbauen, sich des schulterklopfenden Zuspruchs Ihrer innerparlamentarischen Mäzene erfreuen und routiniert, wohlgestylt und wohlgeschminkt fertige Texte in die (von "rein zufällig" anwesenden Journalisten herbeigekarrten) Kameras reden - na ja, dann ist da nicht viel von "Moralität" im ursprünglichen Sinne zu sehen. Zu sehen ist viel mehr eine gekonnte Karriereplanung von Jung-Funktionären, die weit über den nahenden Untergang der Welt hinaus reicht.

Natürlich, es wird bestimmt auch ein paar ehrliche Aktivisten geben, die von der Moral im alten Sinne motiviert sind. Aber hier trifft man sie selten.

Gerhard Lenz | Mo., 20. März 2023 - 10:33

Ihre Kritik lässt sich auf jeglichen politischen Aktivismus anwenden.
Dass Klimakleber und Leute, die in Verdacht stehen, das Gendern nicht deutlich genug abzulehnen, beliebte Sündenböcke im konservativen Spektrum (und natürlich rechtsaussen) sind, ist hinlänglich bekannt.

Man könnte das ganze auch prima umdrehen und jene, die den Klimapolitik, den ÖRR oder eine humane Flüchtlingspolitik bekämpfen, als radikalisierte Eiferer verdammen.

Dass der Mensch das Klima verhunzt hat, dürfte mittlerweile wohl jeder kapiert haben, ein paar Außenseiter ausgenommen. Damit meine ich jene, die Realität als Anschlag auf eine verinnerlichte politische Ideologie, die als absolute Wahrheit empfunden wird, verstehen.

Dass die Aktionen von Klebern oder übertriebenes Gendern auch von Linken oder Menschen der politischen Mitte kritisch gesehen werden, bedeutet nicht, dass das dahinterliegende Motiv falsch ist. Sich nur an fragwürdigen Methoden aufzuhängen, ändert nichts an der eigentlichen Problematik.

Das Rezitieren unverstandener Inhalte verbunden mit künstlicher Aufregung ersetzt keine Argument, werter Herr Lenz.

Es geht in dem Artikel um Moralismus.
Um die Selbstermächtigung, über irgend etwas „empört“ zu sein und den Drang, anderen sein Weltbild aufzwingen zu müssen.

Und: so meine Meinung, um ein gewaltiges Stück Dummheit.

Wenn sich die von Ihnen hier Erwähnten mit ihrem Allerwertesten auf den Asphalt kleben, um Autofahrer zu behindern und gegen die „Zerstörung“ des Weltklimas zu protestieren, dann ist das in etwa so, als wenn ich auf der Wiese das Gras aus dem Boden reiße, um die Viehwirtschaft zu bekämpfen.
Der Autoverkehr kommt in d Statistik zur CO²-Belastung gar nicht vor. Er liegt mit anderen unter den letzten 10%, also unter „ferner liefen“.
Da gibt es den Bau, den Transport die Energieerzeugung (wer hat nochmal die Kohlekraftwerke wieder angeworfen??), etc.
Aber diese Asphalt – Trottel geben sich unbelehrbar und nötigen andere.
Das ist Dummheit par excellence.

Bei Corona waren Ihnen „Mehrheiten“ immer so wichtig.
Wieviel % befürworten nochmal das Gendern?

Sie haben es mir jetzt ja gründlich erklärt.

Der Autoverkehr ist also gar nicht wirklich umweltschädlich. Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, oder glauben Sie das tatsächlich? Nur ein kleines Stückchen Aufklärung:
"Ein Großteil der Umweltbelastungen von Autos wird bei der Nutzung verursacht: vor allem durch Treibhausgase wie CO2 und Schadstoffe wie Stickoxide und Feinstaub. Besonderen Anteil haben Autoabgase selbstverständlich bei der Umweltverpestung in Ballungsgebieten."

Es geht Ihnen doch um etwa ganz anderes: Sie wollen die Grünen als Verbotspartei darstellen, die den "umwelfreundlichen" Verbrenner nicht aus ökologischen, sondern aus ideologischen Gründen zurückdrängen wollen. Und natürlich unsere Industrie zerstören wollen. Der übliche, eiskalte Kaffee.

Dass die Aktionen der Kleber fragwürdig sind, habe ich übrigens auch schon kritisiert. Dass man trotzdem für Klimaschutz eintreten kann, ist für Sie offensichtlich zu komplex. So wie offensichtlich die ganze Gender-Problematik

Christoph Kuhlmann | Mo., 20. März 2023 - 10:48

Ersten dient sie zur Legitimation von Macht. Zweitens wirkt sie am besten, wenn man die Komplexität gnadenlos reduziert. Eine Frage aus dem sozialen Kontext, in dem sie eingebettet ist, isoliert, um nicht intendierte Handlungsfolgen bewusst auszublenden. Wer das unbewusst tut, ist dumm. Oder vielleicht auch schlau, denn er muss viel weniger wissen, als die, die seiner fokussierten Moralvorstellung widersprechen. Sagen wir es abstrakt, Moral reduziert die Menge reflektierter Informationen enorm. Sie leistet also einer aggressiven Schwarz-Weiß-Malerei Vorschub und versucht permanent Handlungsspielräume, ohne jede demokratische Legitimation einzuschränken. Deshalb ist das Wahlgeheimnis ja so wichtig, damit Menschen sanktionslos entsprechend ihrer Interessen und Überzeugungen entscheiden können. Da wundert sich dann manche Partei, dass die öffentliche Debatte nicht viel mit den Interessen der Wähler zu tun hat. Sicher ist: Die herrschende Moral ist immer die Moral der Herrschenden.

Urban Will | Mo., 20. März 2023 - 11:01

all diesen Irrsinn in die Welt setzte und mittlerweile an vielen Stellen durchgesetzt hat. Wie konnte das so kommen? Wo blieb der Widerstand?
Diese Frage muss doch gestellt werden und längst sollte es eine spürbare Gegenbewegung geben.
Wenn ein Dozent oder Professor geächtet wird, weil er nicht gendert und jedes sich als Zwergkaninchen oder Erdkröte, etc. fühlendes Wesen in seinem Hörsaal getrennt anspricht, sollte die Hochschulleitung dagegen halten! Wer nicht zuhören möchte, soll draußen bleiben und wenn er seinen Abschluss nicht schafft, gehen. Bei den Grünen und Sozen gibt es genügend Karrierewege für solche Gestalten.
Der Widerstand bleibt weg, weil die Empörungsmaschinerie bereits eine zu starke Lobby hat. Vor allem in den Medien. Nicht nur in D.
Man sollte sich nicht wundern, wenn Despoten wie Putin, etc. uns verspotten. Wer sehenden Auges jegliche Logik des gesunden Menschenverstandes, der Biologie, etc. über den Haufen wirft, verdient nichts anderes.
Narrenschiff.

Tomas Poth | Mo., 20. März 2023 - 11:35

Sie sind allenfalls die Relegionswächter eines sich anbahnenden Totalitarismus/Feudalismus, der durch politische Vorfeldorganisationen, NGO´s vorbereitet wird.
In ihrem Auftreten und Vorgehen ähneln sie den SA-Kampftruppen, nennen sich halt nur Aktivisten.
Bezahlt werden sie durch Steuergelder und/oder Spenden der Reichen.
Das heißt, sie dienen dem Kapital in seiner häßlichen Form, daß die Menschen nur benutzt, um noch mehr Kapital für die herrschende Klasse zu generieren.
Ihr Banner ist ihre einzig wahre, übersteigerte Moralvorstellung, die alles andere ausschließt und nicht zulassen will.
Sie sind damit aber nichts weiter als eine dumpfe Masse, die den Menschen als Individuum haßt und in eine blökende Herde des Uniformen pressen möchte.
Hier toben sich Machtbedürfnisse und Machtgelüste eines von Subventionen abhängigen Prekariats aus, Abgehängte vom eigentlichen Broterwerb über eine berufliche Qualifikation.
Gender-Gaga ist die maximale Verletzung der deutschen Sprache.

Markus Michaelis | Mo., 20. März 2023 - 11:56

Für mich ein wichtiger Punkt ist, dass die (radikalen) Dekonstruktivisten wie selbstverständlich davon ausgehen, dass ihre zentralen Begriffe/Werteskala und sowieso 99% der Gesellschaft (über die sie gar nicht nachdenken) bestehen bleiben. Mit diesem (eingeschränkten) Menschen- und Gesellschaftsbild, kann man beliebig feste auf das draufhauen, was man nicht mag. Von allem, was man braucht, geht man felsenfest davon aus, dass das gar nicht angreifbar sei oder man denkt erst gar nicht darüber nach.

Ich will gleich mal voll reinspringen: zentrale Werte bei uns sind Menschenwürde und Gerechtigkeit. Auch diese Werte sind aber sehr dekonstruierbar. Sowieso (wie alles) wie es genau definiert ist. Aber auch: Menschenwürde betont das Individuum, das finden andere Kulturen schlimm. Menschenwürde überhöht die Priester der Menschenwürde, denen sich auch Gott unterwerfen muss (und alle anderen Werte). Das gefällt nicht jedem. Gerechtigkeit ist biologisch und Auslöser vieler Kriege. Kein Platz ....

Osvaldo Pugliese | Mo., 20. März 2023 - 12:32

Keine Ambivalenz, keine Disparität, keine Disharmonie mehr ertragen zu können, ist eine Gefühls- und Geistesschwäche, an der Teile unserer Gesellschaft kranken. Es darf keine Dissonanz mehr zwischen unseren Wünschen nach einer perfekt ausgeglichenen, gerechten Welt und der Realität geben. Die Mehrheit wird zur Minderheit gemacht – auf die einfachste Weise, die man sich nur denken kann: Mit dem erhobenen Zeigefinger. Das ist nicht neu. Hier wird wieder einmal der „Neue Mensch“ verkündet. Was bekanntermaßen zu Unfreiheit, Sektierertum und letztlich zu unzähligen Opfern führt – im Namen des Guten Zieles. Dass die Mittel den Zweck heiligen müssen, nicht umgekehrt, ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Mit rigorosem Moralismus wird entfernt, was nicht genehm ist. Das wissen alle quasireligiösen Agitatoren und Dogmatiker. Oft fehlt der Jugend für dieses Wissen die Erfahrung, dem Alter das Wissen selbst darum.