
- Die unsinnige Politisierung der Identität
Der Versuch, Gruppenzugehörigkeit über kulturelle, sexuelle oder ethnische Merkmale zu definieren, funktioniert in unseren komplexen und ausdifferenzierten Gesellschaften nicht mehr. Das hindert das moralistische Milieu aber nicht daran, über Menschen zu sprechen, die es nicht kennt.
In der Silvesternacht greifen Männer mit Migrationshintergrund Polizisten und Feuerwehrkräfte an. Die Krawalle lösen in der Politik und in den Medien hitzige Debatten über Integration und eine von Konservativen deklarierte Korrelation von muslimischem Glauben und Gewaltbereitschaft aus. Gleichzeitig warnen uns Demografen vor den wirtschaftlichen und letztendlich sozialen Folgen für die gesamte Gesellschaft, wenn der Zuzug ausländischer Fachkräfte aus dem Ausland nicht massiv ausgebaut und beschleunigt wird.
Dennoch sprechen sich Teile der Gesellschaft vehement gegen weitere Migrationsbewegungen nach Deutschland aus. Die Art und Weise, wie diese Debatten medial, politisch und von Bürgern auch auf Social-Media-Kanälen geführt und moralisiert werden, können getrost als „Stellvertreterstreitereien“ bezeichnet werden. Es geht um viel mehr als nur die „Migrationsfrage“. Es geht darum, wie wehrhaft unsere Demokratie ist, wie gut also die Interessen der Bürger von Politik und Medien vertreten werden. Es geht auch darum, dass die moralische Polarisierung der Lager und die Politisierung der Identität den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie gefährden.