
- Auferstanden aus Reform-Ruinen
Die Regierungsparteien wollen den Bundestag verkleinern, indem Überhang- und Ausgleichsmandate wegfallen. Einfacher wird das Wahlrecht durch das „Gesprächsangebot“ der Ampelkoalition nicht. Gerechter auch nicht unbedingt. Aber hinter die Eckpunkte ihres Vorschlags sollte kein Gegenentwurf zurückfallen.
Wunder gibt es immer wieder. Nur Träumer haben noch daran geglaubt, dass aus der Mitte des Bundestags jemals ein Wahlrechtsvorschlag kommen könnte, der die Zahl der Mandate auf das gesetzliche Minimum beschränkt und zugleich ohne eine Vergrößerung der Wahlkreise auskommt. Immerhin dürfte es das vorzeitige politische Karriere-Ende eines Großteils der gerade ins Parlament eingezogenen Inhaber von 137 Überhang- und Ausgleichsmandaten bedeuten. Auch die Urheber des jüngsten Reformvorschlags, die Obleute der Ampelkoalition in der Wahlrechtskommission, sind über ihren Schatten gesprungen. Denn vor zwei Jahren noch hatten Grüne und FDP ein ganz anderes Konzept als Stein der Weisen verkauft. Es fußte vor allem auf einer drastischen Reduzierung der Wahlkreise.
Deutscher Perfektionismus hat die verbundene Verhältnis- und Personenwahl scheinbar unlösbar verknotet. Das Parlament soll die politischen Strömungen in der Bevölkerung möglichst proportional abbilden, zugleich aber auch Bürgernähe durch Direktwahl garantieren. Die wundersame Vermehrung der Mandate kam dadurch zustande, dass Union und SPD die meisten Erststimmen auf sich vereinigten, bei den Zweitstimmen aber immer schlechter abschnitten, was ihnen Überhangmandate und den anderen Ausgleichsmandate bescherte. Diesem Problem wollen Sebastian Hartmann (SPD), Till Steffen (Grüne) und Konstantin Kuhle (FDP) damit zu Leibe rücken, dass sie nur noch so viele Wahlkreisabgeordnete zum Zuge kommen lassen, wie den einzelnen Parteien nach dem Zweitstimmenanteil zustehen.