Wahlplakate im bayerischen Fürstenfeldbruck im Oktober 2021 / dpa

Debatte um Wahlrechtsreform - Die Ampel will die CSU schrumpfen – um jeden Preis

Die von der Ampel-Koalition vorgesehene Wahlrechtsreform würde den Bundestag deutlich verkleinern – allerdings klar auf Kosten der CSU. Es droht ein Wahlrecht, das die Wähler noch weniger verstehen werden als das geltende Recht. Transparenz sieht anders aus.

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Die Ampel-Koalition will das Wahlrecht deutlich verändern. Der XXL-Bundestag mit zurzeit 736 Abgeordneten soll auf die im Wahlgesetz vorgesehene reguläre Größe von 598 MdBs verkleinert werden. Das will die Koalition mit einer Entwertung des Direktmandats erreichen. Zugleich sorgen die Wahlrechtsexperten von SPD, Grünen und FDP dafür, dass die CSU nach den neuen Regeln deutlich weniger Abgeordnete unter der Reichstagskuppel haben wird als bisher. Aus Ampel-Sicht ein höchst willkommener „Kollateralnutzen“.

Nach dem geltenden Wahlrecht müssen alle Überhangmandate (bis auf drei) durch die Zuteilung von sogenannten Ausgleichsmandaten egalisiert werden. Die CSU beispielsweise kam 2021 auf 11 Überhangmandate, weil ihr nach ihrem Zweitstimmenanteil von 31,7 Prozent nur 34 Mandate zugestanden hätten. Da sie aber 45 von 46 bayerischen Wahlkreisen direkt gewonnen hat, zogen diese Abgeordneten in den Bundestag ein.

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Markus Michaelis | Mi., 18. Januar 2023 - 12:50

Die Argumente sind nicht falsch, aber ich würde andere stärker gewichten. Ein Wahlrecht ist immer voller Widersprüche, daran kann niemand etwas ändern. In D wollen wir eher ein Verhältniswahlrecht und dann ist die Dominanz der Prozente für eine Partei das richtige Maß. Ein immer größerer Bundestag ist keine Option. Damit landet man bei irgendwas wie diesem Vorschlag. Eine Mehrheit wählt glaube ich auch eher eine Partei als einen Direktkandidaten.

Was unschön ist: die Parteien (Parteispitzen) haben ohnehin zuviel macht, weil vom BVerfG bis zu tausend anderen Posten letztlich viel nach Parteivorgaben besetzt wird.

Es wäre gut sich begleitend ein paar Maßnahmen auszudenken, den Durchgriff von Partei und Parteispitzen etwas einzudämmen und ein wenig mehr (auch nicht übertrieben) einzelne Abgeordnete zu stärken (bei der Wahl und später bei der Arbeit).

Walter Bühler | Mi., 18. Januar 2023 - 18:08

Antwort auf von Markus Michaelis

Gegenwärtig versorgen die Parteifunktionäre sich selbst mit Listenplätzen, und zwar organisiert von Netzwerken. So kommen gerade bei den staatstragenden Parteien Menschen ins Parlament, die in Wahrheit ausschließlich für ihr Netzwerk und für die eigene berufliche Karriere arbeiten und keinerlei Qualifikation für ein öffentliches Amt besitzen.

Wie kann man erreichen, dass die Kandidaten auf den Listen wenigstens ein paar Minimalforderungen erfüllen? Wie sehen diese Minimalanforderungen aus?

Solange mediokre Parteifunktionäre und Netzwerke die Kandidatenlisten für alle die verschiedenen Parlamente ungestört unter sich aus kungeln dürfen, wird der Abstand des Volkes zu dieser Form der parlamentarischen "Demokratie" weiter wachsen.

Wenn das Volk das Gesamtbudget der Parlamente für die Diäten festlegen dürfte, dann würde auch für Parlamentarier ein Anreiz geschaffen, die Anzahl der Sitze auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren (um die 400 Abgeordnete).

Sonst bleibt es wie es ist

Heinrich Dompfaff | Mi., 18. Januar 2023 - 13:03

Sehr geehrter Herr Müller – Vogg, das derzeitige Wahlsystem ist auch kaum zu verstehen und die Tendenz ein immer größeres Parlament zu haben ist nicht nur deswegen falsch, weil es immer mehr wie ein Parlament weniger demokratischer Natur anmutet. Das Problem der CSU ist doch, dass sie nur in Bayern antritt. Ich bin dafür, dass CDU und CSU bundesweit gewählt werden können. Dann kann die CDU auf dem Merkel Weg der sozial-Demokratisierung weiter schreiten und die CSU könnte eine Heimat für konservative Menschen werden. Nur, weil die CS U eine Regionalpartei bleiben möchte, kann es mit der Entwicklung des Parlamentes nicht so weitergehen, wie bisher.

Tomas Poth | Mi., 18. Januar 2023 - 13:09

Oder Fracksausen in der CDU!
Die AfD unterstützt den Wahlrechtsentwurf der Ampel , sie hatte ihn in dieser Form schon selbst einmal im Bundestag eingebracht.
Ein neues Wahlrecht mit Stimmen der AfD, das muß doch sofort annulliert werden! ;-))
Freuen Sie sich doch Hr. M-V, von dann an kann die CDU unbeschwert mit der AfD zusammen arbeiten. Die Ampel macht es doch auch.
Das nenne ich gelebte Demokratie!

Brigitte Simon | Mi., 18. Januar 2023 - 15:32

Antwort auf von Tomas Poth

Die gelebte Demokratie wird bald futsch sein. Denn ginge es nach dem ehemaligen Innenminister Pistorius ließe er die AfD vom Bundesver-
fassungsgericht verbieten.

Das wird mit aktueller Gesetzeslage nicht gehen.
Aber ich traue der rotgrünen Mischpoke durchaus ein Ermächtigungsgesetz á la Adolf H. aus Braunau zu. Das Risiko besteht leider.

Frieda Frey | Mi., 18. Januar 2023 - 13:09

Dass der Bundestag verkleinert werden soll, ist doch schon ein altes Thema, welches CDU/CSU ja in ihren Regierungsjahren schleifen liessen. Jetzt klempnert die Ampel dran.
Allen Parteien gemein ist, dass man hier wohl eine Möglichkeit sieht sich einen Vorteil zu schaffen. Um den Wähler und seine berechtigten Interessen geht es nicht.
Deshalb sollte man den Bock nicht zum Gärtner machen und eine andere staatliche Institution mit der Wahlrecht-Reform beauftragen.

Enka Hein | Mi., 18. Januar 2023 - 13:16

....in erster und zweiter Linie.
Die Ampel setzt nur zum Todesstoß an.
Merz hielt ich für einen Lichtblick.
Chance vertan.
Der Vorschlag wie er jetzt diskutiert wird, so konnte man auf TE lesen, war in ähnlicher Form von der AFD gekommen.
Egal, wie dem auch sei. Also profitiert anscheinend auch die AFD davon. Und nicht nur Rot Grün. Gut so.
Dann muss die CDU in Zukunft halt die Hose runterlassen. Entweder Chef spielen, auch mit den blauen "Schmuddelkindern". Oder den Hampelmann unter den Grünen.
Die Ampel plus CDUCSU könnte getrost die SED werden.
Es wäre kein Unterschied zu heute.
Das Gejammer über die Schrumpfung der CDU kommt 10 Jahre zu spät. Und ist ein bisschen aufgesetzt.
Warum hat die CDU es denn nicht zu ihrer Zeit anders gemacht. Vermutlich hätte man die Stimmen der Blauen haben müssen. Tja. Perdu.
Und wenn die Blauen davon profitieren nennt man das Demokratie. Oder?

Armin Latell | Mi., 18. Januar 2023 - 13:17

nach der Wahl kommt der Kandidat mit den meisten Stimmen im Wahlkreis in den Bt, das wären dann 299 Abgeordnete. Das würde m.E. ausreichen. Da jetzt noch eine Stimme (unnötigerweise) für eine Partei zu vergeben ist, sollte die Partei mit den meisten Stimmen 1 Kandidaten ihrer Wahl (meinetwegen von einer Liste) ins Parlament schicken, selbst wenn er der gleichen Partei angehört wie der 1.Sieger = 598 Abgeordnete. Wahrscheinlich zu einfach und geht gar nicht weil.... Dass ein Sieger der Verlierer sein soll, darauf kann man nur im buntesten aller Länder kommen. Mir ist jedenfalls kein anderes bekannt. Wie überall schießt sich diese Politik wieder selbst ins Knie.

Werner Peters | Mi., 18. Januar 2023 - 13:28

Die Reform der Ampel ist absolut zwingend. Und sie benachteiligt keine Partei. Jede bekommt so viele Abgeordnete, wie es ihrem Zweitstimmenergebnis entspricht. Nicht mehr nicht weniger. Und es gibt jetzt bereits Wahlkreise ohne direkt gewählten Abgeordneten.

Walter Bühler | Do., 19. Januar 2023 - 11:09

Antwort auf von Werner Peters

Die Reform der Ampel ist NICHT absolut zwingend!

Herr Peters, noch leben wir nicht in einer Diktatur, wo alle alles fressen müssen, was die regierenden Parteien vorsetzen.

Natürlich, leider kann es so weit kommen. Es gibt viel zu viele Beispiele, wo Demokratien Selbstmord begangen haben.

Wollen Sie solche Zustände?

Heidemarie Heim | Mi., 18. Januar 2023 - 13:40

Der etwas abgewandelte Titel einer Science-Fiction-Filmkomödie von 1989;) schien mir zu dem von der Ampel angestoßenen Prozess gerade passend. Denn das wird wohl ein Abenteuer wie das, welches die von ihrem Erfinder-Papa geschrumpften Kinder zu bestehen hatten;). Weshalb hat man die frühere, warum auch immer eingestellte Idee bzw. den Versuch Schäubles in Zusammenarbeit mit dem Mathematiker Goderbauer und dessen Modell der Schrumpfung/Neuabbildung von Wahlkreisen völlig außer acht gelassen?
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wahlrechtsreform-so-saehe-de…
Erscheint mir irgendwie gerechter und auch akzeptabler bei etwaigen Rechtsklagen vor Gericht. Denn wie von Herr Goderbauer erforscht kennen die wenigsten Wähler ihren Wahlkreisabgeordneten oder sind ihm/ihr so nah, dass man ihn/sie "bewusst" so zum Karrieresprung in die Bundespolitik verhilft. Gute Leute/Politiker behält man im Zweifelsfall lieber in seiner Nähe? MfG

Liebe Frau Heim, vielen Dank für diesen wirklich sehr wichtigen Hinweis. Habe mir das mal durchgelesen, scheint auf den ersten und zweiten Blick die perfekte Lösung zur angemessenen Verkleinerung des Parlamentes zu sein. Könnte aber auch sein, dass dieses Modell von Herrn Godebauer einfach zu wissenschaftlich ist. Heute braucht´s immer etwas mit Ideologie, K(r)ampf gegen "Rächts", eine Prise Gendern und zum abschmecken etwas grüne Farbe......Letztendlich muss der Bundestag auf jeden Fall schrumpfen, mehr Qualität statt Quantität, das wäre wünschenswert.

Gern geschehen liebe Frau Lehmann! Hatte schon Bedenken wegen dem Link. Aber wenn man wie ich zu wenig Wissen habe zu einem Thema, mein "Bauchgefühl" ebenfalls eine Nulllinie anzeigt;) oder Logik gefragt, bin ich wahrscheinlich bei einem Mathematiker und seinem Programm eher an der richtigen Adresse. Obwohl gerade Mathe, Physik und Chemie meine Horrorfächer waren;( Selbst heute gerate ich bei der Zahleneingabe meiner Kreditkarten oder bei der spontanen Frage nach meiner Tel.-Nr. ins schwitzen und stottern. Aber ich gebe Ihnen recht, warum einfach wenn es auch kompliziert geht bei uns Deutschen? Und natürlich hat keiner Bock drauf seinen warmen Platz unter Berlins Sonne zu räumen bzw. seine Ambitionen aus der Provinz heraus einen solchen zu ergattern aufzugeben.
Wenn ich mir so die BT-Zusammensetzung anschaue, kann ich eh nicht mithalten. Hab nix studiert o. ein Studium erfolgreich abgebrochen, kein Beamtenstatus mit Pausentaste, usw. und bin in keinem/r Verein/Partei. Dumm gelaufen;)LG

Ernst-Günther Konrad | Mi., 18. Januar 2023 - 13:41

Nun gut, es braucht nicht die Stimmen der AFD, die Stimmen der Ampel, wenn alle dafür stimmen, reichen schon aus. Dennoch wurde dieser Vorschlag eindeutig von der AFD geklaut und nur mit zwei Begriffen und etwas anders formuliert ergänzt und redaktionell verändert. Wir werden sehen. Die werden es durchdrücken und ich jedenfalls sehe kein grundsätzliches Problem darin. Wenn erstmal 598 Abgeordnete wieder festgeschrieben sind, kann ja auch der Neubau des Bundestages abgeblasen werden. Das würde eine Menge Geld sparen. Die Drohung das neue Wahlgesetz vom BVerfG prüfen zu lassen ist Theaterdonner, sonst nichts. Im Grundgesetz steht in Art 38: " Die Wahl muss allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein, aber: „Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz“. Die Klage dürfte deshalb gar nicht angenommen werden, die die UNION anstrebt. Tja Herr Merz, Ihre Partei hatte Jahrzehnte Zeit diesen BT wieder auf normales Maß zu stutzen. Das es jetzt passiert, zu Eurem Nachteil, ist richtig.

Unterstützt die AfD - aus welchen Gründen auch immer - mal eine politische Initiative einer demokratischen Partei, wird daraus sofort ein AfD-Antrag.

Dabei gab es schon Stimmen, die eine Verkleinerung des Bundestags forderten, als Gauland noch ein braver CDU-Parteisoldat war.

Aber so erklärt sich wohl die "gute" Parlamentsarbeit der AfD. Ironie Ende.

"… mal eine politische Initiative einer demokratischen Partei, wird daraus sofort ein AfD-Antrag..."

Nee, der Antrag KAM schon früher von der AfD, da die aber ja anscheinend generell nichts richtig machen, ist der jetzt nochmal von der CDU abgekupfert und wieder eingebracht worden.

"… Dabei gab es schon Stimmen, die eine Verkleinerung des Bundestags forderten, als Gauland noch ein braver CDU-Parteisoldat war..."

Ja richtig, der Schäuble und der Lammert wollten das schon seit 20 Jahren machen, die haben groß rumgetönt und sich dann wieder hingelegt. Nix mit MACHEN.
Die AfD hat das wieder aufgegriffen, wer denn wohl sonst.

Hand auf's Herz: Möchten Sie sich etwa neben einem Hoecke erleichtern?

Der pfeifft garantiert beim P...seln noch die Nationalhymne und fragt sich, wo die guten deutschen Toiletten geblieben sind. Die noch nicht mit irgendwelchen anglizistischen Graffiti beschmiert waren.

Friedrich Papenburg | Mi., 18. Januar 2023 - 13:45

Es ist nachvollziehbar, dass die CSU befürchtet, zukünftig in Folge dieser Regelungen weniger Abgeordnete im Bundestag zu haben. Allerdings würden dadurch m. W. auch die Ausgleichsmandate wegfallen. Relativ hätte die CSU dann nicht weniger Einfluss im Bundestag als zuvor. Die Änderung wäre unter diesem Gesichtspunkt m. E. hinnehmbar. Problematisch finde ich hingegen die damit einhergehende Geringschätzung des Direktmandats. Zumindest teilweise kommt es bei Direktkandidaten auch auf deren Persönlichkeit, berufliche Vita und Erfahrung an (kurz: ob sie etwas darstellen). Nun sollen die Landslisten weiter aufgewertet werden – und damit auch zu Gunsten von Abgeordneten ohne Berufsausbildung, Studienabbrechern und sonstigen Zivilversagen. Nix wird besser in diesem Land.

Gerhard Lenz | Mi., 18. Januar 2023 - 13:50

Wer da die gerechte Lösung findet, der schafft auch die Quadratur des Kreises.

Fakt ist: Überhangmandate verzerren das Wahlergebnis. Soll das Parlament den Willen des Wählers abbilden, dann muss es sich eigentlich strikt an das Ergebnis der Verhältniswahl halten.

Man kann einwenden, das Mehrheitsrecht stehe für Bürgernähe. Denn die Bürger wählen ja einen Kandidaten.. Den sie persönlich kennen. Oder auch nicht.

Ich wette, bei Wahlen kennen die meisten Wähler ihren Wahlkreiskandidaten ausschliesslich von Plakaten, Ständen und diversem Werbematerial. Die vielgerühmten Sprechstunden haben bekanntlich wenig Zulauf.

Ein reines Mehrheitswahlrecht gibt es in GB. Dort hat dann eine Partei mit gerade mal 40% die absolute Mehrheit, und die Partei mit 20% nicht mal zehn Abgeordnete. Gerecht ist das schon gar nicht.

Da bietet das Verhältniswahlrecht weniger Nachteile. Und auf örtlicher Ebene gibt es eh kommunale Vertreter und den Ortsverband der Partei.

... aber vielleicht lesen Sie mal nach, was Richard von Weizsäcker bereits 1992, also vor 30 Jahren, vom Parteienstaat gesagt hat, und in welcher Weise die politische Praxis der Parteien die Demokratie bedroht (noch völlig ohne die AfD!).

Demokratie bedeutet nicht Herrschaft der Parteifunktionäre und ihrer Pressesprecher.

Wolfgang Tröbner | Mi., 18. Januar 2023 - 14:03

Aus meiner Sicht soll die Wahlrechtsreform auch, aber nicht nur, genutzt werden, um wesentliche Elemente der Demokratie, nämlich die Direktwahl, zu beseitigen. Wenn nämlich die Erststimme zunehmend an Gewicht verliert (so dass unter Umständen jemand, der die meisten Erststimmen bekommt, nicht ins Parlament kommt), wird automatisch die Zweitstimme höher gewertet. Es würden also mit großer Wahrscheinlichkeit genau die Leute ins Parlament kommen, die der Wähler eventuell nie wählen würde bzw. überhaupt nicht kennt. Mit Demokratie hätte dann eine solche Wahl kaum noch etwas zu tun. Schlimm genug, dass sich eine FDP für so eine Scheinwahl hergibt. Aus meiner Sicht ist so etwas kategorisch abzulehnen. Es gäbe -zig andere Möglichkeiten, den aufgeblähten Bundestag abzuspecken.

Wenn der Direktkandidat aufgrund seiner Persönlichkeit und Qualifikation tatsächlich überzeugender ist als seine Konkurrenten, dann wird er den Wahlkreis so hoch gewinnen, dass daraus auch bei Streichung schwach gewonnener Wahlkreise ein Mandat wird. Wo ist also die Schwächung des Direktmandats? Kann ich nicht erkennen. Von den brühmten Besenstilen, die die CSU aufstellen kann, braucht‘s nicht so viele in Berlin, auch wenn die direkt gewählt sind.

Wolfgang Tröbner | Do., 19. Januar 2023 - 11:26

Antwort auf von Axel Gerold

Und was ist, wenn ein Kandidat zwar besser ist als seine Konkurrenten und den Wahlkreis auch gewinnt, aber nicht so hoch? Müssen wir uns dann mit Personen im Parlament begnügen, die über keine oder nur geringe Qualifikationen verfügen? Warum soll ein Kandidat, der die Mehrheit eines Wahlkreises gewinnt, nicht automatisch ins Parlament einziehen, und zwar unabhängig von seiner Partei und deren Ergebnis? Warum sollte ein vergleichsweise anonymer Kandidat, der über einen Listenplatz ins Parlament kommt, einem direkt gewählten Kandidaten vorzuziehen sein? Die Antwort ist aus meiner Sicht ganz einfach: Die Zweitstimme schadet der Demokratie, weil nur Personen auf die Liste kommen, die ein gutes Standing in der Partei haben, nicht aber, weil die über die Liste gewählten Kandidaten das Wahlvolk repräsentieren. Listenkandidaten sind kein Ansprechpartner für den Wähler, der direkt gewählte Kandidat schon.

Hans Schäfer | Fr., 20. Januar 2023 - 10:11

Antwort auf von Wolfgang Tröbner

Die Abgeordneten des BT werden lt GG gewähl und nicht listenplatzmäßig von der PARTEI, ohne das der Wähler Einfluss darauf hat, "Bestimmt"

Alle Macht geht vom Volk aus, ist eine leere Worthülse.
Im Klartext: Zwei Drittel, der Möchtegern-Politiker, die z.Z. im BT sitzen sind "nicht gewählt", sondern wurden von der jeweiligen Partei, der sie angehören "bestimmt". Damit auf einen Listenplatz angewiesen, der einen Einzug in den BT, ohne vom Souverän gewählt zu sein, Gewähr leistet.
Frage an alle, auch an Hr Waffel-Frühling -die Antwort dürfte auch für ihn nicht zu schwer sein- wer übt in den Fall die Macht aus?

Ihrem Gewissen unterworfen sind nur die "GEWÄHLTEN", oder zählt Art 38 (1) GG, in dem bestimmt wird:
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner,
unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl "GEWÄHLT".
"SIE" sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und
Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Dieter Minke | Mi., 18. Januar 2023 - 14:08

Das Wahlergebnis kommt aus der Wahlurne oder? Siehe Art. 38 GG: (1) „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Daran hat niemand mehr hinterher herum zu fummeln, egal mit welcher erfundenen Begründung, Ausgleichmandate, Überhangmandate, usw. Da nun Ausgleichmandate, Überhangmandate wegfallen sollen, erübrigt sich auch die Zweitstimme auf dem Wahlzettel, denn die gehört da nicht hin. Allein schon die Idee, man könne einen persönlich und direkt gewählten Abgeordneten irgendwie nach Parteiproporz ausgleichen offenbart das von der Parteiendominanz völlig verkorkste Demokratieverständnis in Deutschland!
Ich hätte einen weiteren Vorschlag für die Wahlrechtsreform: 100% Wahlbeteiligung entsprechen 100% der zu vergebenden Mandate. Die „Partei der Nichtwähler“ wird also anhand ständig leerer Sessel

André | Mi., 18. Januar 2023 - 15:48

Man könnte einfach die Wahlkreise vergrößern. Somit würde in Konsequenz die Anzahl der gewählten Direktkandidaten und mittelbar die Zahl der einziehenden Listenkandidaten vermindert.

Bernhard Marquardt | Mi., 18. Januar 2023 - 17:56

Den Parteien mit deren Listenaufstellung ausschließlich die Auswahl der Kandidaten zu überlassen, würde den ohnehin in unserer parlamentarischen Demokratie übergriffigen Parteien noch mehr in die Hände spielen.
Zwar ist der Fraktionszwang offiziell verboten, findet aber dennoch hemmungslos statt.
Das nennt sich dann Probeabstimmung mit anschließender Inquisition sog. „Abweichler“. Immer verbunden mit der Drohung, bei nächster Gelegenheit, wenn überhaupt, dann auf keinen Fall einen aussichtsreichen Listenplatz zu bekommen.
Solche, einer Demokratie unwürdigen Methoden sind nicht in Einklang zu bringen mit der Vorstellung von einem/einer gewählten Abgeordneten, der/die ausschließlich dem eigenen Gewissen verantwortlich ist.
Einem/einer im Wahlkreis (und diesem persönlich verbunden und verantwortlichen) direkt Gewählten den Eintritt ins Parlament zu verwehren, ist geradezu absurd.

ist geradezu absurd. >>

Es ist nicht nur absurd, es ist ein Verstoss gegen Art. 38 (1) GG.
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die nicht unmittelbar vom Souverän gewählten
Listenpolitiker, die von der Partei listenplatzabhängig sind, sind das Problem,
Dem muss in einer Wahlrechtsreform, der Verfassung gemäß, Rechnung getragen werden. Eine Wahlrechtsreform den überforderten Politiker zu überlassen. Was soll dabei rauskommen. Sie sind doch nicht mal in der Lage einfachste Dinge zu lösen.

Henning Wagner | Mi., 18. Januar 2023 - 19:18

Die Kritik halte ich für sehr überzogen. Die CSU kämpft so offensichtlich nur für ihre Interesen, da ist ein Dämpfer angebracht. Man könnte es so machen, dass bei der Verteilung der Mandate zuerst Wahlkreissieger mit absoluter Mehrheit kommen, also echte Vertreter der Wahlkreise, und dann erst die Landesliste.