
- „Euch bleiben nur wenige Stunden“
Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Berlin, behauptet über Bundesfinanzminister Christian Lindner, dieser habe ihm unmittelbar nach der russischen Invasion geraten, die Niederlage der Ukraine zu akzeptieren. Lindner selbst will nun im Nachhinein diesem Eindruck entgegentreten, doch seine Argumente sind wenig stichhaltig. Die ganze Geschichte steht in einer unglückseligen Appeasement-Tradition, gespeist von deutscher Befindlichkeit.
Es gibt Situationen, da genügen wenige Zeilen, um das Ansehen eines Politikers, den man bis dahin mit einem gewissen Wohlwollen beobachtet hatte, mindestens aber mit Interesse, in Gefahr zu bringen, sogar zu ruinieren. Livia Gerster, 31 Jahre alt, Politikredakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, hat solche Zeilen vor einer Woche geschrieben und am Samstag veröffentlicht in einem Porträt des Botschafters der Ukraine.
Andrij Melnyk, so ihr Text, sei vielen deutschen Politikern regelrecht verhasst. Denn er sage ihnen „die Wahrheit ungeschminkt ins Gesicht“. Und dann zitiert sie Herrn Melnyk mit der Schilderung eines Gesprächs mit Christian Lindner, das sich zugetragen habe kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor fünf Wochen.