Zelte im Korridor einer U-Bahn-Station
Charkiw im Mai: Tausende Menschen leben aus Angst vor russischen Raketen weiterhin auf den Bahnsteigen der U-Bahn / Moritz Gathmann

Ukraine-Reportage - Asche in der Seele

Nach drei Monaten Krieg machen sich viele Ukrainer auf den Weg in die Heimat. Aber was erwartet sie dort? Während in Kiew schon Theaterstücke über den Krieg aufgeführt werden, wird im Osten des Landes noch täglich gestorben. Die verheerenden Bilder der Zerstörung gehen allerdings zum Großteil nicht auf das Konto der russischen Streitkräfte.

Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Maryna Vasylenko ist auf dem Weg nach Hause. Die 30-Jährige, schwarze Leggins und schwarzes Top, fummelt sich ihr Armband aus dem Berliner Club Berghain vom Handgelenk. Sie sieht müde aus. Das Wochenende hat sie mit Tanzen verbracht, jetzt sitzt sie im Zug Berlin-Warschau, nach knapp zwei Monaten in Deutschland. Sie will zurück nach Kiew und herausfinden, ob es sich dort wieder leben lässt. „Für mich stand immer außer Frage, dass ich irgendwann zurückkommen werde. Der Krieg hat mich zur Patriotin gemacht“, sagt sie. Das Bild von Vasylenko bei einer Demo in Berlin Anfang April wurde zum Hit unter Ukrainern: „We will rave on Putin’s grave“, wir werden tanzen auf Putins Grab, steht da in tiefroten Buchstaben auf dem Plakat, das sie in die Luft hält, im selben beigen Trenchcoat, der jetzt im Gepäckfach im Intercity nach Warschau liegt.

Wenn alles nach Plan läuft, will sie demnächst mit dem Auto zurück nach Berlin, eine Wohnung mieten und einen Aufenthaltsstatus bekommen. Sie hat einen Termin in der Ausländerbehörde für Ende Mai. Maryna ist nicht als Bittstellerin nach Deutschland gekommen, sondern weil ihr Leben bedroht war. Von Berlin aus hat sie weiter für die Kiewer PR-Agentur Banda gearbeitet, seit März entwickeln sie und ihre Mitstreiter Ideen für die Kampagne „Be Brave Like ­Ukraine“ – Sei so mutig wie die Ukraine. 

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Herr Roth, warum möchten Sie nach Kiew fahren? Warum nicht nach Donbass?
Ich schrieb bereits in einem Beitrag hier, dass in Donbass die Bomben seit 2014 fallen und die Menschen seit acht Jahren dort im Keller leben. Was hat die ukrainische Regierung dagegen gemacht? Was hat der Westen und die Amerika dagegen gemacht? Gab es Sanktionen? Nein, ich bin nicht für diesen Krieg. Nein, ich möchte nicht, dass die Menschen weiter leiden. Egal wo. Ich hatte vor kurzem eine Begegnung mit einer Frau aus der Ukraine. Wir verstanden uns gut. Die Unterhaltung war harmonisch. Im Gespräch sagte sie, dass sie nicht für möglich gehalten hat, dass Mitten in Europa ein Krieg herrschen würde. Syrien, Afghanistan, sagte sie, ist so weit weg... Da wurde mir bewusst, dass die Angriffe auf Donbass, die ab 2014 regulär satt fanden, keinen interessieren. Viele Ukrainer, aber auch der Westen, nahmen diese gar nicht war. Ein Bürgerkrieg ist eben kein Krieg. Doppelmoral..? Ich bin unendlich traurig....

Jens Böhme | Do., 2. Juni 2022 - 07:32

Dieser Einlass zeigt, dass einige Zeitgenossen immer noch nicht Krieg verstanden haben. Wären die Russen nicht in die Ukraine einmarschiert, wären Krieg und Zerstörung, wie seit 24. Februar, nicht passiert. Dass im Verteidigungsfall Gebäude und Infrastruktur durch Verteidiger zerstört werden, als Hinweis zu deuten, Ukrainer zerstörten ihr eigenes Land im Krieg ist albernste Schreibtischprosa.

seit dem Beginn des Krieges bei allen Berichten aus der Ukraine für das angegriffene Land ein, auch wenn er am Schreibtisch arbeitet. Weil der die nötigen Sprachkenntnisse hat, kann er mit den dort lebenden Menschen sprechen. Er verschafft sich selbst einen eigenen Eindruck. Darum schätze ich seine Berichte sehr, weil ich es gut finde, dass er sein Engagement mit dem journalistischen Berufsethos verbindet und einfach das berichtet, was er erlebt. Er ist auf diese Weise nicht zum reinen Propagandisten einer Kriegspartei geworden.

Schreibtischprosa sieht genau anders aus. Von Leuten, die von sich überzeutg sind, ALLES RICHTIG verstanden zu haben, ohne selbst dort gewesen zu sein, haben wir mehr als genug. Sie brauchen solche Berichte aus der Wirklichkeit nicht.

gabriele bondzio | Do., 2. Juni 2022 - 11:17

gehen allerdings zum Großteil nicht auf das Konto der russischen Streitkräfte."

Ich setze bewußt das Zitat an den Anfang des Kommentar. Bin mir bewußt, dass es ein sehr idealistisches Zitat ist, wenn frau den Zustand der heutigen Welt betrachtet. Trotzdem ist es nichts...als die reine Wahrheit. Wähle auch den Zitatgeber bewußt aus.

"Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, denen, die frieren und keine Kleidung haben. Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder."
(Dwight D. Eisenhower)

Ich hätte auch "Asche in der Seele" wenn alles, was mein Leben schön gemacht hat, in Schutt und Asche liegt. Teile meiner Familie, Nachbarn, nicht mehr da sind. Das mit viel Liebe, Tatkraft und Geld aufgebaute Leben zerstört wurde.