
- Rhetorik aus der Blase
Falls die Forderung des ukrainischen Präsidenten nach Präventivschlägen gegen Russland missverstanden worden ist, dann war sie eben missverständlich formuliert. Doch gerade, wenn es um Krieg und Frieden geht, sind Worte mit Bedacht zu wählen. Die Antwort auf Maßlosigkeit und Wahn kann nur Augenmaß und Rationalität sein.
Worte sind mit Bedacht zu wägen. Das gehört zum kleinen Einmaleins der Diplomatie. Denn Worte sind selten eindeutig. Man muss sie interpretieren, einordnen und richtig verstehen. Das kann schon unter normalen Umständen und in Friedenszeiten schiefgehen, weshalb Missverständnisse zum Alltag gehören. Besondere Sensibilität in der Wortwahl ist daher in Zeiten von Spannungen und Konflikten angebracht. Das gilt im Privaten. Das gilt erst recht im Politischen. Denn wenn die Kommunikationsatmosphäre ohnehin vergiftet ist, kann man kaum auf interpretatorisches Wohlwollen vertrauen. In einer ohnehin schon von Ressentiments und Misstrauen geprägten Atmosphäre können mehrdeutige Formulierungen so einen unheilvollen Prozess in Gang setzen.
Von solchen kommunikationstheoretischen Bedenken ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj jedoch ziemlich frei. Allein das lässt tief blicken. Seit Beginn des Krieges fällt er nahezu im Wochentakt durch Wortbeiträge auf, die mit dem Ausdruck „markig“ noch eher wohlwollend umschrieben sind. Man kann das verstehen. Immerhin ist Selenskyj Präsident eines Landes, das Opfer eines Aggressors wurde. Da kann man schon mal die Contenance verlieren oder auch schlicht Weitsicht und Klugheit.