KPÖ-Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl bei der Wahlparty seiner Partei/ picture alliance

Wahlerfolge der KPÖ - Die kommunistischen Kümmerer von Österreich

Ausgerechnet in den reichen bürgerlichen Städten Salzburg und Graz ist eine Partei erfolgreich, die in Österreich längst vergessen war: die Kommunisten. Wie das möglich ist? Sie hören zu, sie kümmern sich und sie sorgen sich ums teure Wohnen und Leben.

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Rainer Nowak ist Journalist und war zuletzt Chefredakteur der österreichischen Tageszeitung Die Presse. Foto: Launchy (Nowak)

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An Wahlabenden sind Jubel und Triumph, aber auch Enttäuschung und Zerknirschtheit, gut eingeübte emotionale Übungen bei Parteianhängern, die alle paar Jahre im TV gezeigt werden. Doch dann gibt es an einem Wahlsonntag wie dem vergangenen in Salzburg einen echten Überraschungsmoment, der in den Gesichtern der Funktionäre und Helfer zu erkennen ist. Verblüffung, Freude und Glück. 

Die sogenannte KPÖ plus, also die gepimpte kommunistische Partei Österreichs, die seit den späten 40er und frühen 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts fast ohne jede Bedeutung gewesen war, schaffte nicht nur den Einzug in den Salzburger Landtag, sondern mit 11,7 Prozent den vierten Platz in der Wählergunst des wohlhabenden Bundeslandes Salzburg. In der gleichnamigen Stadt, die für Mozart, seine Kugeln, die Festspiele und unzählige katholische Kirchen bekannt ist, wurden sie mit 21,5 Prozent zur zweitstärksten Kraft hinter der ÖVP

Rückkehr der Kommunisten nach bald 100 Jahren

Der bescheiden auftretende Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl hat einen beträchtlichen Teil dieses Erfolgs beigetragen. Allein war er es aber nicht, die Kommunisten konnten von der aktuellen Themenlage mit hoher Inflation und den fast höchsten Wohnkosten Österreichs profitieren – Sozialdemokraten und Grünen gelang das nicht, sie verloren sogar. Auf der rechten Seite des Spektrums musste die regierende ÖVP mit Landeshauptmann Wilfried Haslauer massiv Federn lassen. Dort setzte die freiheitliche Partei ihren Siegeszug durch Österreich fort und könnte von Platz zwei aus Juniorpartner in der Landesregierung werden – im dritten Bundesland nach Ober- und Niederösterreich. 

So bemerkenswert der kleine Triumph und die Rückkehr der Kommunisten nach bald 100 Jahren ist, die zweitgrößte Stadt Österreichs war quasi der Präzedenzfall gewesen. In der steirischen Landeshauptstadt Graz wurde Elke Kahr mit ihrer KPÖ bei den Wahlen im Herbst 2021 zur Nummer eins, seither ist sie Bürgermeisterin der mediterranen Stadt mit ihren großen Universitäten.
 

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Wie das möglich ist? Im Gegensatz zu Ostdeutschland gab es doch in Teilen Österreichs weder DDR-Vergangenheit noch wirtschaftliche Rückständigkeit im Vergleich zum Rest des Landes. Im Gegenteil: Beide Städte beheimaten zwar Industrie und Arbeiterschaft, aber eben auch eine reiche Schicht mit langer bürgerlicher Vergangenheit. Interessanterweise dürften in beiden Städten auch die ein oder anderen Wähler ebendieser Gruppe ihr Kreuz bei den Kommunisten gesetzt haben. 

In Graz war es jahrelange Aufbauarbeit und das echte Kümmern um die Anliegen der Bürger. Elke Kahr verzichtete schon vor ihrer Bürgermeisterschaft auf einen Teil ihrer Gage zugunsten von Spenden an Bedürftige. Ihre Sprechstunden in Graz waren Legende, sie versuchte jedem Bittsteller im Alltag zu helfen – bei Überschuldung oder Wohnungssuche. Augenhöhe ist das offizielle Markenzeichen der KPÖ in der Steiermark. 

Fragmentierung der politischen Landschaft schreitet voran

Die fehlende Abgrenzung zu kommunistischen Regimen wie dem jugoslawischen unter Tito oder Verständnis für die russische Seite im Angriffskrieg gegen die Ukraine scheinen die Anhänger nicht zu stören. Vielleicht ist es auch so wie die Salzburger Schriftstellerin Birgit Birnbacher in der Presse am Sonntag am Wahltag formulierte: „Es wächst etwas in der Bevölkerung, die selbst genug hat: Die, denen es selbst gut geht, wollen nicht länger hinnehmen, dass es anderen immer schlechter geht.“ Eine Protestwahl für das gute Gewissen?

Kurzfristig könnte der lokale KPÖ-Sieg die Mitgliederbefragung der SPÖ beeinflussen. Mit der wird seit Montag über die künftige Führung der Sozialdemokraten abgestimmt, neben Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner und dem pragmatisch-traditionalistischen Landeshauptmann des Burgenlandes Hans-Peter Doskozil tritt ein gewisser Andreas Babler, Bürgermeister einer Mini-Stadt namens Traiskirchen, an. Er ist der Held des linken Parteiflügels und nicht weit von einer KPÖ plus in Salzburg oder seiner Amtskollegin in Graz entfernt. Parteichef wird er wohl dennoch nicht. Sollte es einer der beiden anderen werden, könnte aber eine SPÖ-Abspaltung mit einer neuen Linkspartei für die Nationalratswahl im kommenden Jahr im Raum stehen. Die Fragmentierung der politischen Landschaft Österreichs schreitet voran. 

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Albert Schultheis | Di., 25. April 2023 - 09:29

"Sie hören zu, sie kümmern sich und sie sorgen sich ums teure Wohnen und Leben." So kommen Kommunisten und SED-Kader liebend gerne in der Öffentlichkeit rüber - die wollen ja nur spielen! Und sind sie dann mal an den Hebeln der Macht, dann werden die Wattebäusche und Samthandschuhe ausgemustert - dann fallen die allseits bekannten Äußerungen wie "Enteignung", "Erschießung der 1% Reichen" und die brutale Gleichschaltung der Medien und die Cancel Culture werden durchgezogen, dann rasselt es die üblichen Verbote und Berufsverbote - und siehe da, eine Rote Neo-Aristokratie ist entstanden, die sich in ihre Gated Communities zurückzieht. Keine Zeit mehr für die "Sorgen der Geknechteten"! Dass gerade bürgerlich-affluente Kreise und Sprosse des ehemals kolonialen Großkapitals der dekadenten 2. und 3. Generation diesen Rattenfänger auf den Leim gehen, das kennen wir nur zu allzu gut aus den entsprechenden Kreisen in Hamburg, Berlin und München. Im Westen nichts Neues.

Chris Groll | Di., 25. April 2023 - 10:23

Antwort auf von Albert Schultheis

Es ist, wie Sie sagen. Das die "Sprosse des ehemals kolonialen Großkapitals der dekadenten 2. und 3. Generation diesen Rattenfänger auf den Leim gehen" sieht man ja auch bei uns.
Es ist in meinen Augen die Dekadenz, die dann zum Untergang führen wird. So war es auch im Römischen Reich.
Dabei muß ich auch immer daran denken, was mir vor Jahren von einem US Amerikaner (der aus der damaligen kommunistischen Tschechoslowakei als politisch Verfolgter fliehen mußte) gesagt wurde: „Ihr seid auf dem Weg in den Kommunismus, vor dem ich damals fliehen mußte und ihr merkt es nicht einmal“.

Albert Schultheis | Di., 25. April 2023 - 16:41

Antwort auf von Chris Groll

geht es in den Städten der USA im Norden und Westen ganz ähnlich zu. Die Leute ziehen sogar weg aus San Francisco.

Ja, da haben Sie leider recht. Die Leute verlassen viele Städte, in denen die woken Demokraten ihr Unwesen treiben. Das betrifft auch New York usw.

Gerhard Lenz | Di., 25. April 2023 - 09:55

links oder rechts, finden eben immer offene Ohren. Was in Dunkeldeutschland die Linke, die AfD oder hier und da schon mal die NPD besorgen, erledigen in Österreich (auch) die Kommunisten, und das offensichtlich erfolgreich. Kein Wunder: Der Kommunismus sowjetischer Prägung ist längst vergessen, soziale Ungleichheit und Armut sind jedoch sehr reale Probleme. Wer sich ständig benachteiligt fühlt und keine Besserung durch die etablierte Politik erwartet, der flüchtet zu den Extremisten. Davon profitiert in Deutschland aus historischen Gründen und vielleicht auch aus einer generellen Neigung für rechtes bis rechtsextremes Gedankengut heraus die AfD, und selbst die "Linke" Wagenknecht vertritt neben wirtschaftspolitisch dezidiert linken Positionen gesellschaftspolitisch eine konservative bis zuweilen reaktionäre LInie.
Versprechungen, sich zu kümmern sind einfach, bequem und höchst populär, weil unabhängig von Sachzwängen, Details und Widerständen, wenn es um die tatsächliche Umsetzung geht

... nimmt man alles, was gut klingt, wenn es diejenigen nicht mehr hinbekommen, die ständig einreden, sie seien die Erlöser, die jahrzehntelang den Karren in den Dreck fuhren.

Tomas Poth | Di., 25. April 2023 - 11:26

So wie beschrieben verkörpert es ja auch die christliche Nächstenliebe.
Also Kommunisten und Christen als Querfront?

Die KPÖ als Wölfe im Schafspelz, bis Machtpositionen und Pfründe erreicht sind und verteidigt werden müssen?
Wäre nur allzu normal. Auch zur Amtskirche zeigen sich in dieser Hinsicht Parallelen auf.

Chris Groll | Di., 25. April 2023 - 12:01

Menschen vergessen schnell.
lt. Wikipedia (mit Sicherheit nichts rechtslastig)
Das Schwarzbuch des Kommunismus ist der Titel einer Aufsatzsammlung von 1997, in der elf (in der deutschsprachigen Ausgabe von 1998 weitere zwei) Autoren Verbrechen, Terror, Unterdrückung (Untertitel) von kommunistischen Staaten, Regierungen und Organisationen darstellen (autoritäre/totalitäre Diktaturen). Der Herausgeber, der französische Historiker Stéphane Courtois, veröffentlichte das Buch am 6. November 1997, dem 80. Jahrestag der Oktoberrevolution 1917, als erste weltweite Gesamtbilanz von 80 Jahren Kommunismus (autoritäre/totalitäre Diktaturen). Er verglich im Vorwort die Ursachen und die von ihm recherchierte Gesamtopferzahl dieser Verbrechen von 100 Millionen Menschen.
100 Millionen Toten. Leider vergesssen die Menschen schnell.

Achim Koester | Mi., 26. April 2023 - 07:55

schon vor 50 Jahren Einige, die unverhohlen ihre kommunistische Einstellung vertraten. Um nicht in den Verdacht zu kommen, mit der DDR zu kooperieren, dem "real existierenden Sozialismus", nannten sie sich "Edelkommunisten". Alle waren aus reichen Elternhäusern oder die Eltern stammten aus dem höheren Beamtentum. Übersättigung und Dekadenz scheinen der Nährboden zu sein, auf dem realitätsferne rote und grüne Phantasien gedeihen.