Benjamin Netanjahu und Olaf Scholz
Benjamin Netanjahu und Bundeskanzler Olaf Scholz besuchen am Donnerstag das Mahnmal Gleis 17 in Grunewald / dpa

Benjamin Netanjahu in Berlin - Eine staatsmännische Leistung

Viele linksliberale und friedensbewegte Israelis wollten Olaf Scholz davon abhalten, Benjamin Netanjahu in Berlin zu empfangen. Der deutsche Bundeskanzler hat sich darauf jedoch nicht eingelassen. Und das ist auch gut so.

Autoreninfo

Rafael Seligmann, Jahrgang 1947, ist Historiker, Journalist und Schriftsteller. Er lehrte an der Ludwig-Maximilian-Universität Strategie und Sicherheitspolitik. In Kürze erscheint sein Buch „Brandstifter und Mitläufer. Hitler, Putin, Trump“ im Verlag Herder.

So erreichen Sie Rafael Seligmann:

Berlin hat der Versuchung widerstanden, Israels Premier Benjamin Netanyahu vor den Augen aller Demokraten bloßzustellen, indem es ihn wieder aus Deutschland ausgeladen hätte. Allenthalben in der freien Welt, speziell bei der israelischen Opposition, wäre der Rausschmiss Netanyahus aus Deutschland mit Beifall bedacht worden. Denn der seit Ende vergangenen Jahres zum fünften Mal amtierende Premier hat sich gemeinsam mit seiner nationalistisch-religiösen Koalition entschlossen, eine Politik und eine Justizreform auf den Weg zu bringen, die das bestehende Gleichgewicht zwischen Regierung, Parlament und Justiz zugunsten von Exekutive und Knesset aushebelt.

Bislang besitzt das Oberste Gericht in Jerusalem selbst im Vergleich zu anderen Demokratien ungewöhnlich große Kompetenzen. Diese werden in entscheidenden Momenten in politische Macht transformiert. Das Gremium ist als Verfassungsgericht legitimiert, neue Gesetze zu überprüfen und diese zurückzuweisen, wenn sie dem Grundgesetz widersprechen. Da Israel, ähnlich wie Großbritannien, keine geschriebene Verfassung besitzt, ist sehr vieles Auslegungssache.

Er reproduziert sich teilweise selbst

Das Oberste Gericht nutzt diesen Freiraum weidlich zur Beurteilung der Gesetze in seinem Sinne. Zudem hat der Gerichtshof großen Einfluss auf die eigene Zusammensetzung; er reproduziert sich teilweise selbst. Dies alles möchte nicht nur Netanyahu reformieren. Fortan soll die Knesset in der Lage sein, mit einfacher Mehrheit Urteile des Obersten Gerichtshofs zu überstimmen und damit dessen Kompetenz faktisch zu neutralisieren.
 

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Premier Netanyahu könnte mit seiner Koalition erstmals durchregieren. Diese Vorstellung ist allen liberalen, linken und friedenbewegten Israelis unerträglich. Dagegen laufen sie zunehmend Sturm. Denn auf diese Weise käme auch ihr größtes Versäumnis zutage: Die Vernachlässigung der orientalischen Zuwanderer, der Religiösen, der ärmeren Schichten. Nur so konnte Netanyahu zum Sprachrohr der israelischen Underdogs werden. Um diesen Erfolg zu verhindern, lässt das linksliberale Israel seine Muskeln spielen, wo sein Wort zählt: in Nordamerika und den europäischen Demokratien. Daher die Rufe in die USA und nach Deutschland: „Macht Bibi zum internationalen Paria! Empfangt ihn nicht!“

Den billigen Beifall ausgeschlagen

Deutschland hat sich diesem Ansinnen widersetzt, den billigen Beifall ausgeschlagen. Denn auf dem Spiel steht weit höheres als kurzer Applaus: die deutsch-israelischen Beziehungen. Die Bibis kommen und gehen, übrigens auch die Merkels – das einmalige, meschuggene, mörderische, herrliche deutsch-jüdisch-israelische Verhältnis steht auf dem Spiel. Es ist wertvoller als Szenenbeifall.

Mit dem Empfang Netanyahus haben Kanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier sich über persönliche Antipathien, die speziell bei Steinmeier bestehen, hinweggesetzt. Entscheidend ist die Zukunft des Verhältnisses zu Juden und Israelis. Scholz, sein Kabinett und die Bundesregierung haben damit der Zukunft des deutsch-jüdischen Miteinanders einen bleibenden Dienst erwiesen. Das werden die Menschen in beiden Ländern, auch die gegenwärtig wütenden israelischen Demonstranten, nicht vergessen. Eine wahrhaft staatsmännische Leistung.

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Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 16. März 2023 - 18:12

Ihr Artikel hat mich tief berührt.
Vor allem hat er mich auch gut informiert.
Nochmals DANKE

Walter Bühler | Do., 16. März 2023 - 18:33

... ist in der Tat zu begrüßen. Es wäre aber auch zu begrüßen, wenn wenn wir sie auch bei anderen Ländern und Nationen erleben könnten.

Zu begrüßen werter Herr Bühler? Scholz freut sich auf Netanjahu, dem Freund und Wahlhelfer Trumps. Als echter Freund bedankte sich Donald Trump und erfüllte den Wunsch seines Chef-Einflüsterer Benjamin Netanjahu. Trump kündigte dem Iran den Vertrag des Atomabkommens.
Cicero schrieb dazu am 09.05.2018 den hervorragenden Artikel "Das nukleare Gespenst ist wieder erwacht".

Am 15.03.2023 erlebten wir eine fragwürdige Inszenierung. Scholz begrüßte erfreut einen dieser Akteure, den (rechts)radikalen israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Wir, mein Mann und ich, haben in Israel viele Freunde, die ihn und die Mehrheit der israelischen Bevölkerung als rechtsradikal ablehnen.

Dazu eine berechtigte Frage:
Warum empfängt BK Scholz nicht auch mit Freude die AfD?! Die AfD ist nicht rechtsradikal, sie ist rechtsorientiert und demokratisch legitimiert, ein wichtiges Pendant zur grün/roten Sekte, die D vernichtet. Die AfD tritt für uns Bürger, für unser Deutschland ein.

Wolfgang Z. Keller | Do., 16. März 2023 - 20:32

... aber das gilt doch dann auch für die Demokratieliquidatoren in Ungarn, Polen oder gleich für die Antidemokratien in Saudi-Arabien, Katar und x anderen Ländern. Oder ist das jetzt gar feministische Aussenpolitik?
Wie immer: man/frau dreht sich´s so hin, wie man´s braucht, wertebasiert halt - fadenscheinig!

Jens Böhme | Fr., 17. März 2023 - 07:32

Staaten und Völker bestrafen, weil dort vermeintlich die Falschen gewählt wurden? Ich bin ein Vertreter der Unabhängigkeit der Ukraine vom russischen Joch. Mein wachsames Holzauge ist nicht blind, die russische Erklärung zum Überfall in die Ukraine nicht zu vergessen. Dass Israel ohne Staatsverfassung noch existiert, heißt allerdings nicht, dass es weiter stabil existieren wird. In heutigen Zeiten der Auflösung freiheitlicher Systeme auf allen Kontinenten, ist auch Israels Schicksal vakant. Und man sieht, dass die erfolgreichsten Totengräber von Freiheit und Demokratie z.B. in Europa oder Israel nicht von außen kommen.

Albert Schultheis | Fr., 17. März 2023 - 10:11

Ausgerechnet vom Scholzomat? - Lachhaft! Der Mann stand vor kurzem noch neben Abbas wie ein braver Sextaner, während der seine islamistisch-palästinensischen Hetztiraden in Deutschland verkündete. Genauso ist ihm jetzt das Herz in die Schuhe gerutscht - er kann gar nicht anders, als Netanyahu zu empfangen - auch wenn ein paar wenige linke Juden gemeinsam mit der Grünen Palästina-Fraktion schäumen. So what? Der Scholzomat scholzt! So wie er ein paar Waffen liefert, wie er Trans*-Selbstbestimmungsgesetze durchwinkt, Verbrenner abschafft, die Massenflutung mit Pseudo-Asylanten zulässt. Was soll daran staatsmännisch sein? Ja, er ist ein "mann", aber"staats-"? Die Interessen Deutschlands, seiner Bürger interessieren ihn genauso wenig wie einst eine Merkel, in deren infantiler Kinderstube er aufgewachsen ist. Zu "staatsmännisch" gehört alles das, was dem Scholzomaten (wie seiner Stasi-Ziehgeiß) fehlt: Charakter, Gedächtnis, Anstand, Mut und einen Instinkt für Recht und Gerechtigkeit.

Die Beantwortung meiner Frage dazu Passagen des Offenen Briefes
vom 15.03.2013 persönlich an BK Scholz, der unbeantwortet blieb.
Dieses Statement wude vom New Israel Fund (NIF) Deutschland imitiert.
DiAke.V. Annektion, Deutschland-Israel, Israel und Palästina,//, Innenpolitik, Menschenrechte. Unteschrieben von Persönlichkeiten wie Prof. Mriam Rürup-
Dr. Deborah Schnabel, Direktorin Bildungsstätte Anne Fank...Pressekontakt:
Maja Sojef, Geschäftsführerin New Israel Deutschland(presse@nif deutschland.de)
Aufgrund des Artikels von Herrn Seligmann und vorstehender Kommentare einige Passagen aus dem Offenen Brief.

"Als Jüdinnen und Juden in Deutschland, als Bürger*innen dieses Staates, denen die Sicherheit und die Zukunft eines demokratischen Staates Israel am Herzen liegt, protestieren wir gegen den Besuch des israelischeb Premierministers Benjam in Netanjahu in Berlin.

Blatt 2

""Der Besuch kommt zu einer Zeit, in der seine Regierung Gesetze verabschiedet, die, wenn sie nicht aufgehalten werden, das Ende der Demokratie in Israel bedeuten.

Andere Verbündete Israels wie die Vereinigten Staaten, halten daher einen Besuch Netanjahus zum jetzigen Zeitpunkt für unangebracht. Es liegt nun an der Bundesregierung, in aller Öffentlichkeit ein klares und deutliches Zeichen an die israelische Regierung als auch an die demokratischen Kräfte in Israel zu senden.

Daher fordern wir die Bundesregierung auf, sich klar und öffentlich von der antidemokratischen und rassistischen Politik der Regierung Netanjahus zu distanzieren und Stellung zu beziehen.

-gegen die Änderungen des Justizwesens, die darauf abzielen, die demokra-
tische Gewaltenteilung abzuschaffen und den Schutz der Rechte mar-
ginalisierter Gruppen auszuhebeln.
- gegen Menschenrechtsverletzungen und von Regierungsmitgliedern
unterstützte Siedlergewalt......

Entschuldigung für den langen Kommentar.

Rebeca Bok | Sa., 18. März 2023 - 11:38

der deutsche wie der israelische Premier.
Wohltuend, wie Herr Seligmann den tobenden Mob demontiert – obwohl er selbst den alten/neuen PM anscheinend nicht überaus schätzt (vielleicht zu Unrecht).
Wohltuend der Kontrast zwischen BK und AA, zwischen BK und BP.
Bemerkenswert der Abstand zur Partei- und Amtsvergangenheit (zu Details schweigt des Sängers Höflichkeit).
Lieber BK, bitte bald auch die nächste staatsmännische Leistung, zusammen mit befreundetem EU-Staatsmann und -weib: Israels Hauptstadt anerkennen.
Mit Freunden läuft bereits die Wette: Gelingt es künftig dem BK, das Unwort x-“Staatenlösung” (“Oslo”) nicht mehr in den Mund zu nehmen? Gänzlich vermeiden lässt es sich vielleicht nicht; schafft er es, bis zum Ende seiner ersten Amtszeit unter 3x zu bleiben, verleihen wir ihm den Orden Für Den Europäischen Ernst.
(Übrigens, Obacht: “Oslo” macht jetzt BDS.)

Ayelet, Bibi, Naftali, Miri: make your friendship great again!