Kurz und Bündig - Walter Grasskamp: Das Cover von Sgt. Pepper. Eine Momentaufnahme der Popkultur

Paul McCartney liebte die Verkleidung. Gerne mischte er sich inkognito unter das Beatles-Publikum und lauschte der Vorgruppe. Warum nicht einmal gleich die ganze Band maskieren? Um ihrem Image zu entkommen, schufen sich die Beatles für das «Sgt. Pepper»-Album die Kunst-Identität der «Lonely Hearts’ Club Band». Damals hatten sie schon aufgehört, Live-Konzerte zu geben – ihre Stücke waren zu komplex geworden.

Paul McCartney liebte die Verkleidung. Gerne mischte er sich inkognito unter das Beatles-Publikum und lauschte der Vorgruppe. Warum nicht einmal gleich die ganze Band maskieren? Um ihrem Image zu entkommen, schufen sich die Beatles für das «Sgt. Pepper»-Album die Kunst-Identität der «Lonely Hearts’ Club Band». Damals hatten sie schon aufgehört, Live-Konzerte zu geben – ihre Stücke waren zu komplex geworden. Sie waren auf dem Weg von der Herz-Schmerz-Beatband zur ästhetisch reflektierten Gruppe. «Sgt. Pepper» gilt als das erste pop-kulturelle Gesamtkunstwerk. Der Kunsthistoriker Walter Grasskamp hat dem legendären Platten­cover nun ein Buch gewidmet. Gestaltet wurde das Bild von Peter Blake, einem Vertreter der englischen Pop-Art, der sich früh mit Fan- und Medien­mythen beschäftigte. In historischen Uniformen posieren die Beatles vor einer Schar scheinbar wahllos herbeizitierter Größen aus Musik, Film, Literatur, Wissenschaft. Die tra­ditionelle Hierarchie wird im Sinn der Pop-Kultur eingeebnet: Tarzan-Darsteller Johnny Weissmüller trifft auf Albert Ein­stein, Karlheinz Stock­hausen auf Jimi Hendrix. Umgekehrt forcieren die Beatles mit dieser Collage ihre eigene Kanonisierung jenseits des Popstar-Ruhms. Die Faszinationskraft des Covers beweist seine komplexe Zitatgeschichte, die Grasskamp verfolgt: Unzählige Male wurde es nach­geahmt oder parodiert, allen voran durch Frank Zappas Album «We’re only in it for the Money» von 1968. Grasskamps Analyse gewinnt vor allem durch die Kontexte, wozu auch kunstgeschichtliche Bezüge bis hin zu Raffaels «Schule von Athen» gehören. Spannend lesen sich die Ausführungen über das heikle Verhältnis zwischen Pop-Art und Pop. Die Zweitverwerter der Pop-Kul­tur kopierten deren Techniken und Motive, um damit in der Hochkultur Effekt zu machen. Zwar hatte sich die Pop-Art ideell der Nivellierung von Hoch- und Massenkultur verschrieben; die eigene Vermark­tungspraxis schloss sie dabei jedoch aus. Sobald ein Pop-Artist keine museumsfähigen Originale produzierte, wurde er nur als Gelegenheitsdesigner wahrgenommen. In den Katalogen und Werkbiografien Blakes tauchte sein berühm­testes Werk deshalb lange nicht auf. Die «Pepper-Pappe» war prominent wie die Mona Lisa – und gleichzeitig obskur. Neuerdings hat sich das geändert. Als die «Sunday Times» vor einiger Zeit eine Liste der größten Kunstwerke des Jahrtausends publizierte, rangierte das Cover auf Platz 15 – zwischen der Kathedrale von Chartres und Tolstojs «Krieg und Frieden».

 

Walter Grasskamp
Das Cover von Sgt. Pepper. Eine Momentaufnahme der Popkultur
Wagenbach, Berlin 2004. 128 S., 18,50 €

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