Besudeltes Kant-Denkmal in Königsberg im Jahr 2018 / dpa

Man sieht nur, was man sucht - Unheilige Allianz im Katalog historischer Feindbilder

Angriff auf ein Denkmal: Immanuel Kant, vor 300 Jahren geboren, wird von russischen Nationalisten wie von linken Extremisten diffamiert.

Autoreninfo

Beat Wyss hat an zahlreichen internationalen Universitäten gelehrt. Er hat kontinuierlich Schriften zur Kulturkritik, Mediengeschichte und Kunst veröffentlicht. Beat Wyss ist Professor an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.

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Zwar kam Immanuel Kant vor 300 Jahren Ende April erst zur Welt, aber schon jetzt überbietet sich die Presse mit Gedenkartikeln zu Leben und Werk dieses Großmeisters westlicher Philosophie. Weitaus überwiegen die anerkennenden Worte, doch man darf nicht vergessen, dass Kant für ein Denken steht, das polarisieren kann: spiegelbildlich zur politisch polarisierten Welt heute. Im Frühjahr 2018 rauschte die Nachricht durch den Pressewald, wonach Studenten die wettergeschwärzte Bronzestatue von Kant zu Königsberg bunt verschmiert hätten, herausgefordert von dessen Denken.

Nun, so harmlos, so frech-fröhlich hat sich der Studentenstreich jedoch nicht zugetragen. Bei den Schmierfinken handelte es sich um russische Nationalisten. Angestiftet von Militärkreisen, besudelten sie das Denkmal des Gelehrten in Rosa, womit Kants Denken als „Schwulität“ verunglimpft werden sollte. Doch es blieb nicht beim Farbanschlag auf die Statue, auch Kants Grab im Domchor von Königsberg wurde rosa besudelt. 

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Tomas Poth | Fr., 23. Februar 2024 - 13:56

Wer Frieden und Verständigung möchte der muß die Feindbilder abschaffen!

Die Einteilung in "Rechts" (Nationalisten) und "Links" (Kommunisten, Sozialisten) behindert die Kommunikation über die eigentlichen und wichtigen Sachverhalte, die wir in der eigenen Gesellschaft und mit anderen Gesellschaften verhandeln müssen.

Die Beschmutzung von Denkmälern, hier Kant, muß mit den Beschmutzern zur Rechenschaft diskutiert werden. Sonst bleibt alles nur Mutmaßung und Projektion. Das ist natürlich mühsamer als das schnelle Vorurteil.

Der "Kampf gegen Rechts" arbeitet mit Feindbildern und verhindert die Verhandlung über die eigentliche Sache.

Freiheit, Selbstverantwortung und Demokratie!

Norbert Heyer | Fr., 23. Februar 2024 - 14:32

Auch Churchill war erst kürzlich vom Helden des 2.WK zum AWM herabgestuft worden. Napoleon hält sich noch so halbwegs - und das nicht nur als Kognak. Welche Stellenwert hätte heute Hitler, wenn er den 2.WK gewonnen hätte? Ein van Gogh verkaufte zu Lebzeiten kein einziges Bild, heute sind sie fast unbezahlbar. Verblendete junge Menschen zerstören und besudeln Kunstwerke, weil sie die Zeit, in denen diese entstanden sind, als dekadent ansehen. Die damalige Welt über das römische Reich bis zum Europa des Mittelalters war geprägt durch Weiße. Andere Hautfarben galten als minderwertig, nur für Sklavenarbeit zu gebrauchen. Sie waren eine rechtlose und bezahlbare Ware, eine billige Arbeitskraft ohne Rechte. So ungerecht wie dieser Zustand war ist nunmehr die Erhöhung der damals Entrechteten ihre Erhöhung über die Nachfahren der damaligen Peiniger. Ein Unrecht wird niemals dadurch beseitigt, indem man nun die damals Erniedrigten über ihre einstigen Beherrscher stellt. Aufklärung ist angesagt.