
- Journalistischer Buddhismus trifft zynischen Aktivismus
Verschafft der Journalismus den Klimaaktivisten und ihren gemeingefährlichen Aktionen erst die gewünschte Aufmerksamkeit? Und wo ist eigentlich der Unterschied zwischen der Letzten Generation und Al-Qaida?
Nur widerwillig hab’ ich mich von Ralf Hanselle, meinem hochgeschätzten Chef, dazu bewegen lassen, mit meinem Löffel jetzt doch auch noch in den musealen Kartoffelbrei zu hauen. Mein Widerstand erklärt sich, streng wissenschaftlich, mit Heisenbergs Unschärferelation. Deren drei Aussagesätze zu quantenmechanischen Zuständen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Beobachtung beeinflusst das Beobachtete und vice versa. Der Alarmismus der Medien, so entrüstet er jetzt über gekaperte und bekleckerte Kunstwerke berichtet, geht exakt der Strategie der Aktivisten auf den Leim. Die Letzte Generation freut sich doch über jede Aufmerksamkeit, die ihnen zuteilwird, und sieht sich, dank aufgebrachtem Echo, in ihrer Klebe- und Kleckerstrategie bestätigt. Und die Berichterstattung wiederum kann sich auf die Schultern klopfen: Sie hat ihre kritische Meinung, auch Volkes Stimme beachtend, klar und deutlich verlautbart und damit ihren Job gemacht.
Hanselle hat meine Haltung „buddhistisch“ genannt. Mit Meditieren sei die Welt nicht zu retten, so sein Vorwurf. Gegen passives Besserwissen allzu nachdenklicher Bedenkenträger argumentiert Hanselle mit einem Diktum von Baudrillard: „Hätte Mohamed Atta ein Flugzeug ins WTC gesteuert, wenn kein Medium darüber berichtet hätte?“ Ja, dieser Satz ist mir bekannt und zwar vom postmodernen Meisterdenker persönlich; im Herbst 2001 war ich dabei, als Baudrillard im überfüllten Audimax der Uni Stuttgart seinen Vortrag zu Nine Eleven hielt.