
- Neo-Kolonialismus im Namen des Guten
Die WM in Katar ist an sich ein Skandal. Den absoluten Tiefpunkt markiert jedoch die moralische Herrenreiterpose, in der sich die deutsche Nationalmannschaft gefällt. Selbst einfachste Gebote der Höflichkeit gegenüber einem Gastgeber wischt man mit neokolonialer Selbstherrlichkeit beiseite.
Vor vier Jahren begann ich meine Kolumne zur damaligen Fußball-WM in Russland mit dem einleitenden Satz: „Italien, du hast es besser.“ Denn Italien durfte damals zuhause bleiben und musste sich das unsägliche Gewürge in Russland gar nicht erst antun.
Vier Jahre später kann man nur sagen: Italien, was bist du für ein Glückskind! Denn diesmal ist alles noch viel, viel schlimmer. Seinerzeit regierten nur Korruption und Heuchelei. Doch die gab es schon immer. Das Theater um die diesjährige WM jedoch sprengt alle Dimensionen. Das Moralbonzentum feiert Triumphe. Insbesondere die deutsche Nationalmannschaft ist schon jetzt Weltmeister im Setzen von Zeichen. Nicht auf dem Fußballplatz wohlgemerkt. Da kommt man eher lau herüber. Doch abseits des Spielfeldes badet man selbstgefällig in seiner eigenen moralischen Superiorität. So viel offensichtlicher Narzissmus war selten. Es ist zum Fremdschämen.