Einstimmen auf eine „Neue Welt“: Die Pressekonferenz des US-Notenbankchefs Jerome Powell wird auf Fernsehern übertragen, während Händler auf dem Parkett der New Yorker Börse in New York arbeiten

Weiterer Zinsschritt der US-Notenbank - Die Fed schürt die Angst vor einer Wirtschaftskrise

Zins- und Zeitenwende: Die Federal Reserve hebt ihren Leitzins aufgrund der Rekord-Inflation erneut an. Im März hat die Fed als Reaktion auf die Rekordinflation zum ersten Mal seit 2018 den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Doch vom Ziel der Preisstabilität ist die US-Notenbank noch immer weit entfernt. Gleichzeitig schürt sie die Angst vor einer Wirtschaftskrise - und rechnet mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit.

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Mit dem größten Zinsschritt seit fast 30 Jahren will die US-Notenbank die steigende Inflation bekämpfen und schürt die Angst vor einer Rezession. Die Federal Reserve (Fed) erhöht ihren Leitzins stark um 0,75 Prozentpunkte, wie sie am Mittwoch bekannt gab. Fed-Chef Jerome Powell betonte zwar, dass ein so hoher Zinsschritt „natürlich ungewöhnlich“ und nicht üblich sei. Gleichzeitig stellte er für Ende Juli eine erneute Anhebung um 0,5 oder 0,75 Prozentpunkte in Aussicht. Für die Fed ist es nun ein Drahtseilakt, die steigende Inflation zu stoppen und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum nicht zu sehr auszubremsen.

Dritte Erhöhung seit Beginn der Corona-Krise

Der aktuelle Zinsschritt ist die dritte Erhöhung des Leitzinses seit dem Beginn der Corona-Krise – und der erste Anstieg um 0,75 Prozentpunkte seit 1994. Eigentlich hatten die Zentralbanker vor einigen Woche noch einen Anstieg um 0,5 Prozentpunkte signalisiert. Daten aus der vergangenen Woche zeigten jedoch, dass die Verbraucherpreise im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,6 Prozent gestiegen waren – dies setzte die US-Notenbank stark unter Druck. Sie überrascht eigentlich eher ungern die Märkte. Kurz vor der Fed-Sitzung wurde schließlich gar über eine Anhebung von einem Prozentpunkt spekuliert – und an den legendären Fed-Chef Paul Volcker erinnert.

Erinnerungen an die 70er-Jahre

Volcker hob den Leitzins in den 1970er und 80er Jahren drastisch an – er stieg zeitweise auf mehr als 20 Prozent. Auch damals hatte die größte Volkswirtschaft der Welt mit enormer Inflation zu kämpfen. Volcker wird zugutegehalten, die Inflation als Zentralbankchef erfolgreich bekämpft zu haben. Kritiker machten seinen Kurs jedoch für den Anstieg der Arbeitslosigkeit und einen Einbruch des Wirtschaftswachstums verantwortlich. Seine Maßnahmen waren so radikal, dass die USA dadurch in eine Rezession rutschten. Fed-Chef Powell versuchte nun eine klare Botschaft zu vermitteln: Die Fed ist entschlossen, die Inflation zu senken. Man versuche dabei nicht, eine Rezession herbeizuführen, versicherte er.

Was bedeutet der Zinsanstieg im Alltag?

Wenn die Zinssätze steigen, leihen sich Bürgerinnen Bürger sowie die Wirtschaft weniger Geld oder müssen für Kredite mehr ausgeben. Folglich nimmt das Wachstum ab, Unternehmen können höhere Preise nicht mehr einfach weitergeben. Das alles hat direkte Auswirkungen auf den Alltag der Menschen – etwa bei Kreditkartenrechnungen, Krediten und Hypotheken. Ziel ist es, die Nachfrage im Laufe der Zeit zu senken, damit die Preise sinken und sich stabilisieren können. Die Folge: Die Inflation sinkt.

Wird das Wachstum aber zu schnell ausgebremst, könnten die USA in eine Rezession schlittern. Eine Rezession ist ein allgemeiner wirtschaftlicher Abschwung. Die Entscheider der Fed rechnen nun zum Jahresende im Mittel mit einem Leitzins von 3,4 Prozent und sogar 3,8 Prozent im kommenden Jahr – das ist allerdings noch sehr weit von den Volcker-Zeiten entfernt. „Wir verfügen sowohl über die notwendigen Instrumente als auch über die nötige Entschlossenheit, um die Preisstabilität im Interesse der amerikanischen Familien und Unternehmen wiederherzustellen“, sagte Powell. Wichtig sei dabei nun auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fed.

Anstieg der Arbeitslosenquote

Die Prognosen der US-Notenbank zeigen nun auch dank der Zinserhöhung einen Anstieg der Arbeitslosenquote in den kommenden Jahren. Für Powell ist das offenbar ein notwendiger Kompromiss. Die Arbeitslosenquote lag im Mai bei niedrigen 3,6 Prozent – ein Erfolg, für den sich US-Präsident Joe Biden immer wieder rühmt. „Eine Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent bei einer Inflation, die sich Richtung 2 Prozent bewegt – ich denke, das wäre ein erfolgreiches Ergebnis“, sagte Powell nun.

„Natürlich sind wir nie der Meinung, dass zu viele Menschen arbeiten und weniger Menschen Arbeit haben müssen“, betonte der Fed-Chef auf die Frage, ob nun Menschen im Kampf gegen die Inflation ihren Arbeitsplatz verlieren sollten. „Aber wir sind auch der Meinung, dass man ohne Preisstabilität keinen Arbeitsmarkt haben kann, wie wir ihn uns wünschen.“

Einstimmen auf eine „Neue Welt“

Powell betonte auch, dass der Krieg in der Ukraine und die Corona-Lockdowns in China einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft haben. „Das Problem ist, dass man nicht weiß, ob diese Kräfte in welchem Ausmaß anhalten werden“, sagte der 69-Jährige. Es sei offen, ob man absehbar in eine Welt zurückkehre, die ein wenig mehr wie „die alte Welt aussehe“. „Oder werden wir uns in einer Welt befinden, in der es immer wieder zu größeren Versorgungsschocks kommt, wie in den 70er Jahren, die dann wieder verschwinden und sich die Dinge wieder einpendeln?“, fragte er. Angesichts der Ungewissheit sei es nun wichtig, „in der neuen Welt“ für Preisstabilität zu sorgen.

dpa

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Maria Arenz | Do., 16. Juni 2022 - 11:39

Powell "schürt" doch nicht die Angst vor einer Wirtschaftskrise. Alle Zutaten zu einem "perfekten Sturm" sind doch längst da, bloß haben es die meisten noch nicht gemerkt, weil sie gerade erneut mit inflationstreibenden "Geschenken" -noch- eingelullt werden. Daß die Inflation soviel Fahrt aufgeommen hat, daß sie auf absehabre Zeit nicht mehr eingefangen werden kann, ist aber die Folge von nicht umkehrbaren makroökonomischen Gegebenheiten und einer EZB- Politik des nachgeschmissenen Geldes, die es den Club Med- Ländern erlaubt hat, die Bekämpfung der Ursachen ihrer lahmenden Wirtschaft weiter auf die lange Bank zu schieben. Infolge der darus resultierneden Maxi-Verschuldung dieser Länder kann die EZB die Zinsen nicht einmal annähernd in dem Maße erhöhen, wie es zur Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgabe - der Sicherung des Geldwerts - eigentlich nötig wäre. Diese Aufgabe nimmt Powell im Gegensatz zu Draghi und Lagarde zu Recht sehr ernst, sie ist nämlich sein Job.

Bernhard Binzen, Bonn | Fr., 17. Juni 2022 - 08:35

Antwort auf von Maria Arenz

Die Inflationrate wächst seit Juli 2021 während der Coronaviruspandemie mit einem Stand von 3,8 % bis heute. Dies widerlegt die falsche, wirtschaftpsychologische These der Ursachen der Inflation durch einen Krieg Russlands gegen die Ukraine als willkommene Ausrede für einen Zertifikatehandel (Derivate, Optionen, Hebelprodukte usw.) an der Rohstoffbörse, der entweder eine irreale Nachfragemenge oder eine künstliche Angebotmenge erzeugt.

Frau Arenz betreibt eine aggressive Manipulationtechnik der Rhetorik aus privatem Interesse, einer Agententätigkeit für einen autarkischen Neoliberalismus? Täuscht Frau Arenz mit ihrem Pseudowissen der Schulökonomik (Paradigmen, Lehrsätze, Theorien, Hypothesen, Relationen, Methoden, Kategorien, Hilfwissenschaften (Mathematik, Statistik, Stochastik, Ökonometrie, Spieltheorie), der Praxiserfahrung, der Lehrpraxis etc. bewusst oder Schulwissen gläubig, gehorchend anhand einer Wirtschaftpsychologie über die Machtverhältnisse in der Wirtschaft?

Gisela Fimiani | Sa., 18. Juni 2022 - 13:51

Antwort auf von Maria Arenz

Ich stimme Ihnen völlig zu, Frau Arenz. Es scheint jedoch für so manchen zu „beängstigend“, mit der Wirklichkeit konfrontiert zu werden. Außerdem könnte die Wirklichkeit die Bürger „aufschrecken“ - mit unangenehmen Folgen für eine politische EZB, eine diktatorische Technokraten-EU und nicht zuletzt die deutsche classe politique. Es mögen Fragen gestellt werden, denen die o.g. unbedingt aus dem Weg gehen müssen, denn ehrliche Antworten könnten schlimme Folgen für sie haben.

Ernst-Günther Konrad | Do., 16. Juni 2022 - 11:52

Ich sehe das sehr pessimistisch. Die Raffgier der Globalplayer und die Verlogenheit der Politik wurden durch Corona und den U-Krieg nur beschleunigt und ungeschminkt sichtbar. Die Probleme bestanden weltweit schon lange vor den selbst kreierten Szenarien. Diesem Mr. Powell glaube ich kein Wort. Warum? Er hat einen berühmten Namensvetter Colin Powell und der hat auch gelogen das sich die Balken bogen. Und der Schuldenkaiser Biden wird das Ganze noch ordentlich antreiben. Komisch nur. Bei den Amis muss der Klimawandel als Argument nicht herhalten. Der ist doch sonst für alles verantwortlich. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das Währungslügengebäude zusammen bricht. Die Zinspolitik ist das Totenglöckchen der Globalisten. Und wenn die Immobilienblase platzt wird es richtig eng.

„Diesem Mr. Powell glaube ich kein Wort. Warum? Er hat einen berühmten Namensvetter Colin Powell und der hat auch gelogen das sich die Balken bogen.“

Meist muss man Ihre Aussagen einfach nur zitieren und sie auf sich wirken lassen. Kommentare erübrigen sich…

Bernhard Binzen, Bonn | Fr., 17. Juni 2022 - 07:51

Wer den Leitzins anhebt, würgt die Produktion der Wirtschaft in eine Krise ab; dies zumindest bestätigen die Erfahrungen der Wirtschaftpolitik während der Wirtschaftkrise in der BRD in den 1980er Jahren mit einer Hochzinspolitik, Tagesgeld ca. 12-20 %, Tageskredit der Unternehmen wesentlich geringer, und der Bericht der Redaktion in ihrem Artikel.

Die Geldpolitik der Zentralbank der USA bedeutet eine Wirtschaftpolitik des Neoliberalismus (Alexander Rüstow) als angelsächsische Variante (Friedrich August von Hayek, ein österreichischer Ökonom, MPS-Mont-Pelerin-Society, Chicago Boys, Milton Friedman (Monetarismus)) oder als deutsche Abart (Ordoliberalismus, Walter Eucken, soziale Marktwirtschaft). Einen psychologischen Leitzins für die Geschäftbanken in der aktuellen Inflationlage einzuführen, verstärkt die Energiepreisinflation mit einer Zinsinflation, denn Kreditzinsen fließen als Kostenfaktor in die Preiskalkulation der Unternehmen. Die Fed wirkt als Gehilfe der Vermögenbesitzer.