
- Der Skandal von Schwerin – und Merkels Beitrag
Wer Probleme mit dem Grundgesetz hat, sollte nicht Verfassungsrichterin werden wollen. Doch in Schwerin scheint genau das passiert zu sein. Barbara Borchardt von der Linkspartei ist dort dazu gewählt worden - mit Stimmen der CDU. Warum macht Merkel diesen Vorgang nicht „rückgängig“?
So schnell werden akademische Debatten zu politischen Fragen mit Sprengstoff: Gibt es Freiheit ohne Kapitalismus, gibt es Sozialismus mit Freiheit? Musste die DDR 1961 eine Mauer bauen? Haben Gerichte in Demokratien eine politische Agenda? Kann man eine Verfassung schützen, deren Geist man kritisiert? Wie lange sind Parteien an Unvereinbarkeitsbeschlüsse gebunden? Hat der Kommunismus eine Chance verdient? Sollte die CDU ihm diese Chance geben? All das und noch mehr sind die Fragen nach dem Skandal von Schwerin: Dort wurde eine überzeugte Sozialistin und Antikapitalistin an das Verfassungsgericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern berufen – mit Stimmen von CDU und SPD.
Das Wort vom Tabubruch wird schnell im Mund geführt. Man sollte mit ihm sparsamer verfahren. Ein Skandal ist die Wahl von Barbara Borchardt allemal. Die 64-jährige Diplomjuristin, der eine „Kaderkarriere in der SED“ gelang – so die ebenfalls in der DDR aufgewachsene Generalsekretärin der FDP, Linda Teuteberg –, gehört jener Gruppierung innerhalb der Linkspartei an, der die Linkspartei nicht links genug ist. In der „Antikapitalistischen Linken“ sammeln sich die Befürworter einer Totalopposition, die nichts außer der (Wieder-)Einführung des Sozialismus gelten lassen. Gemeinsame Regierungsverantwortung ist in dieser Perspektive des Teufels: Ein „linkes Lager mit SPD und Grünen“ gebe es nicht, „wer dies immer wieder behauptet, will sich diese Partnerinnen schönsaufen und sich selbst politisch in die Pfanne hauen.“ In der Corona-Krise präsentiere sich die Linkspartei durch ihr staatstragendes Auftreten als „Retterin des Kapitalismus“. So steht es in zwei aktuellen Beiträgen auf der Website der „Antikapitalistischen Linken“.
Radikalität ist nicht verboten
Man kann es wie Barbara Borchardt für einen „Irrtum“ halten, dass diese radikale Gruppierung vom Bundesverfassungsschutz beobachtet und als extremistisch eingestuft wird. Radikalität ist nicht verboten. Doch wenn man den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes misstraut, sollte man nicht unbedingt Verfassungsrichterin werden wollen – schon aus Gründen der inneren Linientreue: Macht eine kämpferische Antikapitalistin sich dadurch nicht zum Büttel eines Systems, das sie ablehnt? Kann es ihr gelingen, den Landesverfassungsschutz den Händen der Feinde zu entwinden und in ein Schwert der Werktätigen zu verwandeln? Auf ein solches Verhör wird sich die neue Richterin im Kreis ihres Herkunftsmilieus einstellen müssen.