
- „Herr Höcke muss sich fragen, ob er noch in die AfD gehört“
Der Bundesvorstand der AfD hat beschlossen, dass sich der völkische „Flügel“ bis zum 30. April auflösen muss. Er reagierte damit auf die Entscheidung des Verfassungsschutzes, die Gruppierung um Björn Höcke zu beobachten. Schaufelt sich die Partei damit ihr eigenes Grab?
Georg Pazderski ist Chef der Berliner AfD-Fraktion. Er gehört den Gemäßigten in der Partei an und hat den „Flügel“ wiederholt aufgefordert, seine Strukturen offenzulegen, um der Partei eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu ersparen.
Herr Pazderski, der AfD-Bundesvorstand hat gerade beschlossen, dass sich der „Flügel“ auflösen soll. Ist das der Anfang vom Ende der AfD?
Nein, der Beschluss ist ein konsequenter Schritt. Es gibt nur eine AfD. Es kann nicht sein, dass wir uns in Gruppierungen spalten und jede Gruppierung ihre eigene Politik betreibt. Wenn man sich einbringen will in der Politik, muss man in den Parteigremien arbeiten, nicht parallel dazu. Letzteres ist parteischädigend.
Aber die Partei ist doch nur deshalb so stark geworden, weil Scharfmacher wie Höcke die Bürger gegen die Bundesregierung regelrecht aufgehetzt haben?
Nein, die Anhänger des „Flügels“ sind nur ein Teil der AfD, ich schätze, es sind 15 Prozent. Und sie haben der Partei nicht zum Vorteil gereicht. Gerade in Westdeutschland werden unsere Mitglieder immer wieder kritisch auf Höcke oder Kalbitz angesprochen worden. Es hieß: Wenn Sie die nicht in Ihrer Partei hätten, würden wir Sie auch wählen.
Bei der Wahl des thüringischen Ministerpräsidenten Kemmerich haben die CDU und die FDP das schmutzige Spiel der AfD immerhin mitgespielt. War das nicht ein riesiger Triumph für Höcke?
Nein, Höckes Coup war zwar ein taktischer Erfolg, aber strategisch war es eine herbe Niederlage, wie sich jetzt herausstellt. Wir werden deutlich stärker ausgegrenzt als zuvor, gesellschaftlich und politisch. Viele haben befürchtet, dass es der AfD nicht um die Sache als solche ging, sondern darum, die Altparteien vorzuführen. Das ist aber nicht der wahre Geist der AfD. Wir sind zutiefst demokratisch. Darum müssen wir nun massiv gegen den Imageschaden von Thüringen angehen.
Seit dem letzten Bundesparteitag hat der „Flügel“ seinen Einfluss auf die AfD extrem verstärkt. Unterscheidet er sich überhaupt noch von der Partei?
Na ja, der Noch-„Flügel“ ist national-patriotisch. Seine Mitglieder gehören zur AfD, solange sie sich zum Grundgesetz bekennen. Einige haben das deutlich überzogen. Ihre Aktionen sind nicht kompatibel mit der bürgerlich-konservativen AfD.
Aber das ist alles längst bekannt. Warum haben sich die Gegner nicht schon vorher zu Wort gemeldet?
Weil wir appelliert und gehofft haben, dass der „Flügel“ sich besinnt und die Partei gegen Rechtsextremismus abdichtet. Das hat er aber nicht geschafft. Und deswegen muss der Beschluss des Bundesvorstands jetzt konsequent umgesetzt werden.
Der „Flügel“ ist eine Wertegemeinschaft, kein Verein. Wie soll der sich auflösen?
Der „Flügel“ hat in der Vergangenheit immer wieder eigene Veranstaltungen gemacht wie das Kyffhäuser-Treffen, es gibt eine eigene „Flügel“-Homepage, es gibt ein „Flügel“-Logo, es gibt „Flügel“-Devotionalien und scheinbar sogar Mitgliedsnummern. Das ist nun vorbei und muss alles unterbunden werden. Wir kennen alle die Protagonisten, allen voran Björn Höcke und Andreas Kalbitz. Wie der Beschluss des Bundesvorstands im Detail umgesetzt wird, muss nun klar definiert werden. Klar ist: Wer sich dagegen wehrt, der muss mit Parteiordnungsmaßnahmen rechnen.

Anlass für die Sitzung des Bundesvorstands war die Entscheidung des Verfassungsschutzes, den „Flügel“ und seine beiden Leiter Björn Höcke und Andreas Kalbitz als „rechtsextremistisch“ einzustufen. Bislang hat die AfD dem Verfassungsschutz unterstellt, er ließe sich politisch instrumentalisieren. Nun will die Partei seine Erkenntnisse nutzen, um den „Flügel“ aufzulösen. Wie passt das zusammen?
Das ist kein Widerspruch, schließlich haben wir neue Erkenntnisse. Wir wissen jetzt zum Beispiel, dass die Familie Kalbitz angeblich längere Zeit Mitglied in der Heimattreuen Jugend (HdJ) gewesen sein soll. Bei seiner Aufnahme in die AfD soll Herr Kalbitz diesen Punkt verschwiegen haben. Wenn das stimmt, wäre sein Antrag auf Aufnahme in die Partei nichtig. Darüber muss jetzt der Bundesvorstand befinden. Bei Herrn Höcke ist das etwas anderes. Da geht es um verbale Ausfälle.
Aber auch die sind nicht neu. Nochmal: Warum trauen sich seine Kritiker erst jetzt aus der Deckung?
Wir wollten dem „Flügel“ eine Chance geben, dass er aus der Verdachtsbeobachtung herauskommt. Die Junge Alternative (JA) hat diese Chance genutzt, der „Flügel“ hat es vermasselt. Herr Höcke ist zu Pegida gefahren und mit Lutz Bachmann aufgetreten. Er hat gezeigt, dass er immer so weitermachen will. Das führte zu den schlechten Ergebnissen bei den Wahlen in Hamburg und Bayern. Daran tragen Höcke und Kalbitz eine Mitschuld. Mit seiner Rede in Schnellroda hat Höcke das Fass am vergangenen Wochenende zum Überlaufen gebracht.