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Parteivorsitzende auf Abruf - Annegret Kramp-Karrenbauer - dpa

Ein Land auf Abruf - Unterm Regiment der Moralisten zerfällt die Republik

Geht da gerade etwas zu Ende, bricht da etwas weg? In den Tagen nach Thüringen kann man diesen Eindruck gewinnen. Doch eigentlich ist Deutschland schon längst ein Land auf Abruf. Neben der Politik gilt das auch für Wirtschaft und Bildung. Zeit für neue Antworten.

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Da steht die Journalistin, hält das Mikro und fragt, was nun zu fragen ist: Ob Annegret Kramp-Karrenbauer nach ihrer Rücktrittsankündigung als Parteivorsitzende und ihrem Verzicht auf die Kanzlerkandidatur nur noch eine Parteichefin auf Abruf sei? Die Frage ist berechtigt. Wenn die Macht entgleitet, beschleunigen sich die Zeiten. Wer seinen Rücktritt ankündigt oder seinen Verzicht verspricht, der ist faktisch schon zurückgetreten, hat praktisch schon verzichtet – mag er oder sie noch so tapfer versichern, den Fahrplan des Endens selbst bestimmen zu können. Das klappt nie. Doch nicht nur Annegret Kramp-Karrenbauer ist eine Vorsitzende auf Abruf. Für die Kollegen der SPD gilt dasselbe. Mehr noch: Ein ganzes Land scheint in diesen hektischen, hysterischen Tagen auf Abruf gestellt. Da geht etwas zu Ende, da bricht etwas weg, vielleicht für immer.

Glaubt wirklich jemand, der Scheinwerferkegel auf die Zerrissenheit der CDU mache die SPD zu einem Hort der Stabilität? Es sei den Verlegenheitsvorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken von Herzen gegönnt, dass sie einmal Fragen zur Konkurrenz beantworten müssen und nicht zum desolaten Zustand des eigenen Ladens. Oder zu Kevin Kühnert. Die nächsten Wahlen, vielleicht schon die nächsten Umfragen werden zeigen, dass das tapsige Duo ein Spitzenteam auf Abruf ist. Weniger Aufbruch war nie als unter diesen biederen Abbruchverwaltern. Derzeit werden für die SPD rund 13 Prozent bundesweit und 15 Prozent in Berlin, 10 Prozent in Thüringen, 7 Prozent in Bayern aufgerufen. Schwer vorstellbar, dass ein fortgesetzter Niedergang der CDU auf das Punktekonto der SPD einzahlt.

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Armin Latell | Fr., 14. Februar 2020 - 08:51

Zusammenfassung des Zustandes dieser grenzenlosen Region Mitteleuropas. Über lange Zeiträume konsequent bewusst herbeigeführt, die Endzeit der Demokratie und des Rechtsstaates eingeläutet durch den größten Fehler des Helmut Kohl, auf den Weg gebracht durch einen Wähler, der von der 4. Macht MSM bis heute absichtlich lückenhaft oder gar falsch informiert wird, die vom Informationsdienstleister zum Meinungs- und Haltungsverbreiter, zum Volksbelehrer mutiert ist.
Herr Kissler, Sie haben wirklich eine besondere Gabe, Sachverhalte in sehr gut gewählten Wort- und Satzkonstruktionen verständlich, mit einem ordentlichen Schuss Sarkasmus und Ironie, auf den Punkt zu bringen. Danke für diesen Beitrag.

Werter Herr Latell,

ich schließe mich einfach Ihren gut gewählten Worten, voll des Lobes für Herrn Kissler, an.

Solche Artikel lassen hoffen.
Diesen Blick auf das gr. Ganze müsste doch eigtl. auch bei Anderen vorhanden sein.
Die müssten sich nun nur noch trauen auch entspr. zu handeln.

Wolfgang Schneider | Fr., 14. Februar 2020 - 09:01

Eine brillante Beschreibung des erbärmlichen Zustandes, in dem sich unser Land befindet!

Stefan Jurisch | Fr., 14. Februar 2020 - 09:06

einem einzigen Artikel komplett in den Balken eingeschlagen! Mehr muss man dazu eigentlich nicht mehr sagen.

Herr Kissler, Sie erfassen mit diesem Artikel das ganze Elend dieses Landes in einer derart treffsicheren Weise. Wenn man täglich die Einzelaspekte betrachtet, wird einem ja schon mulmig, aber so zusammengefasst, gerät man wirklich ins Gruseln. Diesen Erkenntnisreichtum auf einen Schlag wünsche ich mal wirklich ALLEN Politikern, damit diese endlich mal erkennen, was sie in diesem Land anrichten.

"Made in Germany" war mal gedacht als Kennzeichen, um Menschen davon abzuhalten, deutsche Produkte zu kaufen, entwickelte sich aber zu einem Qualitätssiegel. Heute, Jahrzehnte später, haben ausgerechnet UNSERE Regierenden es geschafft, aus diesem Qualitätssiegel genau das zu machen, was es ursprünglich mal sein sollte.

Wir uns unser Land werden von jenen, deren Aufgabe es ist, zu unserm Wohle und des des Landes zu arbeiten, zu einer internationalen Lachnummer demontiert!

Christa Wallau | Fr., 14. Februar 2020 - 09:09

Ihre messerscharfe Analyse u. Ihr Appell an Vernunft u. Sachlichkeit tun unendlich gut, auch wenn Ihre Worte nicht jene erreichen dürften, an die sie vor allem gerichtet sind:

"Deutschland kam sein republikanischer Geist abhanden."
"Wo Bürger waren, sind Anspruchsberechtigte."
"Wo Freiheit sein könnte, fletscht das Kollektiv seine Zähne."

"Heute ist jede Moral politisch, und Moral lauert überall." "Das Regiment der Tugendbolde schläft nie."

"Deutschland ist auch eine Bildungsnation auf Abruf." "Wer schlechte Leistungen schlechte Leistungen nennt, diskriminiert die Dummheit. Oder führt Böses im Schilde." "Wer Unterschiede feststellt, verstößt gegen das einzige Dogma, das nicht bezweifelt werden darf: daß jeder Mensch ein Bündel an Kompetenzen sei, die es wertzuschätzen gelte, unbedingt."

"Die Energiewende ist ein Scheitern mit Ansage."

"EIN LAND AUF ABRUF BRAUCHT NEUE ANTWORTEN. UND DIESE KÖNNEN NICHT AUS DEM GEIST BESCHAFFEN SEIN, DER DEN ABRUF INS WERK SETZTE."

Wie wahr!!!

Diese Ruck-Rede von Herrn Kissler müsste man eigentlich von unserem Bundespräsidenten erwarten, der sich in dieser historischen politischen Krisensituation zunehmend das Motto von Hape Kerkeling zu eigen zu machen scheint: "Ich bin dann mal weg!"
Bei unserer "Alternativlosen" gewinnt man ohnehin zunehmend den Eindruck, dass sie mit diesem Land bereits "fertig" hat und sich bei ihren häufigen Auslandsreisen auf die Suche nach einem gemütlichen Altersruhesitz begibt.
Der schleichende Niedergang Deutschlands hatte seinen Ursprung am 18. September 2005.

...Landeten die Jakobiner ganz richtig unter dem Fallbeil.Jene Strafe,welche sie den "Gegnern"zugedacht hatten.Wir brauchen heutzutage kein Fallbeil und keine Robespierristen mehr,sondern mutige Leute,die diesem Mummenschanz ein gebührendes Ende setzen.Nicht mehr,nicht weniger.

Christa Wallau | Sa., 15. Februar 2020 - 11:56

Antwort auf von Wolfgang Sulzer

Aber sie werden verteufelt.
So wie es der Kirche gelungen ist, jahrhundertelang kritische und reformatorische
Stimmen von Menschen immer wieder zu unterdrücken, so gelingt es heute
den neuen, laizistischen Moral-Despoten in Deutschland (= Kombinat aus Politik und Medien) alle Menschen zu Teufeln zu erklären, die A l t e r n a t i v e n zu ihrem Denken und Handeln anbieten.

Man muß schon sein Vaterland und das, was man als wahr und richtig erkannt hat, sehr lieben, wenn man sich als anständiger Mensch (o h n e Schielen auf persönliche Vorteile und Bereicherung!) diesem mächtigen Gegner offen stellt -
aber das hat 2013 Herrn Prof. Dr. Bernd Lucke und seine honorigen Mitstreiter nicht
davon abgehalten, m u t i g eine neue Partei zu gründen.

Wenn es auch nur den Hauch einer Zustimmung und eines Verständnisses gegeben hätte, wäre die AfD heute eine a n d e r e Partei.
Aber der mächtige Zeitgeist hat es verhindert.

So viel zum Thema "Mut".

helmut armbruster | Fr., 14. Februar 2020 - 09:19

vielen Dank Herr Kissler, dafür, dass Sie die Misere unseres Landes so deutlich auf den Punkt gebracht haben.
Wir brauchen einen Reset, der uns einen Neuanfang ermöglicht. Dazu braucht es ein klares Urteil und jede Menge Entschlusskraft. Man darf bezweifeln ob von beidem in der politischen Führung genug vorhanden ist.
Falls der Reset nicht statt findet oder nicht gelingt, können wir uns auf eine Implosion von Staat und Gesellschaft gefasst machen (man denke an das Ende der DDR) und dann wird ein neuer Schabowski verkünden, dass es die BRD nicht mehr gibt. Wie es dann weitergehen wird mag ich mir gar nicht ausmalen...

Maja Schneider | Fr., 14. Februar 2020 - 09:27

Großartig, lieber Herr Kissler, Ihre Analyse eines Landes"ohne Ambitionen", wie im Cicero vor einiger Zeit in einem Beitrag zu lesen war, und ohne Anspruch, dazu gespalten, wie es eigentlich kaum schlimmer sein kann.

Hans Schäfer | Fr., 14. Februar 2020 - 09:31

Ich finde, ein hervorragender Artikel von Herrn Kissler.
Bin mir aber nicht sicher ob Mein KO veröffentlich wird, bzw. nach einer Veröffentlichung nach 2 Tagen nicht wieder verschwunden ist, wie es bei 4 KO plötzlich der Fall war.

Ellen wolff | Fr., 14. Februar 2020 - 09:31

Die Menschen scheinen ziemlich viele Ängste zu haben. Ja, sie haben z.b. Angst davor, die Kontrolle, die sie tatsächlich nie wirklich haben, zu verlieren.

Vielleicht haben sie auch einfach nur Angst vor der Wahrheit? Kann schon sein, die Wahrheit ist ja auch nicht immer prickelnd. Und es gibt verdammt viele Wahrheiten, das verwirrt, und das mögen die Menschen nicht. Sie wollen Gewissheiten, wo es keine Gewissheiten gibt? Und dann glauben sie einfach was andere ihnen erzählen? Ja, manchmal. Sie neigen mitunter dazu, sich so lange verwirren zu lassen, bis sie nicht mehr klar denken können. Aha, und dann merken sie nicht mehr, dass sie verwirrt sind? Jo, sie glauben dann mitunter, dass sie im Besitz der Wahrheit sind. Genau, aber ganz hinten im Hinterkopf dämmert ihnen dann schon, das da was Faul ist, und das macht ihnen Angst. Ja, und das müssen sie verdrängen. Genau, daher müssen sie dann jeden, der ihre fragilen Gewissheiten in Frage zu stellen droht, bekämpfen.

Ellen wolff | Fr., 14. Februar 2020 - 09:32

Jetzt verstehe ich, umso weniger frei die Menschen sind, umso mehr müssen sie die Freiheit der anderen bekämpfen. Puh, was ein Bullshit.

Manch ein Vogel schätzt die Käfighaltung. Alles ist geregelt und ein bißchen hin und her flattern geht auch, und die Katze kann nicht rein.

Ellen wolff | Fr., 14. Februar 2020 - 09:35

Danke Herr Kissler, es ist mir immer wieder eine Freude, Ihre Artikel zu lesen.

Es fällt doch immer wieder diese Ratlosigkeit auf, wenn es darum geht dem Wandel einen diskussionsfähigen Rang zuzuweisen. Die Unsicherheit in der Bewertung ist offensichtlich. Davon sind politische Parteien nicht auszunehmen. Zunächst ist es immer eine hilflose Fixierung an alte Vorstellungen.

Durch einen Zufall habe ich gestern die Rede von Friedrich Merz im „Berlin Forum Mittelstand“ gehört. Merz problematisiert ganz anders und hatte immer den Blick für das Große und Ganze. Themen, die in der Zukunft relevant sind/werden. Selten eine derartig gute politische Rede gehört!

Friedrich Merz, wow!

gabriele bondzio | Fr., 14. Februar 2020 - 09:51

Immer mehr Geld-Skandale werden an die Oberfläche gespült. In denen auch gerade die SPD (siehe derzeit Hamburg Cum-Ex-Deals) eine unrühmliche Rolle mitspielt. Reden und Handeln im krassen Widerspruch.
Die Moral ist nur für das Volk gedacht und da liegt es auch nicht fern, das Bildungsniveau so anzupassen. Das die Durchschaubarkeit komplexer Vorgänge sinkt. Optimal wäre eine Bürger, der brav seiner Arbeit(sofern er welche hat) erledigt. Brav seine (steigende) Steuerlast beim Staat abliefert und ansonsten nichts mehr hinterfragt.Und die „Experten“ schalten und walten lässt. Einen Bürger, den man so manipulieren kann, dass auch Wahlen (sofern sie noch beabsichtigt sind) kein Problem mehr stellen.

Dieter Freundlieb | Fr., 14. Februar 2020 - 09:59

Ich würde fast jede von Herrn Kissler gemachte Aussage zu den gegenwärtigen Zuständen in Deutschland unterschreiben. Wenn er allerdings sagt, dass Deutschland der republikanische Geist abhanden gekommen ist, dann möchte ich erwidern: "Da ist nichts abhanden gekommen, weil es diesen Geist in der deutschen Geschichte nie gegeben hat." Oder jedenfalls wenn überhaupt, dann nur bei einigen kleinen Minderheiten zu unterschiedlichen Zeiten.

Leider haben sich nun seit 2015 die Zustände in unserem Land noch einmal drastisch und mit großer Geschwindigkeit verschlechtert. Die Gründe dafür liegen aber nicht NUR in der desaströsen Migrationspolitik unserer Kanzlerin. Das liegt auch an der bei Deutschen immer noch verbreiteten Einstellung, dass Regierungen und mehrheitlich gewählte politische Parteien nicht nur rechtsstaatliche Rahmenbedingungen für die individuelle Entfaltung freier Bürger sicherstellen, sondern den Bürgern auch vorschreiben dürfen und sollen, was gut für sie ist.

Das Erbübel in Deutschland scheint mir eher darin zu bestehen,daß man die Obrigkeit schon lange nicht mehr Ernst nimmt,aber ihr trotzdem folgt.Bismarck 1870;"Setzen wir Deutschland sozusagen in den Sattel.Reiten können die Deutschen von allein..."11 Jahre später;"Dies Volk kann nicht reiten,e.c.t."Gut erkannt.Aber um seinen Landsleuten zu zeigen,wie das geht,war er der Letzte.Stattdessen,ähnlich wie heute mit der AFD,SPD diskriminieren,verfolgen,Semi-Verbot e.c.tEr plusterte die Spd zu einer unwiderstehlichen Massenpartei auf.Jede Politik-Epoche braucht wohl eine negative Kraft für die eigene Moral.

Jürgen Keil | Fr., 14. Februar 2020 - 10:14

Dem ist von mir nichts hinzuzufügen. Ich sehe die Probleme genau so.

Dieter Freundlieb | Fr., 14. Februar 2020 - 10:18

Einige Leser werden jetzt Herrn Kissler vorwerfen, dass er vielleicht eine korrekte Zustandsbeschreibung gegeben hat, aber weder eine hinreichende Erklärung dafür, was genau die Ursachen für diesen Zustand sind, noch wie er überwunden werden kann.

Aber das ist leicht gesagt. Als pensionierter Hochschullehrer mit viel freier Zeit frage ich mich das selbst nahezu täglich.

Man kann da viele Vermutungen anstellen. Aber ich kenne keine wirklich überzeugende. Es fehlt überall an dem, was man etwas vage Urteilskraft nennt. Und die seit Jahrzehnten andauernde Bildungsmisere hat sehr viel damit zu tun. Für Urteilskraft ist sowohl ein gutes Allgemeinwissen wie auch die Fähigkeit zu kritischem Denken notwendig. Weder das eine noch das andere wird unseren Schülern in ausreichendem Maß vermittelt. Statt Bildung im ursprünglichen Sinn als Ziel einer Persönlichkeitsentwicklung sollen Schüler 'Kompetenzen' lernen. Aber auch dafür muss es ja Ursachen geben. Welche das sind? Ich weiß es nicht.

Wolfgang Tröbner | Fr., 14. Februar 2020 - 10:37

Danke, Herr Kissler, für Ihren wie immer exzellenten Artikel, dem eigentlich kaum etwas hinzuzufügen ist. Ich habe nur eine kleine Anmerkung zur "Moral". Vielleicht täusche ich mich, aber ich habe den Eindruck, dass die "Moral" hauptsächlich von denjenigen gegen politischen Kontahenten in Stellung gebracht wird, die selber am allerwenigsten Grund dazu hätten. Anders ausgedrückt: Politiker, deren Handeln häufig genug nicht von Moral geprägt ist (die also unmoralisch agieren) werfen der Gegenseite vor, ihr Handeln lasse "Moral" vermissen. Man konnte das gerade in dieser Woche sehr schön in diversen Talkshows besichtigen, als z.B. bestimmte politische Gruppierungen anderen Machtgeilheit vorwarfen und nur aus dem simplen Grund, weil ihnen gerade lukrative Posten weggenommen wurden. Aber das ist nur ein kleines Beispiel von vielen anderen. Mit dem Ausruf "Haltet den Dieb" kann der Hütchenspieler eben gut vom eigenen Handeln ablenken.

Markus Michaelis | Fr., 14. Februar 2020 - 10:53

Ich sehe es ähnlich wie der Artikel. Allerdings sehe ich auch, dass niemand versteht, wie Gesellschaft funktioniert oder auch nur nach welchen Parametern man das messen könnte.

Ich denke ein erster Schritt wäre es anzuerkennen, dass viele gesellschaftliche Veränderungen mehr im Sinne eines eher blinden Evolutionsprozesses ablaufen, als durch Einsicht und nachvollziehbare Kausalitäten gesteuert.

Jede politische Begründung für irgendeine Aktion (mehr Geld für X, mehr Personal für Y, mehr Gesetze für oder gegen Z) geht immer vom bestehenden System aus, das gedacht so bleibt wie es ist, nur an ein paar isolierten Stellen will man korrigieren. Wie die Summe der Änderungen ineinandergreift und was daraus wird, ist für jeden (einschließlich aller Thinktanks, Experten etc.) vollkommen jenseits des Nachvollziehbaren.

Meine Konsequenz daraus wäre es, die "universellen Werte" etwas zurückzufahren und etwas mehr zu betonen: "wir hier haben gerade diese Vorlieben und Sichtweisen".

Martina Moritz | Fr., 14. Februar 2020 - 11:14

Beängstigend und leider absolut bis in die letzte Zeile wahr und tatsächlich, was Sie schreiben Herr Kissler. Und ebenfalls leider, dass es nicht mehr Vertreter dieser offenen Worte, vor allem unter den praktizierenden Vertretern unserer PolitikSchaffenden gibt. - wobei die Bezeichnung Schaffende, eine gewisse Ironie beinhaltet. Denn geschafft wird aktuell tatsächlich wenig in unserem Land; mal abgesehen vom großen Knüppelwerfen, was den Lauf einer offenen und geistreichen Diskussionskultur gar nicht erst entstehen bzw. zulässst. Dies auf allen Ebenen unseres Gesaellschaftsgefüges. Was aber das zumeist beängstigende Phänomen unserer Zeit ist, dass vermeindlich gestandene, erwachsene Personen - erwachsen im Sinne von gewachsen in ihrer (gesellschaftlichen) Rolle - sich durch "dududu und buhbuhbuh" Rufe anders positionierter einfach so und ohne plausible Erklärung in ihrer Haltung zu 100 % umkrempeln lassen. - weshalb?: allgemeine Angst vor Abwertung der eigenen Person/soz. Nachteilen.

Norbert Heyer | Fr., 14. Februar 2020 - 11:16

Sehr schonungsloser und offener Artikel über den Ist-Zustand in unserem Land. Wenn man die bereits eingetretenen und noch folgenden Schäden an unserer Gesellschaft überdenkt, hat man für die Zukunft keine großen Hoffnungen. Wir haben eine Kanzlerin, die viele katastrophale Entscheidungen getroffen hat. Minister, Staatssekretäre, Abgeordnete, Unternehmer, Interessenvertreter und Experten ... niemand hat nachhaltig Einspruch eingelegt, kritische Fragen gestellt. Die Medien haben eine wohlwollend-unterstützende Linie vertreten, allen geht es gut ... alles bestens. Moral über Realität,
Toleranz bis zur Selbstverleugnung statt konsequentes, gesetzmäßiges Handeln. Im Gegenteil: Die im Bundestag die Missstände
Ansprachen, wurden verlacht, verhöhnt, isoliert. Unsägliche Fernsehdebatten vertraten in der Mehrzahl die einzig wahre, politisch-korrekte Einheitsmeinung.
Wenn eine solche Politik ohne notwendige Korrektur jahrzehntelang vorexerziert wird, kommt man in das jetzt sichtbare Dilemma.

Klaus Damert | Fr., 14. Februar 2020 - 11:39

DDR 2.0, anders kann man das kaum bezeichnen, was aktuell abläuft. Allerdings werden die Stasiknäste z.Z. noch mit offenem Vollzug betrieben. Vor der Zukunft kann einem nur noch grauen - und es wird erst einmal noch viel schlechter werden, ehe Ansätze zur Besserung kommen können. Hoffen wir auf einen friedlichen Wandel, allerdings spricht die Erfahrung dagegen.

gerhard hellriegel | Fr., 14. Februar 2020 - 11:43

Richtig ist, dass wirtschaft, politik und gesellschaft lahmen. Aber liegt das wirklich daran, dass sie zu moralisch wären? Hat nicht die autoindustrie ganz sorgfältig ihre software installiert und der staat genau so sorgfältig nicht geprüft? Wurden also entwicklungen verschlafen, weil die zu moralisch waren oder warum sonst? Das problem des kapitals ist, dass es bei strafe des eigenen untergangs soziale beziehungen zerstören muss. Das problem der politik sehe ich darin, dass sie sich bei strafe der abwahl als förder- und reparaturbetrieb des kapitalspiels betätigen muss, das aber nicht zugeben darf. Das problem der gesellschaft - auch meines - ist, dass sie der junkie dieser verhältnisse ist, also das soziale zerstörungspotezial ignorieren, leugnen oder auf irgend jemanden projizieren muss. Wollt Ihr den totalen markt, einen markt, der alles kommerzialisiert, bei dem alles marketung-strategie ist, dann antwortet mit: ja, ich will.

W.D. Hohe | So., 16. Februar 2020 - 11:26

Antwort auf von gerhard hellriegel

...wohl, Herr Hellriegel. Richtig ist auch Ihre Betonung des "systemischen muss`" Beunruhigend dazu die naheliegende Antwort zur Frage:
Schafft sich ein System selbst ab ?
Würden Sie sich abschaffen?
Würde ich mich abschaffen ? MfG

Gerhard Schwedes | Fr., 14. Februar 2020 - 11:49

Lieber Herr Kissler! Mit diesem Artikel haben Sie dem Gespenst, das durch Deutschland geht, die Maske heruntergenommen. Es ist das wieder aufgetauchte Gespenst der 68-er, das sich nach einer zwischenzeitlichen Niederlage hinter Vorhängen und in Kisten versteckt hielt und plötzlich wieder fröhliche Urständ feiert. Die Migrationskrise war das Glöcklein, das es wieder aus der Deckung hervorgeholt hat. Jetzt rächt es sich, dass es nie eine wirkliche Auseinandersetzung mit dieser Zeit gegeben hat. Es ist eine alte psychologische Weisheit: Was verdrängt wird, kehrt wieder.

Noch eine Bemerkung zu Ihrer Sprache, lieber Herr Kissler: Sie schaffen es, die deutsche Sprache zum Klingen zu bringen - und dies ausgerechnet als Journalist. Ich bin sehr beeindruckt. Allerhöchstes Niveau!

Thomas Mank | Fr., 14. Februar 2020 - 11:52

„Das Regiment der Tugendbolde schläft nie“ - Das ist alles, leider!, sehr richtig analysiert und beschrieben. Wie „wir“ aus der Nummer wieder rauskommen ist mir allerdings nicht klar. Außer einer inneren Emigration in vielen Bereichen fällt mir zur Zeit nichts ein. Was aber natürlich keine gute Lösung ist, ich weiß.

Gerhard Schwedes | Fr., 14. Februar 2020 - 17:15

Antwort auf von Thomas Mank

Als jemand, der sich offen zur AfD bekennt, hätte ich sehr wohl einen Lösungsvorschlag. 1. Eine Lösung kann nur eine politische sein. 2. Die AfD ist der Schlüssel und gleichzeitig das Hindernis für eine Lösung. Warum Schlüssel? Sie ist die einzige Partei, die offen und ohne falsche Rücksichtnahmen die Finger auf die Wunden zu legen vermag - was sie im Übrigen auch tut. Die etablierten Parteien sind dazu unfähig, weil sie sich schon viel zu sehr die Hände schmutzig gemacht haben. Warum ist die AfD gleichzeitig Hindernis? Weil sie tatsächlich braune Ränder hat, was ihrem Vorankommen im Wege steht. Aus eigener Kraft schafft sie es nicht, ihren rechten Ränder auszuschalten. 3. Folgerung daraus: Der AfD-Wähler muss diese Reinigung selbst vornehmen. Für Thüringen bedeutete dies: Höcke die Stimme verweigern und sie einmalig der FDP zukommen lassen. Verlöre Höcke sehr deutlich an Stimmen, würde dies seinen Flügel mit Sicherheit schwächen und den Bürgerlichen in der AfD Auftrieb verleihen.

Gisela Fimiani | Fr., 14. Februar 2020 - 13:15

Am Beklagenswertesten scheint der eklatante Mangel an historisch kultureller Bildung zu sein, dessen sich Politiker aller Parteien entlarven. Von Brok über Lambsdorf.....man kann Liste fortsetzen, melden sich Politiker mit Aussagen zu Wort, die man mit Entsetzen zur Kenntnis nimmt. Ist es verwunderlich, dass ein Gemeinwesen dem Ver-und Zerfall entgegen geht, wenn der Bildungs-, Denk- und Verantwortungs-Notstand der„Eliten“ sich in der Gesellschaft fortsetzt? Wes Geistes Kinder sind diese selbsternannten Moralisten? Wo sollen die „Antworten“ herkommen, wenn Dilettanten und Feiglinge den Kampf für die freiheitlich bürgerliche Demokratie nicht aufnehmen? Wenn man die Realität verweigert, weil man ihr nicht gewachsen zu sein scheint. Wenn man sich aus Furcht vor dem Verlust des eigenen Postens, in Phrasen und Euphemismen flüchtet. Der womöglich überwiegende Teil dieser „Eliten“ hat außer „Politik“ wenig gelernt und ist auf die öffentliche Versorgung dringend angewiesen. Deutsche Realität.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 14. Februar 2020 - 13:22

Danke Herr Kissler für diese weitreichende und knallharte zutreffende Analyse. Wir sind demnach hier im Forum nicht allein, die unser Deutschland an der ein oder anderen Stelle genauso oder ähnlich einschätzen, wie Sie es tun. Was Sie hier feststellen Herr Dr. Kissler, dass denken inzwischen viele Menschen. Nicht nur hier im Forum, sondern auch in anderen Foren anderer Onlinemedien, wenn sie denn nicht zensiert werden und zu Wort kommen.
Wir müssten alle nur lauter werden, in der sachlichen und stringent inhaltlich ausgerichteten Argumentation gegen den Alltagswahnsinn. Ich sage mal, wir älteren können das noch. Die inzwischen alle zu 1er Abiturienten mutierten, ferngesteuerten und mittels App kontrollierten und sich via Twitter outenden bevormundeten fremdbestimmten Hysteriker, die sind verloren. Da wurde über Jahrzehnte auch hingearbeitet. Die Gesellschaft soll das Niveaue der Politik erreichen. Nein, da mache ich nicht mit. Ich will nicht unter dem Teppich nicht Rollschuh laufen.

Josef Olbrich | Fr., 14. Februar 2020 - 15:14

Brillante Analyse. Danke. Wie konnte es soweit kommen? Nach meiner Erfahrung ist die linke Gedankenwelt Ursache des Niedergangs. Alle Men-schen sind gleich! Doch schon im Altertum wusste man, diese Gleichheit gilt nur vor dem Gesetz. Denn die Evolution hat uns Menschen als Indivi-duum erschaffen – jeder einzigartig. Und durch die menschliche Entwick-lung, die Sesshaftwerdung der Menschen, hat sich ein System entwickelt, welches wir heute als Kapitalismus kennen. Leider ist es durch die über-bordende Verantwortungslosigkeit (Gier) der Akteure im System, zu einer Gegenstrategie gekommen – die Kopfgeburt des Sozialismus. Kopfgeburt deshalb, da diese sich nicht evolutionär entwickelt hat. Nun lässt sich in solchen sozialistischen Gedankenspielen, die Moral als Keule, leicht bedienen.

Josef Olbrich | Fr., 14. Februar 2020 - 15:15

Da aber die Menschheit den Gesetzen der Evolution unterliegt, bildet sich ein Ungleichgewicht zwischen dem Sein und dem moralischen Anspruch an das sozialistische Leben, indem alle Menschen gleich seien. So senkt man den Anspruch, um diese Ziel zu erreichen.

Lisa Werle | Fr., 14. Februar 2020 - 17:28

Ach ist das gut, dass es den Cicero gibt - und die vielen brillanten Cicero-Journalisten. Befreiendes Lesen statt 'betreutes Denken' ist jeden Euro wert.

Maria Fischer | Fr., 14. Februar 2020 - 17:31

Der Film ist bezaubernd!
„Die Koalition für moralische Ordnung“ von Senator Kevin Keeley brach in sich zusammen.
Moral ist ein „sandiges“ Fundament und das ist gut so.

Dietrich Bomm | Fr., 14. Februar 2020 - 17:32

Ein Verbot der Grünen würde die Innovationskraft in Deutschland schlagartig verdoppeln.
Ein Verbot der SPD und Linken würde die Verantwortung des Einzelnen für sich selbst schlagartig verdreifachen.
Ein Verbot von CDU/FDP würde die Politprostitution beenden.
Ein Verbot der AFD würde den hohen Akademikeranteil in der Politik reduzieren und zur Auflösung des Linksblocks aus CDU/SPD/FDP/Grüne/Linke führen.
Nach diesem Reset machen wir einen Neuanfang.

Hans-Jürgen Salza | Sa., 15. Februar 2020 - 08:53

... nennt man das wohl.
Das ist für mich ein Grund, für CICERO zu bezahlen. Ich sage einfach:
DANKE und WEITER SO.

Urban Will | Sa., 15. Februar 2020 - 10:48

von Beiträgen mit ähnlicher Thematik hier im CO.

Mahnende Stimmen, freies Denken, klare Analyse, das ist wichtig.

Aber es scheint nichts zu bewirken, das Narrenschiff fährt weiter auf Kurs.
Das einzige, was es aufzuhalten scheint, ist der Eisberg, der irgendwo auf uns wartet.

Vorher wird sich nichts tun, die Macht des Infantilen ist stark, sie hat große Teile der Gesellschaft übernommen, wir sitzen in der Falle.

Ähnlich wie im Sumpf. Wenn man sich bewegt, um wieder heraus zu kommen, geht man noch schneller unter.
So bleiben viele erstarrt und warten und hoffen (?).

Auf was eigentlich?

Wir haben vor einiger Zeit begonnen, Sicherheit über die Freiheit zu stellen.

Das war der erste Schritt weg von der Aufklärung, der Vernunft, hin zur ängstlichen Phrasenrepublik, einer Gesinnungsethik verpflichtet, entworfen von einem Mainstream, der sich entwickeln konnte, weil freies Denken vielen einfach zu lästig wurde.

Reinhard Benditte | Sa., 15. Februar 2020 - 14:30

Ich glaube, man kann den desolaten Zustand in Deutschland aber auch mit drei Worten zusammen zu fassen:
Am Wohlstand verblödet!

Brigitte Kohlberg | Sa., 15. Februar 2020 - 22:27

...exzellent und kompakt beschrieben, da sitzt jedes einzelne Wort. Danke! Angst und bange wird mir allerdings, wenn ich an die Antwort denke auf die Frage, ob man das Ruder noch rumreißen kann...

Henner Majer | Sa., 15. Februar 2020 - 22:58

Aber so lange Bundespräsidenten Rock-Bands auszeichnen, die Gewalttaten hymnisieren, EZB-Präsidenten höchste Auszeichnungen erhalten, die die Sparer um Hunderte Milliarden und das Land um Billionen Euro ärmer gemacht haben und Bundes- und Länderregierungen linke Schlägertrupps allerorten wegretuschieren - so lange ist keine Besserung in Sicht.