Konfliktherd Libyen: Die Europäer nimmt keiner mehr ernst / picture alliance

Krieg in Libyen - Showdown am Mittelmeer

Seit Jahren tobt in Libyen ein Konflikt, der sich zum größten Stellvertreterkrieg des Nahen Ostens ausgeweitet hat. In Deutschland interessiert man sich nur dafür, wenn wieder Tausende Flüchtlinge über das Mittelmeer kommen. Dabei ist die Sicherheit von Europa unmittelbar bedroht.

Guido Steinberg

Autoreninfo

Dr. Guido Steinberg ist Islamwissenschaftler und forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin u.a. zum politischen Islam und zum Terrorismus.

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Der Bürgerkrieg in Libyen findet in Deutschland meist nur wenig Interesse – es sei denn, größere Zahlen von Flüchtlingen drohen das Mittelmeer in Richtung Europa zu überqueren. Dabei sind die Auswirkungen des Staatsverfalls in dem nordafrikanischen Land seit 2011 dramatisch. Erst befeuerten Waffen und Söldner infolge des Zusammenbruchs des Gaddafi-Regimes Konflikte in der Sahelzone, die sich heute bereits zu einem Flächenbrand ausgeweitet haben.

Dann setzte sich in Libyen ein besonders starker Ableger der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) fest, der erst nach verlustreichen Kämpfen 2016 zerschlagen werden konnte. Außerdem nutzten Hunderttausende afrikanische Flüchtlinge die Gelegenheit, über das Territorium des zerfallenden Staates den Weg über das Mittelmeer nach Europa anzutreten. 

Die Machtlosigkeit der EU 

Seit einigen Monaten versucht Europa zwar etwas intensiver auf den Konflikt einzuwirken, doch zeigt sich jetzt, wie machtlos die EU ist, seit die USA sich nicht mehr um Libyen kümmern. Lange waren es Regionalstaaten wie Katar einerseits und die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten andererseits, die das internationale Desinteresse an Libyen nutzten und mithilfe lokaler Verbündeter einen Stellvertreterkrieg auf kleiner Flamme führten.

Da es sich ausnahmslos um prowestliche Staaten handelte, missfielen ihre Auseinandersetzungen den Europäern zwar, stellten aber keine unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit des Kontinents dar. Mit den jüngsten Interventionen Russlands und der Türkei hat sich diese Ausgangslage geändert. Die Aussicht auf russische und türkische Militärstützpunkte am Südufer des Mittelmeers, von denen aus Ankara und Moskau nicht nur Öl- und Gasströme nach Europa kontrollieren können, sondern auch Flüchtlingsbewegungen, haben den Europäern den Ernst der Lage vor Augen geführt. Doch die EU ist außen- und sicherheitspolitisch viel zu schwach, die Mitgliedstaaten zu uneins und Deutschland als wichtigste Macht des Kontinents zu wenig sicherheitspolitisch interessiert, um das Ruder noch einmal herumzureißen.

Im Gewimmel der Milizen

Der libysche Bürgerkrieg war nie so intensiv und opferreich wie der in Syrien. Vielmehr war es ein Konflikt mit Unterbrechungen, der 2011 begann, 2014 bis 2015 für einige Monate eskalierte und 2019 erneut einsetzte. In den Zwischenphasen kam es zwar immer wieder zu Kämpfen, wie etwa gegen die Terroristen des IS, die 2015 bis 2016 einen Ministaat rund um ihre libysche Hauptstadt Sirte aufbauten. Doch dominierten zahlreiche Milizen das Geschehen, die alle so schwach waren, dass größere Kampfhandlungen meist ausblieben. 

Die teils erstaunliche Schwäche der Kontrahenten ist bis heute eines der wichtigsten Merkmale des Bürgerkriegs. Dies galt auch für die „Truppen“ General Khalifa Haftars, der sich als neuer starker Mann Libyens präsentiert und im April 2019 die bis heute andauernde Phase des Bürgerkriegs einleitete, indem er einen Großangriff auf die Hauptstadt Tripolis startete, der ihm die Macht im Land sichern sollte. Der heute 77 Jahre alte Haftar war ein Weggefährte Muammar al Gaddafis, hatte aber schon Ende der achtziger Jahre mit dem Diktator gebrochen.

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Christa Wallau | Do., 6. August 2020 - 09:09

Es sind jetzt nicht mehr in erster Linie die USA, die diese Politik im Nahen Osten betreiben, sondern Putin, Erdogan und - wie schon immer - die Machthaber vor Ort. Die Motive aber sind die gleichen, auch wenn seitens der Amerikaner stets "Demokratisierung" vorgeschoben wurde. Da sind
andere ehrlicher! Es geht um Macht, Wirtschaft u. kulturelle Hegemonie. Was in diesem ewig gleichen Kampf auf dieser Erde die sog. "Politik" Deutschlands bewirken soll, will/wird sich mir nie erschließen: Appelle, Beschwichtigungen, Konferenzen und -zum eigenen Schaden- Aufnahme von Millionen Menschen aus dem nahöstlichen Raum! Mehr bringt unsre Regierung nicht zustande. Eine jämmerliche Veranstaltung!
Denn die Zuwanderer destabilisieren hier die
Gesellschaft so, daß wir in Zukunft ähnliche Verhältnisse wie im Libanon zu erwarten haben. Die unterschiedlichen feindlichen Gruppen importieren wir ja alle! Bereits jetzt haben wir den türkisch-kurdischen Konflikt im Lande.
Wem ist eigentlich damit geholfen?

dem Lieblingsthems der AfD, ja im Grunde DAS Thema der AfD überhaupt (neben dem ÖR, der EU und neuerdings Corona), an dem sich die Rechtsextremisten jeden Tag erschöpfen...

wenn es doch eigentlich um Libyen geht!

Egal, s bisserl indirekte Wahlwerbung für die AfD muss schon drin sein!

Reden wir doch mal von dem Despoten Gaddafi, der von einer Koalition der Willigen ohne jeden Plan danach, weggebombt wurde. Unter humatitären Gesichtspunkten ist es natürlich begründbar, einen solchen menschenverachtenden Tyrannen unter Mißachtung internationalen Rechts zu verfolgen. Seine Ermordung erfolgte dann ja auch nicht durch die Koalition, sondern durch sein gepeinigtes Volk. Nur, Gadaffi war ein Bollwerk gegen die illegale Migration aus Afrika, in der Vergangenheit Grund genug, über Menschenrechtsverletzungen in Libyen über Jahrzehnte hinwegzusehen. Und nun? Nun haben wir den Salat, einen failed State mit marodierenden Banden, deren Geschäftsmodell Flüchtlingstransporte mit williger Unterstützung von Rakete etc. sind. Politik besteht manchmal aus schmutzigen Deals jenseits der Wahrnehmung von Wählern. Und wir können froh sein, dass die in Ägypten demokratisch gewählten Muslimbrüder 2013 von Sisi gestürzt wurden, sonst hätten wir dort ein zweites Libyen, zynisch - aber wahr.

Gerhard Lenz | Do., 6. August 2020 - 15:48

Antwort auf von Manfred Bühring

Wenn ich Sie richtig verstehe ist Ihnen jeder Despot recht, gleich ob er mordet, foltert, sein eigenes Volk unterdrückt usw.
Wichtig ist, nur, dass uns dank dieses Despoten der Zuzug von Flüchtlingen erspart bleibt.

Mit anderen Worten: Der Rest der Welt kann ruhig verrecken, Hauptsache wir können es uns gemütlich machen, wie die Made im Speck. Und bitte kein FLüchtlingsheim in der Nähe, dass ja möglicherweise den Wert unseres schönen Eigenheims beeinflussen könnte.

Denn wahrscheinlich haben wir unsere schönen Autos und sonstigen Exportprodukte auch nach Libyen verkauft.

Es geht nicht um Gadaffi. Es geht um Machtinteressen , auch und vor allem der Grossmächte, die eine friedliche Lösung in Libyen unmöglich machen.

Hallo Herr Lenz!

Zitat:
"Es geht nicht um Gadaffi. Es geht um Machtinteressen , auch und vor allem der Grossmächte, die eine friedliche Lösung in Libyen unmöglich machen."

Sie haben Recht!
Gaddafi lebt bekanntlich nicht mehr und fand wohl ein grausames Ende, es wird kolportiert, dass er nicht erschossen, sondern gepfählt wurde.
Mein Posting qua Gaddafi wurde geschaltet, bei Interesse können Sie es ja lesen.

"Eine friedliche Lösung" in Libyen?
Herr Lenz, es gibt für kein einziges arabisches Land eine friedliche Lösung im Sinne westlicher, europäischer Werte; das gilt auch für Afghanistan, Iran, Pakistan usw.

Lassen wir doch diese Länder einfach in Ruhe.

"Wer halb Kalkutta aufnimmt rettet nicht Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta".
Scholl-Latour, hinlänglich bekannt.

Herr Lenz, es geht nicht um den Wertverlust eines Hauses, sondern um die Erosion unseres Landes.
Niemand braucht Scharen von "inkompatiblen" jungen Männer anderer Zivilisation, anderer Sozialisation - NIEMAND!

Ihr Lieblingsthema ist die AfD. Ich habe es schon mal geschrieben.
Sie leiden an einer sehr starken Phobie.
Gibt es eigentlich ein Thema für Sie in dem die AfD keinen Platz findet?
Ich glaube eher nicht!

Gerhard Lenz | Do., 6. August 2020 - 15:42

Antwort auf von Ann-Kathrin Grönhall

wir beide haben unser jeweiliges Lieblingsthema.

Meins ist die AfD, bzw. das Warnen vor dieser rechtsextremen Partei,

Ihres bin ich.

So hat jeder seine Prioritäten.

Einen schönen Tag noch.

Vielleicht sollten Sie die sehr kenntnisreiche Darstellung des Autors nochmal lesen, insbesondere den Teil ab "Rückzug von EU und USA ebnete den Weg".
Und was soll eigentlich die Anspielung auf den Libanon? Nach allem, was man bislang weiß, liegt die Ursache für diese schreckliche Katastrophe in der unsachgemäßen Lagerung hochexplosiver Stoffe. Es ist also unredlich und eigentlich wieder mal infam, hier einen Kontext aus "Bevölkerungsaustauch" und "clash of civilizations" zu konstruieren. Immerhin: Sie bleiben sich und Ihren Methoden treu.

Yvonne Stange | Do., 6. August 2020 - 13:43

Antwort auf von Kai-Oliver Hügle

... wir werden hier in Deutschland durch die unausgegorene Migrationspolitik der offenen Grenzen bald eine Situation wie im Libanon haben. Es ging nicht um die Explosion. Das hat sehr wohl etwas mit der Lage in Libyen zu tun. Denn von dort starten die meisten Boote.

Christa Wallau | Do., 6. August 2020 - 14:07

Antwort auf von Kai-Oliver Hügle

Womit wir quitt wären.

Schönen Tag noch.

Ann-Kathrin Grönhall | Do., 6. August 2020 - 14:25

Antwort auf von Kai-Oliver Hügle

Das Frau Wallau Ihrer "Methode" treu bleibt ist ihr und auch den anderen Foristen zu wünschen.
Sie gehört eindeutig zu den intelligenten und infomierten Foristen die nie gegen andere austeilt.

Kai-Oliver Hügle | Fr., 7. August 2020 - 04:12

Antwort auf von Ann-Kathrin Grönhall

Frau Wallau ist zumindest intelligent genug, um zu wissen, dass es besser ist, sich einer textbezogenen Diskussion zu entziehen, auch wenn Sie dies in der Art eines trotzigen Kindes tut.
Steinberg legt die Versäumnisse und Mängel westlicher Außenpolitik in Libyen und mögliche Konsequenzen plausibel dar. Wer das Land Akteuren wie Putin und Erdogan überlässt, der macht sich erpressbar, da Russland und die Türkei den Migrationsdruck nun nicht nur im Nahen Osten sondern auch in Nordafrika regulieren können.
Frau Wallau hat das "übersehen" und zeichnet stattdessen das übliche Zerrbild: Die Bundesregierung labert nur und lässt Flüchtlinge ins Land, und bald wird es hier ganz schlimm.
Es ist das Narrativ der "Umvolkung" wie es von Höcke und Kalbitz vertreten wird, als deren Anhängerin Wallau sich heute einmal mehr geoutet hat.
Zur "Situation" im Libanon: Die hat in der Berichterstattung bis vorgestern überhaupt nicht stattgefunden! Natürlich war das eine Anspielung auf die Explosion.

helmut armbruster | Do., 6. August 2020 - 09:19

warum sollte er?
Das Hl. Römische Reich hat auch niemand mehr Ernst genommen. Als Zombi-Reich hat es noch eine zeitlang existiert bis Napoleon I ein bisschen gehustet hat, dann war's aus.
Man könnte aus der Geschichte lernen, wenn man nur wollte.
Ein Reich, oder eine Union wie die EU, braucht eine Zentralgewalt, welche bis in den letzten Winkel zu spüren ist. Gibt es keine Zentralgewalt zerfasert, zersplittert und verfällt alles bis vom einstigen Ganzen nichts mehr übrig ist.
Die EU-Politiker haben das nicht begriffen und träumen immer noch von einem einigen Europa ohne aber das Geringste dafür zu tun.
Was für Möglichkeiten werden hier verschenkt!
Denn eine starke, einige, verteidigungsfähige und in der Weltpolitik eine Rolle spielende EU hätte eine große Anziehungskraft und international ein großes Gewicht.
Aber Fehlanzeige. Zur Zeit sieht jeder in der EU nur eine Kuh, die man melken kann und von deren Milch er möglichst viel für sich abzweigen möchte.

Sind die vielen Beispiele zentraler Gewalt wie uns die Geschichte berichtet, das zusammenhalten vieler Ethnien unter dem Deckel einer Zentralregierung, nicht Beispiel genug um genau das abzulehnen?
EU-Zentralgewalt, EUdssR mir graut davor.

helmut armbruster | Do., 6. August 2020 - 14:00

Antwort auf von Tomas Poth

aber der Beweis ist längst erbracht, dass das erst recht nicht funktioniert. Keiner will von den nationalen Egoismen ablassen.
Einig in der Uneinigkeit, scheint die Parole zu sein.
Wenn wir also eine funktionierende EU wollen, dann bleibt nur die Installation einer Zentralgewalt, ausgestattet mit einer gewissen exekutiven Gewalt. Wenn wir das nicht wollen, sollten wir ablassen von der EU weiterhin zu träumen. Denn so wie es jetzt läuft hat die EU keine Zukunft.
Aber ohne eine EU mit Zukunftsperspektive verspielt Europa seine Chancen in der Welt.

.... Chancen in der Welt soll denn Europa sich verspielen? Träumen Sie von einer europäischen Herrschaft unter deutscher Führung? Das kommt mir sehr bekannt vor. Aber wenn man sich genau mit den Wurzeln der EU beschäftigt, wird man erstaunt sein, woher die stammen....

Hr. Armbruster, die nationalen Egoismen werden ja nicht einfach dadurch vergehen dass man eine Zentralgewalt schafft.
Die Unterschiede von Nord nach Süd, von Ost nach West, sind einfach zu groß um so etwas wie eine europäische USA zu schaffen. Die USA haben eine völlig gegensätzliche Gründungsgeschichte im Vergleich zu Europa, das über viele Epochen gewachsen ist.
Die EU in der vorhandenen Struktur ist ein gelähmter Koloss, da müssen andere Strukturen her die das ganze beweglicher machen, nur auf ganz wenige gemeinsame Ziele fokussiert. Das tägliche einerlei sollte man den einzelnen Staaten weiterhin überlassen. Zentralgewalt ist nicht das Mittel dazu, das wird nur eine Kopie des Turmbaus zu Babel.

Klaus D. Lubjuhn | Do., 6. August 2020 - 21:48

Antwort auf von Tomas Poth

Subsidiarität im Innern, aber nach außen muss die EU Stärke zeigen. Die USA fallen schon seit fast 20 Jahren aus, wer spielt denn jetzt den Polizisten im Mittelmeer? Oder meint noch jmd. WIR könnten am Hindukusch noch erfolgreich agieren? Der Westen ist überall auf dem Rückzug. Wenn aber das Mittelmeer aufgegeben wird, gibt Europa sich auf.

Juliana Keppelen | Fr., 7. August 2020 - 11:54

Antwort auf von Klaus D. Lubjuhn

sie schreiben "der Westen ist überall auf dem Rückzug" d. h. der Westen war überall schon aktiv und vor Ort (sonst könnte er sich ja nicht zurückziehen) das heißt aber auch, dass der "Westen" offensichtlich in den Ländern nichts nachhaltig Gutes, sowohl für die Länder noch für den "Westen" bewirkt hat. Wer ist überhaupt "der Westen"? ist das die Kraft die sich ständig seit Jahrzehnten in andere Länder einmischt die glaubt andere Länder nach ihren Vorstellungen gefügig zu machen sei es mit Bomben, Sanktionen oder blutigen Regime-Changes, die bestimmt wer mit wem Reden und Handel treiben darf, die bestimmt unter welcher Gesellschaftsform ein Land zu regieren sei?

Klaus D. Lubjuhn | Fr., 7. August 2020 - 19:05

Antwort auf von Juliana Keppelen

Juliana Keppelen,
vielleicht geht's so:
Europa ist kein Ort, Europa ist eine Idee. (Nicht von mir).

Christoph Kuhlmann | Do., 6. August 2020 - 09:23

Verbündete vor Ort würden mit hoher Wahrscheinlichkeit Menschenrechtsverletzungen begehen und sofort in den Focus der westlichen Presse geraten. Dasselbe bei einer eigenen Truppenpräsenz. Die Soldaten hätten dann die dankbare Aufgabe bei sich vorschriftswidrig nähernden Fahrzeugen zwischen Selbstmordattentätern und harmlosen Familien zu unterscheiden. Während der Fahrt und auf hundert Meter Entfernung. Auch würde es jede Menge Investigativjournalisten geben, die den westlichen Verbündeten alle möglichen Formen der Korruption nachweisen. In Deutschland wäre es politischer Selbstmord. Deshalb hält es sich weiter heraus.

Wer sich zu fein dünkt für die Anerkennung dieser traurigen Wahrheit,
der hält sich wirklich besser raus u. opfert freiwillig sein Schicksal dem, was andere Mächte anstellen. Im nahen Osten haben wir es mit einer Denkungsart zu tun, die nur eine Devise kennt: Kampf um jeden Preis! Keine Bereitschaft zu echten Friedensverhandlungen! Wer auch nur Ansätze erkennen läßt, sich mit dem jeweiligen Feind zu verständigen, wird umgebracht - ob in Israel, Saudi-Arabien oder Ägypten.
Unsere Kanzlerin und alle ihre Minister scheinen unfähig, realistisch zu denken u. tun vor den Bürgern so, als ließe sich mit schönen Worten u. guten Taten (Wie sie dies in Deutschland dem Volke erfolgreich suggerieren!) eine bessere Welt herstellen. Es gibt kein grundsätzliches Entkommen aus den Grausamkeiten, die sich die Menschen selber zufügen. Jedes Volk muß sich möglichst gut schützen. Das ist Aufgabe der Politik! Moral ist in erster Linie Privatsache. Jedem bleibt es unbenommen, ein Heiliger zu werden.

Juliana Keppelen | Do., 6. August 2020 - 10:34

"infolge des Zusammenbruchs des Gaddafi-Regimes Konflikte in der Sahelzone...." ist falsch.
Zuerst wurde das Gaddafi-Regime von England, Frankreich und den USA weggbombt, und wer die Reaktion der "libyschen Sieger" gesehen hat wusste was nach dem Sturz Gaddafis folgen wird nähmlich genau die Situation die heute herrscht. Selbst Herr Gaddafi hat angekündigt was passieren wird wenn er weggebombt wird.

Markus Michaelis | Do., 6. August 2020 - 11:35

Ich dachte immer wir wären eine multilaterale Großmacht, die Vertrauen genießt, zu der man das Gespräch sucht und die dann die Klärung mit herbeiführt. Wieso klappt das nicht? Vielleicht denken die meisten Menschen nicht nur 'multilateral' - oder können zumindest mit reiner Begriffsakrobatik nichts anfangen?

Ich weiß andererseits auch nicht, ob wir uns wirklich überall mehr engagieren müssen. Vielleicht sollten wir erst klären wer "Wir" überhaupt sind, dann realistisch einschätzen welche Kräfte wir haben (und insbesondere nicht haben) und dann eine passende Mischung aus Engagement und Abgrenzung wählen.

Alexander Mazurek | Do., 6. August 2020 - 12:10

... zum "nation building" auf Betreiben Frankreichs mit Hilfe UK & USA, das reichste Land Afrikas, bis zum "we came, we saw, and he died", teile und herrsche funktioniert noch heute ...

Ernst-Günther Konrad | Do., 6. August 2020 - 12:22

er hat das bereits vorher gesehen.
https://www.merkur.de/welt/wurde-gaddafi-eisenstange-gepfaehlt-zr-15310…
In Libyen bekämpfen sich nicht nur die im Artikel genannten Länder, sondern die Familien-Clans, die alle ganz persönliche Interessen verfolgen. Es gibt keine lybische Identität, seit Gaddafi tot ist, der viele Auswüchse auf grausame Art und Weise im Zaum hielt. Gut, dass er weg ist. Nur was ist dem gefolgt? Genau. Chaos und Bürgerkrieg.
Das hat Scholl-Latour kommen sehen.
Selbst in der 27köpfigen EU gibt es die unterschiedlichsten Interessen und deshalb hat es auch nie eine europäische Haltung gegeben. Eine Lösung könnte nur das Volk selbst bringen, das ist aber in Clans und religiöse machtpolitische Schweinereien verwickelt. Da wird nichts kommen.

Tomas Poth | Do., 6. August 2020 - 12:33

Wir dürfen nicht vergessen das die USA, GB und F durch ihren Eingriff 2011 Mitverursacher des seit dem herrschenden Chaos in Libyen sind!
Wie in Afghanistan, Irak, Syrien, um weitere heftige Konfliktherde zu nennen, ist es der "Westen" der hier eine destabilisierende Kraft des Problems ist.
Wenn man, unter dem Vorwand für die Freiheit zu kämpfen, keine nachhaltigen Lösungen in diesem Sinne erwirken kann, sollte man sich lieber fernhalten und die Unabhängigkeit von Öllieferungen aus diesen Gebieten anstreben!

Juliana Keppelen | Do., 6. August 2020 - 14:00

Antwort auf von Tomas Poth

dass die USA, Frankreich und GB Mitverursacher sind.
Ja das sollte man nicht vergessen.
Vergessen hat es aber der Autor, dessen Analyse beginnt erst nach dem Fall des Gaddafi-Regimes.

Sie haben Recht, aber wer alles an dem Chaos Schuld ist, ist doch inzwischen wirklich egal. Egal ist auch, welcher Warlord sich mit Hilfe welcher Dritten Partei am Ende für wir lange durchsetzt- er wird sich nur mit denselben unschönen Methoden an der Macht halten können wie seinerzeit Gaddhafi, aktuell Generalissimus Haftar oder die anderen Commandantes , deren Namen ich mir garnicht erst merke. Weder in Lybien noch links und rechts davon sind auch nur die elementarsten Voraussetzungen für eine Befriedung gegeben- die Bereitschaft maßgeblicher Spieler nämlich, ihren Clan-oder Stammesshorizont zu überwinden und stabile Institutionen zuzulassen, denen sie sich im Ernstfall auch selbst unterordnen. Die Ober-Europäer haben deshalb nur die Option, entweder endlich die Festungsmauern hochzuziehen oder sich mit unserer Transformation in einen Großlibanon namens Eur-Arabi-Ka abzufinden und möglichst viel Geld beisiseite zu schaffen für möglichst sichere Gated Communities.

Alexander Mazurek | Do., 6. August 2020 - 18:55

Antwort auf von Maria Arenz

... wer, wann, was und warum getan oder unterlassen hat. Wer alte Fehler nicht erkennt und ihre Ursachen nicht beseitigt, wird immer wieder falsch oder nicht handeln. Oder die Opfer sind dessen halt "Wert", wie lt. Fr. Madeleine Jana Korbel Albright die 500 Tsd. durch US-Sanktionen tote irakische Kinder, gell. Erkenntnis geht anders. Es sei, man will sie nicht, da Wissen und Fakten "Fortschritt" und "Demokratie" offenbar nur stören.

Bernd Muhlack | Do., 6. August 2020 - 16:22

"Ihr sollt mich recht verstehen. Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet ihr Verwirrung stiften, Bin Laden in die Hände spielen und bewaffnete Rebellenhaufen begünstigen.
Folgendes wird sich ereignen. Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa überschwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten."

Diese Worte äußerte der libysche Diktator Muamar al-Gaddafi, in einem Interview mit dem französischen Journal du Dimanche im Februar 2011. Als er diese Worte tätigte, konnte Gaddafi nicht ahnen, dass Osama bin Laden am 2. Mai 2011 von einer amerikanischen Sondereinheit auf pakistanischem Boden erschossen würde.
Noch weniger war er sich wohl bewusst, dass er selbst im Oktober des gleichen Jahres als Flüchtling im eigenen Land ein grausames Ende finden würde.

Wie sagte Scholl-Latour?
"Manchmal muss man eben auch mit Halunken paktieren, nicht wahr?"

Nicht nur Mohamed war ein Prophet!
q.e.d.

Dominik Roth | Do., 6. August 2020 - 21:20

Diese Art umfassender, gut recherchierter und gut verständlicher Texte sind es, die Cicero einzigartig machen. Hier kann man seinen Horizont erweitern und dazulernen ohne Verdacht, in eine bestimmte Richtung gelenkt zu werden. Mehr davon!

Juliana Keppelen | Fr., 7. August 2020 - 10:21

Danke für das Zitat ich habe es auf die Schnelle nicht gefunden sonst hätte ich es bei meinem Beitrag schon zitiert.
Und ja Herr Scholl-Latour hatte recht fast in allen seinen Ausführungen.
In Sachen Halunken stellt sich aber die Frage: Warum werden über Nacht aus Halunken mit denen man ganz gut paktierte plötzlich ganz "schlimme Despoten" die es gilt ohne Rücksicht auf Land und Menschen wegzubomben? Denn machen wir uns nichts vor um Humanität, Menschenrechte und Demokratie das uns als Deckmäntelchen verkauft wird geht es ganz sicher nicht. Um was es geht zeigt dieser Artikel ganz deutlich es geht um Einfluß, um Herrschafts- und Machtpolitik darum auch diese Krokodilstränen um den verlorenen Einfluß (aus eigener Blödheit) und das jetzt andere Player ungefragt (natürlich die Bösen) in dieser Region mitmischen.