Rundfunkbeitrag - „Ich kämpfe dafür, dass wir den Beitrag stabil halten"

Soll man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen: NRW-Medienminister Nathanael Liminski ist dagegen. Im Cicero-Interview erklärt er, wie wahrscheinlich es ist, dass der Rundfunkbeitrag steigt und was vom neu geschaffenen „Zukunftsrat“ zu erwarten ist.

„Die Vorkommnisse beim RBB waren sicherlich extrem“, sagt Nathanael Liminski/ dpa
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Nathanael Liminski (CDU) ist Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen.

Herr Liminski, wann haben Sie zuletzt öffentlich-rechtliches Fernsehen geschaut? Und was haben Sie gesehen?

Ich schaue nicht ganz so viel Fernsehen, wie man es vielleicht bei einem Medienminister vermuten würde. Ich gehöre zur Gruppe der neuen Nutzer, wenn man so will. Das bedeutet, dass ich mir im Netz in der Mediathek einzelne ausgesuchte Beiträge anschaue. In meinem Fall sind es vor allem Nachrichtensendungen.

Und wann haben Sie sich zuletzt geärgert?

Es gibt tatsächlich auch immer wieder Beiträge, über die ich mich ärgere. Immer dann, wenn ich den Eindruck habe, dass journalistische Standards nicht eingehalten werden, dass das Handwerk nicht sauber ausgeübt wird. Dadurch wird die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einerseits, aber auch unseres Mediensystems insgesamt beschädigt. Besonders prägnant sind für einen Zuschauer aus der Politik natürlich Fälle, bei denen der Verdacht bewusst einseitiger Darstellung oder Verkürzung von Sachverhalten aufkommt. Die Nutzer wollen und sollten nicht beeinflusst oder erzogen, sondern informiert werden.

Zuletzt hat sich Ihr Kabinettskollege Herbert Reul bitterlich über die WDR-Berichterstattung zu Lützerath geäußert. Teilen Sie seine Kritik?

Es ist richtig, auch die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Kritik muss möglich sein. Ich sage das, weil manche eine kritische Anmerkung bereits als Zensur titulieren oder als Versuch der politischen Einflussnahme sehen. Und das, was Herbert Reul kritisiert hat, war eine unkommentierte Liveübertragung einer Pressekonferenz von Klimaaktivisten, ohne dem auch eine andere Sicht gegenüberzustellen. Ich kann seine Fragezeichen daran verstehen.

Gibt es also, was die Berichterstattung des ÖRR angeht, ein grundsätzliches Problem?

Nein. Aber bei einigen Redaktionen ist zu bestimmten Themen eine gewisse Einseitigkeit zu beobachten und ein offenkundiger Mangel an Binnenpluralität. Für mich reduziert sich der Mehrwert eines öffentlich-rechtlichen Systems, wenn dort nur eine Sichtweise abgebildet wird und bestimmte Dinge nicht mehr hinterfragt werden.

 

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Was wollen Sie da tun?

Ich werbe für gutes journalistisches Handwerk; für guten Journalismus gibt es klare Regeln. Das beginnt bei der Trennung der verschiedenen Genres, etwa zwischen Bericht und Kommentar. Es geht um sauberes Zitieren und saubere Quellenangaben. Und Redaktionen sollten – zumal im öffentlich-rechtlichen System – das ganze Meinungsspektrum, den demokratischen Bogen in Gänze darstellen. Das sicherzustellen, ist eine Führungsleistung, die der Beitragszahler erwarten darf.

Nach diversen Skandalen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und auch Frust bei manchen Konsumenten haben die Bundesländer jetzt über Reformen beraten. Ein Ergebnis ist, wenn ich das richtig verstanden habe, dass eine neue Runde, nämlich ein sogenannter Zukunftsrat, geschaffen werden soll. Ist das sinnvoll: noch ein Gremium?

Die Idee dahinter ist folgende: Wir brauchen kurzfristig Verbesserungen, aber wir müssen auch langfristig überlegen, wie wir die Gründungsidee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die Zukunft tragen können. Wenn man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an den Bedarfen heute neu erfinden würde, würde er sicherlich nicht mehr genauso aussehen. Dazu ist der Zukunftsrat gedacht. Kurzfristig müssen die Anstalten aber schon die Möglichkeiten der bestehenden Staatsverträge wie auch des 3. Medienänderungsstaatsvertrages nutzen, um ihre Angebote effizient und nutzernah auszugestalten.

Aber reicht das? Was machen die Länder, um nun endlich aus den Skandalen zu lernen?

Nathanael Liminski / Wikimedia Commons

Neben den Sendern selbst im Rahmen der bestehenden Verträge schieben die Länder kurzfristig erste Reformen in den Staatsverträgen an. Noch in diesem Jahr müssen Änderungen der Staatsverträge vorgenommen werden. Aber auch der Zukunftsrat als drittes Element wird uns voranbringen. Damit das durch Pflichtbeiträge finanzierte System auch künftig Akzeptanz findet, sollen im Zukunftsrat Persönlichkeiten, die unabhängig sind und Akzeptanz genießen, zur Weiterentwicklung beraten – in schöpferischer Treue zur Gründungsidee. Sie können auch weitergehende Vorschläge machen, mit denen sich dann Länder und Sender befassen müssen. Damit wird ein großer Fortschritt in der medienpolitischen Debatte verbunden sein, da wir so rauskommen aus dem bisherigen Trippelschritt-Modus.

Kurzfristig ist vorgesehen, mit Hilfe von „Plattformen“ und  „Kompetenzzentren“ Synergien zu heben. Kann es wirklich funktionieren, mit neuen Strukturen effizienter zu werden?

Grundsätzlich gilt: Wir wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seiner Vielfalt erhalten. Das bedeutet dann auch, dass wir den Reichtum an Redaktionen, Marken und Profilen, zu denen die Menschen im Einzelnen auch Vertrauen haben, schützen und bewahren wollen. Synergien und Einsparpotentiale müssen wir deswegen vordringlich bei Produktionskosten und in der Verwaltung heben. Es gibt aber auch im Programmbereich Beiträge und Formate, die man nicht neun oder zehn Mal produzieren muss. Da ist mehr Abstimmung und Zusammenarbeit möglich und auch nötig.

Aber das betrifft doch nicht den Kern der Aufregung. Die zurückliegenden Skandale haben gezeigt, dass bei ARD und ZDF eine Art Staat im Staate entstanden ist, bei dem man sich gerne selbst kontrolliert und es keine wirklich kritische Aufsichtsinstanz gibt. Kann man so einen Sumpf trocken legen, indem man die Frösche das machen lässt?

Die Vorkommnisse beim RBB waren sicherlich extrem und das Ergebnis eines multiplen Organversagens bei Führung und Aufsicht. Ich würde aber davor warnen, einfach zu behaupten, so etwas könne woanders gar nicht vorkommen. Gefährlich ist hierbei das Zusammengehen eines Selbstbildes als letztes und einziges Bollwerk der Demokratie und einer ausgeprägten institutionellen Selbstgerechtigkeit sowie der daraus resultierenden Blindheit für die Notwendigkeit von Reformen. Deswegen ist es so wichtig, dass neben den strukturellen Reformen und der betriebswirtschaftlichen Überprüfung auch eine demokratietheoretische Betrachtung des Systems erfolgt.

Wie bewerten Sie die bisherigen Kontrollinstanzen beim ÖRR?

Bei den Aufsichtsgremien hat sich teilweise ein falscher Geist breitgemacht, sich selbst zum Teil des Hauses zu machen. Dabei haben manche verkannt, dass sie in einem solchen öffentlich-rechtlichen System von gesellschaftlichen Institutionen entsandt sind und eine gesellschaftliche Aufsichtsfunktion innehaben und Kontrolle ausüben müssen. Der Rundfunkrat überwacht das Programm, der Verwaltungsrat beaufsichtigt die Strukturen und Finanzen. Und bei Schnittstellen müssen beide Gremien sich abstimmen. Ich glaube, dass wir in der Tat eine Stärkung der Gremien brauchen, auf beiden Seiten. Nordrhein-Westfalen hat schon entsprechende Vorschläge gemacht, die auch in den aktuell beratenen 3. Medienänderungsstaatsvertrag eingeflossen sind. Gremien müssen unabhängig sein – nicht nur auf dem Papier. Es darf nicht von der Gnade oder Gunst eines Intendanten abhängen, wie oft man seine Meinung sagt. Und das ist leider viel zu oft der Fall gewesen.

Der WDR-Intendant Tom Buhrow hat radikale Reformvorschläge gemacht. Stimmt es, dass den Ländern dieser fundamentale Ansatz zu weit ging?

Nein, den Eindruck habe ich nicht. Auch der Zukunftsrat ist ja ein Format, das in der Rede von Buhrow vorkommt. Das Verdienst dieser Rede liegt in dem klaren und unüberhörbaren Signal, dass der Chef der größten ARD-Anstalt sagt: Wir brauchen eine Reform, und ich bin bereit, sie mitzugehen. Und das ist ehrlicherweise ein Riesenschritt mit Blick auf die üblichen Grabenkämpfe der deutschen Medienpolitik, hier die Sender mit Bedarfen, dort die Länder mit ihrer ewigen Kritik. Es ist ein Aufbrechen dieser üblichen Lager.

Im politischen Diskurs gibt es aber auch längst diejenigen, die sagen, es geht nicht mehr, wir wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen. Braucht es nicht zumindest ein radikales Signal, etwa die Abschaffung des ZDF?

Ich halte es für falsch, die Diskussion mit der Frage zu beginnen, was und welche Marke abgeschafft wird. Im Übrigen glaube ich, dass die beiden großen Systeme – ZDF national orientiert und ARD mit dem Fokus auf die Regionalität – auch den föderalen Charakter unseres Landes abbilden und schon für sich genommen bestehen können oder sollten. Das „heute journal“ im ZDF ist etwas anders als die „Tagesthemen“ in der ARD. Und das ist auch gut so! Die Sache ist nur, dass dahinter große Verwaltungen, Apparate und Produktionen stehen. Da kann man mir nicht erzählen, dass es in Zeiten von Digitalisierung nicht möglich ist, da deutliche Einsparungen organisieren zu können.

Statt von Einsparungen wird doch schon wieder über Gebührenerhöhungen gesprochen. Kann der Beitrag gesenkt werden?

Über Beitragssenkung zu sprechen, ist in Zeiten einer fast zweistelligen Inflation sehr ambitioniert. Wenn wir Beitragsstabilität hinbekommen, ist das bereits eine große Managementleistung. Und es wird nicht gelingen, den Rundfunkbeitrag dadurch stabil zu halten, dass man allein über die Abwicklung irgendwelcher Spartensender spricht. Das ist eine Ablenkung davon, dass der Speck im Hauptprogramm sitzt, etwa auch in der Unterhaltung. Und da muss man ran, wenn man effektiv dazu beitragen will, den Beitrag zu stabilisieren, was ich für notwendig erachte.

Doch die neue Geldwelle rollt doch schon. Ist denn ein erneuter Anstieg des Rundfunkbeitrags überhaupt in dem bestehenden System noch zu stoppen?

Wir sind als Länder dazu mit der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) im Gespräch, inwieweit es möglich ist, Reformideen, die wir parallel zum derzeit laufenden Anmeldeverfahren für die Finanzbedarfe entwickeln, anschließend in der Festsetzung des Beitrags zu berücksichtigen. Und ich erlebe bei der KEF dafür eine Offenheit. Insofern würde ich das Spiel noch nicht abpfeifen, bevor es richtig begonnen hat.

Also kämpfen Sie dafür, dass die Rundfunkgebühren nicht weiter steigen?

Ich kämpfe dafür, dass wir den Beitrag stabil halten. Ob Stabilität in Zeiten zweistelliger Inflation absolute Stabilität bedeutet oder relative Stabilität, das wird sich zeigen. Da will ich mir erstmal anschauen, was die KEF dazu ermittelt.

Sind gravierende Einschnitte im Programm, etwa bei der Unterhaltung, also notwendig?

Wenn ich den Beitrag stabil halten will, dann werde ich im Zweifelsfall um Einsparungen nicht herumkommen. Und es wäre aus meiner Sicht natürlich zwangsläufig, dass diese Einsparungen in Bereichen stattfinden, die für das Profil des Öffentlich-Rechtlichen nicht entscheidend sind. Es soll schon Unterhaltungsprogramme geben, aber sie müssen dem öffentlich-rechtlichen Ziel dienen. Es ist eine andere Unterhaltung als die, die die Privaten häufig besser machen können.

Konkret, wie sieht Ihr kurzfristiger Zeitplan für Veränderungen aus?

Bis zum Sommer müssen die Sender konkrete Vorschläge machen, was Einsparungen, Compliance und Optimierung angeht. Das ist schon sehr schnell angesichts der bisherigen Verfahren. Ich halte dieses Tempo aber für sachgerecht, denn die Leute müssen merken, dass der RBB-Skandal und die Diskussion im Nachgang nun auch Folgen haben.

Noch mal als grobe Skizze Ihrer Vision: Wie sieht der öffentlich-rechtliche Rundfunk in zehn Jahren aus?

Wenn es gut läuft, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in zehn Jahren mit Blick auf seine publizistische Präsenz mindestens genauso stark, wenn nicht stärker als heute. Ich glaube, ein gutes, qualitätsvolles öffentlich-rechtliches Angebot tut diesem Land gut. Die Frage wird vielmehr sein: zu welchem Preis? Und da, glaube ich, kann es nicht immer weiter nach oben gehen mit den Beiträgen.

Die Fragen stellte Volker Resing.

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