
- Eigenverantwortung nur für Gleichgesinnte
Zwei Journalisten haben den Begriff „Eigenverantwortung“ zur Floskel des Jahres gekürt. Mit dem Negativpreis wollen die „Floskelwolke“-Gründer für einen sorgsamen Umgang mit der deutschen Sprache plädieren. Auf Eigenverantwortung berufen darf sich nach ihrem Willen aber nur, wer als Bürger nicht zu sehr aufbegehrt und als Politiker im Sinne der Corona-Bekämpfung ordentlich durchgreift.
„Wenn das Denken die Sprache korrumpiert, korrumpiert die Sprache auch das Denken“, notierte dereinst George Orwell. Und klar scheint, dass wir uns, wie Jens Spahn schon prophezeite, wohl viel zu verzeihen haben werden, wenn diese vermaledeite Pandemie irgendwann vorüber ist. Manch einer wird dann feststellen, dass er in der Corona-Debatte einmal zu oft über das Ziel hinaus geschossen ist. Und wieder andere werden sich wundern, warum sie auf diesen oder jenen echten und vermeintlichen Experten gehört und ihr Leben nach allerlei Pseudo- und Halbwissen ausgerichtet und dabei mit der halben Familie gebrochen haben.
Wäre die deutsche Sprache ein denkendes, ein fühlendes Wesen, müssten wir zu Beginn der post-pandemischen Ära aber zuallererst bei ihr um Entschuldigung bitten. Denn was hat der deutsche Corona-Bürger seiner Sprache in den vergangenen zwei Seuchenjahren nicht alles angetan?! Er hat grenzinfantile Begriffe wie die „Aha-Regeln“ erfunden und salonfähig gemacht. Und er hat guten und großen Wörtern wie Solidarität oder Freiheit ihrer Bedeutung beraubt, indem er diese ins Gegenteil verkehrte.