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Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland, fällt immer wieder durch verbale Entgleisungen auf. Zuletzt nannte er Bundeskanzler Olaf Scholz eine „beleidigte Leberwurst“. Man kann das zurecht verstörend finden – verstörender indes ist, was diese Ausfälle über uns selbst verraten.
Krieg ist nicht der Ort für gutes Benehmen. „Im Krieg ist’s Sitte, jeden Vorteil nutzen“, lässt Shakespeare den Graf von Norththumberland in seinem Königsdrama Heinrich VI. sagen. Andrij Melnyk, seit 2015 Botschafter der Ukraine in Deutschland, scheint sich den Ratschlag zu Herzen genommen zu haben. Wann immer er kann – und Melnyk kann dieser Tage auffallend oft –, poltert der 46-jährige Diplomat gegen den hiesigen Politikbetrieb. Sein Twitter-Account mit seinen gut 119.000 Followern ist längst zu einem Wörterbuch der Herabsetzungen und Beleidigungen geworden.
In Friedenszeiten wäre dieses Betragen einer akkreditierten Exzellenz wohl schier unvorstellbar. Doch in Zeiten wie diesen? Wer mag es dem angriffslustigen Ambassadeur verübeln? Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Doch von der Liebe hat die Welt dieser Tage auffallend wenig. Bleiben wir also besser gleich beim Krieg. Der hat nicht nur Andrij Melnyk, den einst so smarten Diplomaten mit der sonoren Stimme und den grauen Schläfen, nachhaltig verändert. Auch in seinem Gastland Deutschland scheint es seit Putins völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine vor gut zehn Wochen zu einem regelrechten Mentalitätswechsel gekommen zu sein.