
- Die suizidalen Tendenzen der FDP
Dass Thomas Kemmerich Anfang des Jahres die Wahl zum Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD annahm, war ein Fehler. Doch ein Fehler ist es auch, mit ihm einen der letzten Charakterköpfe der FDP zu beschädigen. Christian Lindner könnte das noch zu spüren bekommen.
In den Achtzigern gab es eine recht erfolgreiche Thrash-Metal-Band namens Suicidal Tendencies. Im Moment passt der Name auch ganz gut zur FDP.
Man muss wahrlich nicht jede Aktion des Thüringer FDP-Politikers Thomas Kemmerich gelungen finden. Kemmerich hatte sich Anfang des Jahres bundesweit berühmt gemacht, weil er sich mit den Stimmen der AfD im Thüringer Landtag zum Ministerpräsidenten hatte wählen lassen. Danach tauchte er auf Corona-Demos in fragwürdiger Gesellschaft auf. Nun ließ er wissen: Nicht die Annahme der Wahl sei der Fehler gewesen, sondern die Reaktion der anderen Parteien darauf - einschließlich der eigenen Parteispitze müsste man wohl hinzufügen. Parteichef Christian Lindner konnte Kemmerich nur zur Aufgabe seines Amtes bewegen, indem er mit dem eigenen Rücktritt drohte.
nicht die Annahme der Wahl war der Fehler war, sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation
— Thomas L. Kemmerich (@KemmerichThL) October 8, 2020
Bannbulle über Kemmerich
Nun war Kemmerich wegen des Tweets die Empörung der gesamten FDP sicher. Das Präsidium verfasste eine Art Bannbulle über den Mann, der als liberaler Landeschef von Thüringen wieder als Spitzenkandidat zur Wahl am 25. April nächsten Jahres antreten will. Für diesen Fall kündigte das Thomas-Dehler-Haus vorsorglich an, dass die Thüringer FDP weder personell noch finanziell mit Unterstützung rechnen könne. 15 Landeschefs exorzierten Kemmerich zur Sicherheit noch einmal ihrerseits mit einem gemeinsamen Brief.
Natürlich hat Kemmerich mit seinem Tweet nicht recht. Der Fehler war nicht die Wahl, sondern deren Annahme. Und damit die Möglichkeit seiner Ächtung. Bis heute im kollektiven Gedächtnis, wie die angehende Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow Kemmerich den Gratulationsblumenstrauß vor die Füße warf. Natürlich hätte Kemmerich die Sache vorher zu Ende denken müssen und die Wahl nicht annehmen dürfen. Der Beweis, dass der Linke Bodo Ramelow keine Mehrheit im Landtag hatte, wäre auch so erbracht worden.