Drosten, Wieler, Lauterbach
Wissenschaftler dürfen nicht vorschreiben, wie die Bürger ihr Leben zu leben haben / dpa

Politische Rolle der Wissenschaft - Corona: Szientismus oder Freiheit

Die Wissenschaft lässt sich in der Corona-Pandemie zur technokratischen Steuerung der Gesellschaft missbrauchen, sagt der Wissenschaftsphilosoph Michael Esfeld. Wissenschaft als politisches Programm führt jedoch zum Kollektivismus und lässt sich mit den Grundrechten nicht vereinbaren.

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Der Wissenschaftsphilosoph Michael Esfeld ist seit 2002 Professor an der Universität Lausanne und seit 2009 Mitglied der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften. Sein Schwerpunkt ist die Philosophie der Physik und des Geistes. Auf einer Veranstaltung des liberalen Freiblickinstituts unter dem Titel „Wissenschaft und Pandemie: Wie geht es weiter?“ stellte er seine Überlegungen zur Rolle der Wissenschaft in der Corona-Pandemie zur Diskussion.

Esfelds These: Wissenschaft, die sich in der Coronapolitik für die technokratische Steuerung der Bevölkerung missbrauchen lässt, schadet sich und der Gesellschaft. Nach fast zwei Jahren Corona-Politik gehe es nicht mehr um einen Ausnahmezustand („epidemische Notlage“), in dem Grundrechte zeitweise ausgesetzt werden, um eine Notlage zu bewältigen, meint Esfeld. Es gehe vielmehr darum, eine „neue Normalität“ zu schaffen, die in einer umfassenden sozialen Kontrolle besteht. „Diese soziale Kontrolle erfolgt (zunächst?) durch Gesundheitspässe, die den Zugang zum Berufsleben und zum sozialen Leben generell regeln (3G, 2G, zumindest faktischer Zwang zu regelmäßigen Booster-Impfungen). Diese Situation wirft grundsätzliche Fragen zur Rolle des Staates und zur Rolle von Wissenschaft auf.“ Wissenschaft sei aber kein politisches Programm, das man zur Steuerung der Gesellschaft einsetzen könne. „Als politisches Programm – ,follow the science‘ – zerstört die Wissenschaft sich selbst und die Gesellschaft gleichermaßen.“ 

Wissenschaft will vorgeben, was moralisch geboten ist

Esfeld weiter: „Wissenschaft als politisches Programm wird in der Fachsprache als ,Szientismus‘ bezeichnet und führt, politisch umgesetzt, zum Kollektivismus. Szientismus ist die Idee, dass der Gegenstandsbereich der Wissenschaft unbegrenzt ist und auch alle Aspekte unserer Existenz umfasst. So zum Beispiel auch die Moral: Wissenschaft gibt vor, was moralisch geboten ist. Diese Idee führt daher zu dem politischen Programm, die Gesellschaft gemäß wissenschaftlichen Vorgaben zu steuern. Dieses politische Programm ist ein Kollektivismus, weil eine wissenschaftliche Vorgabe für das allgemein Gute und seine Umsetzung über die Würde und die Rechte der einzelnen Menschen und ihrer sozialen Gemeinschaften wie der Familien gestellt wird.“ 

Für den Wissenschaftsphilosophen Esfeld ist die Corona-Politik der bisherige Höhepunkt eines neuen Szientismus und Kollektivismus, der wesentliche Merkmale mit früheren Kollektivismen gemeinsam habe: „(i) der Anspruch in einer Elite von Wissenschaftlern, das Wissen über ein allgemein Gutes zu haben; (ii) in Verbindung mit diesem Wissensanspruch ein technokratisches Menschenbild, das die Menschen als Objekte ansieht, deren Lebenswege auf dieses angebliche allgemeine Gute hin gelenkt werden können und sollen; (iii) die Aufnahme dieses Wissensanspruchs und dieses Menschenbildes in Politik und Medien mit dem Machtanspruch, die Gesellschaft entsprechend zu steuern.“ 

Freiheitsrechte unter Vorbehalt der Genehmigung durch Autoritäten

Man suggeriere, so Esfeld dass die Menschen Vernunft gar nicht selbst einsetzen könnten, weil sie die Verantwortung nicht tragen könnten, die mit Selbstbestimmung verbunden sei. Auf diese Weise solle es akzeptabel erscheinen, die Ausübung von Freiheitsrechten unter den Vorbehalt der Genehmigung durch staatliche oder supranationale Autoritäten zu stellen. 

Der Philosoph warnt schließlich: „Man beruft sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse, aus denen sich angeblich politische Handlungsanweisungen ergeben, die über den Grundrechten stehen. Wissenschaftliche Erkenntnisse haben so nicht mehr den Status von Hypothesen, die man einer kritischen Prüfung durch Argument und Experiment unterzieht. Stattdessen erhalten sie den Status quasi-religiöser Wahrheiten, die man nicht in Frage stellen darf und die sogleich politisch umgesetzt werden sollen.“ Wer etwa sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in Anspruch nehme, indem er sich nicht impfen lassen, werde ausgegrenzt, weil er sich gegen „die Wissenschaft“ stelle. 

Der gesamte Beitrag von Michael Esfeld findet sich auf der Website von „Novo Argumente“

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Tomas Poth | Do., 10. Februar 2022 - 13:43

Wer denkt bei diesem Begriff nicht an die Bewegung der Scientology-Kirche des L. Ron Hubbard!
Genau auf diesem Level bewegen sich unsere Politiker, selbsternannte "Eliten" und ihre politischen Vorfeldorganisation, sei es wegen Klima, Gender oder anderen Aktivismus.

Es ist der Weg zurück in Zeiten vor der Aufklärung, in eine neue Religiosität, die Kirche bestimmt die Fakten, nämlich die Erde ist eine Scheibe!

Bezugsscheine für alles und das nach Maßgabe der "Partei" die alles weiß und niemals irrt, die Folgsamen werden belohnt, wer nicht folgt wird kujoniert.

Günter Johannsen | Do., 10. Februar 2022 - 16:49

Antwort auf von Tomas Poth

Es ist nichts anderes als das:
"Die Partei, die Partei, die hat immer Recht!
Und, Genossen, es bleibe dabei;
Denn wer kämpft für das Recht,
Der hat immer recht.
Gegen Lüge und Ausbeuterei.
Wer das Leben beleidigt,
Ist dumm oder schlecht.
Wer die Menschheit verteidigt,
Hat immer recht.
So, aus Leninschem Geist,
Wächst, von Stalin geschweißt,
Die Partei - die Partei - die Partei."

Wer hat da bloß 1990 am Einigungsvertrag mit gestrickt?!
"Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch wie (harmlose) Schafe, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe. Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum keine guten. Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen."
(Matth.-Evangelium Kap. 7)

Ernst-Günther Konrad | Do., 10. Februar 2022 - 13:55

Ein sehr guter Artikel, den ich voll und ganz unterschreiben kann. Genau dieser Verlockung des Szientismus sind einige Wissenschaftler erlegen, weil sie hoffen, je nach Motivation, endlich im Rampenlicht zu stehen, Geld für Forschungen zu generieren, gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen, Renommee in Fachkreises zu gewinnen, endlich selber Politik zu machen und damit Macht auszuüben. Das widerlichste Motiv der persönlichen Bereicherung könnte andere Motiv noch antreiben. Und es sind einige der Wissenschaftler, die glauben politisch und moralisch Vorgaben machen zu können, die Verrat an wissenschaftlichen Grundsätzen betreiben und am Ende selbst und für ihr Fachgebiet den Ast absägen, auf dem sie sitzen. Das beste Beispiel hierfür ist Drosten, Wiehler und einige andere "Wissenschaftler", die vergessen haben, was die Grundzüge freier Wissenschaft sind. Sie haben sich selbst verkauft und am Ende des Tages, werden sie nichts aber gar nichts mitnehmen können in das Reich nach dem Tod.

Nur die Begriffsdefinition von Charakter wird gerade von der Politik neu definiert. Anstand, Sitte, Moral, Ehrlichkeit, Vernunft, Disziplin, Ordnung, Demut, Verantwortungsgefühl und viele Attribute mehr , denen man Charaktereigenschaften zuschreibt, sie gibt es nicht mehr oder werden neu definiert und dem Volk als "normal" untergeschoben. Sie sehen ja im Fall Drosten, wie schnell man zum "extremen Charakter" wird, wenn man kritisch widerspricht und versucht, wie es Herr Wiesendanger tat, einen wissenschaftlichen Diskurs zu führen. Erst wird man öffentlich zum Verschwörungstheoretiker ernannt (Drosten im Podcast) und dann, wenn die Wahrheit nicht mehr zu unterdrücken ist, bestreitet man seine eigenen Aussagen und erklärt, man habe noch nie anders gesprochen. Da ist ein Söder der Scharfmacher von Coronamaßnahmen schlechthin und plötzlich soll alles vergessen sein, weil man um seine Wiederwahl fürchten muss. Da fragt man sich, wer ist nun der "extreme Charakter"? Kopfschütteln.

H. Stellbrink | Do., 10. Februar 2022 - 15:01

Wissenschaft ist kein Ergebnis, sondern eine Methode. Sie ist der operationalisierte Zweifel, der den Selbstzweifel beinhaltet. Wer als Wissenschaftler nicht nachdenklich und bedächtig mit seinen Ergebnissen und denen anderer umgeht, ist letztlich kein ernstzunehmender. Voraussetzung ist die Bereitschaft, sich jeder Kritik (wohlgemerkt nicht Schmähung) zu stellen und sie inhaltlich, aber nicht durch Herabwürdigung des Kritisierenden zu widerlegen, wenn dies möglich ist. Wenn nicht, bleiben andere Sichtweisen als die eigene genauso valide, wenn auch nicht immer genauso wahrscheinlich.
Es macht also nur dann einen Sinn, sich auf die Wissenschaft zu berufen, wenn man den sachlich vorgebrachten und begründeten Widerspruch als grundsätzlich legitim behandelt.
Daher ist der Bezug auf die Wissenschaft bei den Äußerungen von z.B. Herrn Lauterbach letztlich nichts als Schwurbelei, die seinen Kritikern unterstellt wird.

Diana Weisheit | Do., 10. Februar 2022 - 15:15

Eines sollte jedem klar sein: Ein Wissenschaftler, (ob nun männlich oder weiblich) der einmal, vielleicht sogar aus den besten Gründen, etwas behauptet, was nicht ganz der Wahrheit entspricht (sei es, dass er etwas beschönigt, unterdrückt oder kreativ interpretiert), ist von da ab für alle Zeiten erpressbar. Und sich daraus wieder zu befreien, das benötigt sehr, sehr viel Courage. Die können einem da schon fast leid tun (fast, wohlbemerkt).

Christa Wallau | Do., 10. Februar 2022 - 15:31

falls es sie überhaupt je gegeben haben sollte.

Jedenfalls ist sie seit langem weit entfernt von der O b j e k t i v i t ä t u . dem Verantwortungsbewußtsein, mit denen zusammen sie einst gedacht war, z. B. von den Gebrüdern Humboldt.

Es wird nur d a s wissenschaftlich erforscht, was von interessegeleiteten Firmen u. Konzernen gesponsert wird. Der Staat (die Bürger) bezahlen nur noch einen sehr kleinenTeil des Apparates.

Wissenschaftler unterwerfen sich keinem
moralischen Codex mehr, in dem sie z. B.
fragwürdige Forschungen an menschl. Zellen bzw. Genen als solche kenntlich machen u. sich diese vom Souverän eines Staates, den Bürgern, genehmigen lassen.

Wissenschaftler mit unterschiedlichen Forschungsergebnissen werden nicht als Gleichberechtigte behandelt, sondern von den jeweiligen Interessensgruppen einseitig bevorzugt o. abgelehnt. Für die akzeptierte
Richtung gibt es jede Menge zusätzlicher Fördergelder, während abgelehnte Ergebnisse
mit keinem Cent unterstützt werden.

gabriele bondzio | Do., 10. Februar 2022 - 15:33

für die technokratische Steuerung der Bevölkerung missbrauchen lässt,... "

Oder das Beispiel von Angelique Coetzee-entdeckte die Omikron-Variante in Südafrika.

"Mir wurde gesagt, ich solle öffentlich nicht erklären, dass es eine milde Erkrankung sei. Ich wurde gebeten, von derartigen Äußerungen Abstand zu nehmen und zu sagen, es sei eine ernste Erkrankung. Das habe ich abgelehnt.
https://www.welt.de/politik/ausland/plus236780035/Omikron-Entdeckerin-M…

Hier haben wir doch einen deutlichen Hinweis.

Gerhard Lenz | Do., 10. Februar 2022 - 16:04

nicht zum ersten Mal sichtbar. Was einst die Mutter aller Wissenschaften war, ist auch dank ihrer "Denker" mittlerweile zu einer Randnotiz im akademischen Leben abgestiegen.

Fast schon verzweifelt versuchen Philosphen wie Herr Esfeld, die goldenen Eier der Zunft, die Freiheit und die Vernunft, in der gesellschaftlichen Situation hochzuhalten.

Dass eine potentiell todbringende Pandemie philosophische Reflexion über die Gestaltung des Seins vollkommen überflüssig macht, zehrt offensichtlich am Selbstwertgefühl mancher "Denker", die sich ins Abseits verstoßen fühlen.

Anders ausgedrückt: Geht es ums Überleben, werden Reflexionen über das "Da sein" zunächst mal zweitrangig.

Entscheidungen über den Schutz von Menschenleben werden schwerlich durch philosophische Diskurse getroffen, sie erfordern eine Handlungsweise, die sich an Fakten und Wissenschaft orientiert.

Die Philosophie kann höchstens über Begleitumstände "philosophieren", sie kann aber keine Pandemie bekämpfen.

Herr Lenz, denn bisher & gehen wir mal von euren Regierungszahlen aus, hätte man 2012 noch nicht von einer Pandemie sprechen können
Aber wie ich schon bereits schrieb, hier stinkt es gewaltig!
Und nicht NUR aus der Laborstube der sogenannten Wissenschaftler. Ich hätte es eher als Vorhalle der Hölle umschrieben.
Und der Brüller von Ihnen:
" sie erfordern eine Handlungsweise, die sich an Fakten und Wissenschaft orientiert".
Jetzt die Gretchenfrage. Wer entscheidet, wann & welche Fakten? Früher hieß es: "Namen, wir wollen Namen wissen!" Fragen Sie mal Herrn Johannsen.
K. vom 1.11.21 von mir- Nach den Äußerungen von Herrn Lauterbach, alle Ungeimpften werden sterben, bekomme ich das ungute Gefühl, das eine Fledermaus im dunklen wartet, einen todbringenden Virus New-Corona auf Erden zu verbreiten, der für alle Nichtgeimpfte zur Gefahr wird wie Corona für Ältere & vor allem Vorerkrankte. Eure ART & WEISE des Handelns der Macht & Handlanger macht mich misstrauisch?
Ich bleibe dabei,H.Lenz

Um bei Todbringendes zu bleiben: wie bekämpfen Sie, Herr Lenz, mit Hilfe der Wissenschaft den noch tödlicheren, alltäglichen, nicht mit oder durch Corona produzierten Tod? Was wäre vollkommen überflüssiger? Der oben zitierte Philosoph behauptet in keinem seiner Ausführungen, dass Philosophie Tod erfolgreich bekämpfen könne.

Gerhard Lenz | Fr., 11. Februar 2022 - 11:40

Antwort auf von Jens Böhme

Es gibt noch immer einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen einem vermeidbaren und dem natürlichen Tod.

Covidioten beeilen sich, durch Covid verursachtes Ableben gerade bei alten Menschen gerne als natürlichen Tod zu bezeichnen - wir müssten halt akzeptieren usw., das übliche Gewäsch.

Dem ist natürlich nicht so: Selbst ein Hundertjähriger darf in unserer Gesellschaft erwarten, dass Gefahren - wie Corona - die zu einem vermeidbaren Tod führen können, von ihm ferngehalten werden.

In dem Zusammenhang spielen philosophische Reflexionen über die "Freiheit" absolut keine Rolle. Kein Philosoph kann ernsthaft eine Verpflichtung fordern, sich leichtfertig einer Infektionsgefahr aussetzen zu müssen, im Sinne einer höher zu bewertenden Freiheit Anderer.

Natürlich hat Herr Esfeld nicht behauptet, die Philosophie könne den Tod bekämpfen.

Letztendlich geht es auch in seinem "Freiheitsplädoyer" nur um die Frage der Beziehung zwischen Freiheit oder Schutz des Einzelnen.

Dieter Schimanek | Do., 10. Februar 2022 - 16:18

Mit diesem BVG ist jede Einschränkung möglich, dazu bedarf es noch nicht einmal Corona.

Karl-Heinz Weiß | Do., 10. Februar 2022 - 16:35

Die Überlegungen sind im Bezug auf die weltweit zu beobachtende Klimaveränderung nachvollziehbar. Hier wird oft eine wissenschaftliche Alternativlosigkeit vorgegaukelt. Die Coronamaßnahmen hatten aber (bis zur Bereitstellung von Impfstoffen) einen anderen Ansatz: eine akut drohende Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden.