
- Grundrente dank Corona-Krise?
Die Corona-Krise dient Gegnern und Befürwortern der Grundrente als Argument. Während in der Union angezweifelt wird, ob das Projekt überhaupt zu stemmen ist, sieht die SPD die Grundrente plötzlich als Prämie für die, die das Land am Laufen halten. Eine fadenscheinige Argumentation.
Wer als Rentner mit 500 oder 600 Euro auskommen muss, dem bietet die Grundrente eine erfreuliche Perspektive: Er darf, sofern er 33 Jahre an Beitrags- und Ausfallszeiten vorweisen kann, mit bis zu 400 Euro mehr rechnen. Auch muss er die Grundrente, anders als im Fall der Grundsicherung, nicht eigens beantragen.
Zudem werden seine Vermögensverhältnisse nicht penibel überprüft: Vielmehr dürfen nur seine sonstigen Einkünfte und die des Partners oder der Partnerin gewisse Grenzen nicht übersteigen. Das alles soll vom 1. Januar 2021 an gelten. So hat es die Regierung der Großen Koalition beschlossen.
Die Grundrente als wichtiges Argument
Die CDU/CSU hat das nur widerstrebend mitgemacht, weil sie zunächst auf der im Koalitionsvertrag vereinbarten Bedürftigkeitsprüfung bestand. Denn die SPD wollte die neue Wohltat über möglichst vielen ausschütten – ganz gleich, ob ein Kleinrentner noch andere Einkommensquellen hat oder mit einem wohlsituierten Partner zusammenlebt. Schließlich fand man einen Kompromiss, bei dem die CDU/CSU dem kleineren Koalitionspartner weit entgegenkam.
Denn die Grundrente war um die Jahreswende für den Regierungsflügel der Sozialdemokraten ein ganz wichtiges Argument, um die GroKo nicht vorzeitig zu verlassen. Die CDU/CSU gab insofern nach, als sie auf die Bedürftigkeitsprüfung verzichtete. Jetzt sollen bei Beziehern kleiner Renten nur noch die Einkommensverhältnisse geprüft werden. Noch hat der Bundestag nicht beschlossen, was das Kabinett auf den Weg gebracht hat. Zudem droht in der Koalition weiterer Grundrenten-Ärger.
Es droht Ärger
Der Wirtschaftsflügel der Union würde das Projekt Grundrente am liebsten ganz abblasen. Sein Argument: Angesichts der teuren Corona-Hilfspakete müsse der Staat sparen. Schließlich würde die Grundrente den Haushalt mit 1,3 bis 1,6 Milliarden Euro belasten. Außerdem ist die von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zur Finanzierung eingeplante Finanztransaktionssteuer noch längst nicht beschlossen.
Nun kommt ausgerechnet die Coronakrise den Grundrenten-Gegnern zu Hilfe. Denn die notwendige Einkommensprüfung ist nach Angaben der Rentenversicherung bis zum Jahresende gar nicht möglich, weil wegen der Pandemie viele Mitarbeiter der beteiligten Behörden von zu Hause aus arbeiten. Es war ohnehin ein sehr ehrgeiziger Plan, jedes der mehr als 21 Millionen Rentenkonten bis zum Jahresende mit den Daten der Finanzämter abzugleichen.
Das Coronavirus als Argument für beide Seiten
Das wird nun zusätzlich erschwert und verzögert. Corona dient nicht nur Gegnern der Grundrente als willkommenes Argument, sondern auch den Sozialdemokraten. Die verkaufen jetzt ihr Prestigeprojekt als Prämie für all die Menschen, die trotz der Pandemie das Land am Laufen halten: Pflegekräfte, Kassiererinnen, Lkw-Fahrer. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) begründet sein Festhalten an der Einführung zum 1. Januar 2021 damit, von der Grundrente würden „vor allem viele Berufsgruppen profitieren, die in der Corona-Krise stark gefordert sind.“
Ähnlich tönt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: „Nur auf dem Balkon stehen und klatschen, reicht nicht. Genau deswegen kommt die Grundrente für die Menschen, die etwas geleistet haben.“ Das grenzt freilich an „Fake News“. Die Frauen und Männer, die zurzeit in den Krankenhäusern einen aufopferungsvollen Dienst leisten, in den Supermärkten die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen oder in Kitas für die Notfallbetreuung von Kindern sorgen, deren Eltern dringend an ihren Arbeitsplätzen gebraucht werden, gehen nämlich – anders als von der SPD suggeriert – nicht auf einen Schlag zum 31. Dezember in Rente.
Offener Ausgang
Die meisten von ihnen haben noch viele Jahre im Beruf vor sich. Wie dann unser Rentensystem aussehen wird, kann freilich niemand sagen. Die Grundrente als Dankeschön an die Corona-Helden zu verkaufen, dürfte jedoch seine Wirkung nicht verfehlen. Zurück zur aktuellen Lage: Weil die Einkommensverhältnisse nicht rechtzeitig zu überprüfen sein werden, wird die Grundrente zum 1. Januar nicht kommen.
Arbeitsminister Heil hat bereits vorgeschlagen, die Grundrente stufenweise einzuführen. Wer nicht bereits im Januar 2021 bedacht wird, dem sollen die Aufstockungsbeträge nachträglich überwiesen werden. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der linke Flügel der SPD in dieser Lage darauf drängt, zu dem ursprünglichen Plan der „Grundrente für alle“ zurückzukehren.
Die Beglückung aller Kleinrentner mit dieser Zulage ließe sich überdies als kleines Konjunkturpaket zur Belebung der Nachfrage darstellen, was nicht einmal unzutreffend wäre. Würden die Zuschläge aber erst einmal ohne Einkommensprüfung ausgezahlt, dann gäbe es wohl kein Halten mehr. Schließlich wird im Herbst 2021 gewählt. Da kann es nach dem Kalkül der SPD gar nicht genug dankbare Rentner geben. Und die CDU/CSU? Die ist bekanntlich Spezialistin im Erfüllen sozialdemokratischer Wünsche. Also: schaun mer mal.