
- „Das RKI führt nicht die richtigen statistischen Handgriffe aus“
Nach unserem Aufruf, uns zu berichten, was Sie in der Coronakrise beschäftigt, erhielten wir auch eine Zusendung von Roland Jeske, Professor für quantitative Methoden an der Hochschule Kempten. Er kritisiert das RKI und die ARD für ihren Umgang mit den Corona-Fallzahlen.
Die Corona-Krise bewegt unsere Leser. Viele Hinweise, Anregungen und Schilderungen sind eingegangen, seit wir Sie ermuntert haben, uns Ihre Eindrücke und Wünsche zu senden. Dafür danken wir sehr. Alles wird gelesen, alles wird bedacht.
Leser Roland Jeske überließ uns zwei Schreiben, die er an den Bundesinnenminister und an die Intendanten der ARD gerichtet hatte. Thema sind die umstrittenen Fallzahlen, die das Robert-Koch-Institut veröffentlicht, insbesondere die Daten aus Nordrhein-Westfalen. Jeske, Professor für quantitative Methoden an der Hochschule Kempten, teile Horst Seehofer mit, er halte „die vom Robert Koch-Institut für das Bundesland Nordrhein-Westfalen ausgewiesenen Daten für zu gering und nachhaltig irreführend im derzeit wichtigen Kampf gegen das Corona-Virus.“
Statistisches Bundesamt sollte übernehmen
Konkret bemängelt Jeske, die entsprechenden Zahlen fielen „stets zu niedrig aus oder weisen einen deutlich veralteten Zeitstand auf.“ Er führt den Nachweis anhand des veröffentlichten Datenmaterials vom 25. März. Damals, so Jeske, teilte das RKI mit, in Nordrhein-Westfalen hätten sich 7197 Menschen mit dem Corona-Virus angesteckt, während das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen bereits am Vortag 8745 Infizierte vermeldet habe.
Jeske folgert: „Wenn es um die derzeit wichtige Aufgabe geht, die amtlichen Daten für Deutschland zu erfassen, steht das RKI offenbar vor dem grundsätzlichen Problem, die richtigen statistischen Handgriffe auszuführen.“ Darum sollte künftig das Statistische Bundesamt mit der „Erfassung, Aufarbeitung und Weitergabe der Daten“ beauftragt werden – und nicht das RKI. Jeskes Schreiben an den Bundesinnenminister können Sie hier nachlesen.
„Möglicherweise aus Sensationslust“
In seinem Offenen Brief an die Intendanten der ARD kritisiert Jeske scharf zwei Meldungen auf tagesschau.de. Dort habe man „sehr eigentümliche Ergebnisse vorschnell und ohne jegliche Plausibilisierung in Umlauf gebracht, möglicherweise aus Sensationslust.“ Die besagten Meldungen hätten die Botschaft übermittelt, „die Verdoppelungszahl in NRW sei deutlich kürzer als im deutschen Mittel.“ Davon könne ausweislich der bekannten Daten nicht die Rede sein. So habe man die Lage geschönt.
Sachlich falsch sei auch die Aussage, in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt habe es einen vergleichsweise großen Anstieg der Fallzahlen gegeben. In diesen Ländern dürfe man aber die geringe Ausgangsbasis ebenso wenig außer Acht lassen wie den späteren Beginn der Pandemie. Drittens habe tagesschau.de in einer am 21. März veröffentlichten Grafik „die Infiziertenzahl von NRW auf dem Stand vom 17.03.2020 eingefroren“.
Jeske schließt: „Die Gefahr, dass Personen, die auch mit dem heutigen Tage noch eine akute Gefahr durch den Corona-Virus verleugnen, Ihre Meldungen zum Anlass nehmen, um weiterhin ausschweifende persönliche Sozialkontakte zu zelebrieren, ist leider hoch. Ich sehe Ihr Verhalten – falsche Analysen zu veröffentlichen und mehr noch, diese Meldungen nicht vom Netz zu nehmen – als grob fahrlässig an“. Das Schreiben finden Sie ebenfalls hier.