
- Ein Lehrstück in Sachen Demut
Ein Virus hat dem Menschen vorläufig das Kommando über die Welt entrissen und uns vor Augen geführt, an was für einem dünnen Faden unsere zivilisatorischen Errungenschaften hängen. Der nächste Stresstest kündigt sich mit der Dürre derweil schon an.
Vier Wochen geht das nun schon so, und immer noch haftet diesem Zustand etwas Unwirkliches, etwas Empörendes und Verstörendes an. Die Zivilisation des höchstentwickelten Wesens der Welt ist von einem noch nicht einmal millimetergroßen Etwas zum vorläufigen Stillstand und Absturz gebracht worden. Es ist kein Lebewesen, weder Pflanze noch Tier, aber doch ein Seiendes, ein Schmarotzer, der sich auf ebenso perfide wie geniale Weise die Zellen seines Wirts zum Brutkasten, zur Reproduktionsstätte seiner Art umprogrammiert, und das teilweise so massenhaft und in zentralen Organen, dass diese Organe, Lunge, Nieren, Herz, ihrer eigentlichen Aufgabe nicht mehr nachkommen und der Wirt stirbt, bevor sein Immunsystem eine hinreichend große Armee an Antikörpern aufstellen konnte. Das Ding ist winzig. Aber im Moment ist es größer als wir.
Ein Virus hat die Herrschaft über die Welt jedenfalls vorläufig vom Menschen übernommen. Wir leben im Corozän. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem der Impfstoff da ist. Und das wird nach übereinstimmender Ansicht aller Experten frühestens in einem Jahr der Fall sein.