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JU-Chef Tilman Kuban auf dem Deutschlandtag der Jungen Union 2019 / picture alliance

JU-Chef Kuban zur Corona-Exitstrategie - „Schluss mit dem Flickenteppich“

Tilman Kuban, Chef der Jungen Union, plädiert dafür, dem Bund in der Corona-Krise mehr Entscheidungsgewalt zu geben, kritisiert die geplante Corona-App - und fordert einen klaren Fahrplan bei den Lockerungen.

Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Herr Kuban, wir sind jetzt seit gut einem Monat im Corona-Krisenmodus, und immer wieder gibt es Streitereien zwischen den Bundesländern. Aber lässt sich das in einem föderalen System wie Deutschland überhaupt vermeiden?
Ich schätze den Föderalismus, aber der Bund sollte in besonderen Krisenzeiten mehr Entscheidungskompetenzen haben. Man braucht für Katastrophenfälle wie eine Pandemie oder Epidemien die Möglichkeit, dass der Bund Entscheidungen trifft und die Länder für die Ausführung und Kontrolle zuständig sind. Beim Herunterfahren wurde in Leipzig noch Champions-League vor Publikum gespielt, aber am Folgetag in Gladbach ein Geisterspiel angesetzt. Jetzt beim Hochfahren dürfen in NRW Möbelhäuser öffnen, in Sachsen muss man Masken tragen, aber in angrenzenden Bundesländern nicht oder erst nach einigem Nachdruck. Das verstehen die Menschen nicht.

Also der Bund - und nicht die Länder - soll entscheiden: Ab nächsten Montag dürfen in ganz Deutschland wieder Baumärkte öffnen?
Ja, denn bislang gibt es hier einen Flickenteppich. Nachdem man in einzelnen Ländern Baumärkte öffnete, zogen andere nach. Das Gleiche werden wir jetzt bei den Möbelhäusern oder der erweiterten Kindernotbetreuung erleben.

Aber unterschiedliche Regionen in Deutschland sind ja auch unterschiedlich stark betroffen von der Corona-Epidemie. Da ist es doch positiv, dass das Saarland, das an Frankreich grenzt, andere Maßnahmen trifft als etwa Mecklenburg-Vorpommern.
Der Bund soll ein Mindestmaß an Maßnahmen vorgeben und für besonders betroffene Regionen kann man dann natürlich strengere Regelungen erlassen, wenn das nötig ist. Was für Heinsberg richtig ist, muss ja nicht zwingend auch für Paderborn oder Münster gelten. Es geht um besonders betroffene Regionen. Das sind nicht zwingend ganze Bundesländer.

Würden Söder oder Laschet Ihnen da nicht lautstark widersprechen?
Mag sein. Aber ich bin ja nicht der Pressesprecher von einzelnen Ministerpräsidenten. Wir sind im Vergleich zu anderen europäischen und nicht-europäischen Ländern gut durch die Krise gekommen. Aber wenn wir diese Zahlen halten wollen, brauchen wir Verlässlichkeit. Verlässlichkeit schafft man dadurch, dass man einen gemeinsamen Weg geht.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und NRW-Chef Armin Laschet versuchen in der Corona-Krise ja durchaus, bei den Maßnahmen durch Vorpreschen eigene Akzente zu setzen. Nutzen die beiden eine Krise, um sich im Kampf um die Kanzlerkandidatur zu profilieren?
Markus Söder und Armin Laschet sind beide starke Persönlichkeiten mit eigenen Herangehensweisen. Gerade weil es keine Blaupause für diese Pandemie gibt, kann keiner sagen, was richtig und was falsch ist. Aber wir müssen für Verlässlichkeit sorgen. Deshalb wünsche ich mir, dass auch diese beiden Mittelwege finden, mit denen beide leben können.

Aber diese Krise hat die Karten ja komplett neu gemischt. Der große Shooting-Star Friedrich Merz ist in den Weiten des Twitter-Universums verschwunden - und liegt in den Umfragen weit hinter Markus Söder. Der aber immer sagt, dass er nicht will. Wird Söder am Ende Kanzlerkandidat wider Willen?
Die Menschen in Deutschland interessiert jetzt vor allem, wie wir durch die Krise kommen und wie ihr alltägliches Leben in Zukunft aussieht. Und nicht die Frage, wer an der Spitze der CDU steht. Diese Frage wird aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Parteitag im Dezember entschieden. Die Frage, wer Kanzlerkandidat der Union wird, beantworten wir dann gemeinsam mit der CSU.

Was sind denn die nächsten Schritte, die uns wieder in ein einigermaßen normales Leben zurückbringen? Ohne jetzt die “große Öffnungsdiskussionsorgie” starten zu wollen …
Die Menschen haben hervorragend mitgezogen und die Regeln befolgt - gerade mit Blick auf das Osterwochenende war das bemerkenswert. Aber jetzt müssen wir eine Perspektive geben. Gerade in der jungen Generation sagen viele, dass sie jetzt mal wieder raus wollen. Man will sich - natürlich mit Abstand - mit Freunden in einer Bar treffen, raus auf den Sportplatz oder ins Fitnessstudio. Wir brauchen da einen Plan, man muss den Leuten sagen: Wenn wir es schaffen, bis zu einem bestimmten Datum gewisse Werte zu erreichen, dann darf auch die Bar wieder öffnen oder das Training wieder stattfinden.

Manche Deutsche fühlen sich ja leicht verschaukelt. Kanzlerin Merkel hatte zu Beginn der Krise in Aussicht gestellt, dass wirksame Lockerungen dann denkbar wären, wenn die Verdopplungszeit der registrierten Infizierten bei über 14 Tagen liegt und die Reproduktionszahl bei 1,0. Inzwischen ist die Ansteckungsrate konstant unter 1,0 und die Verdopplungszeit bei fast 40 Tagen, aber die Lockerungen sind eher kosmetischer Natur.
Es gibt ja jetzt Lockerungen, das ist nicht von der Hand zu weisen. Deshalb hat Angela Merkel Wort gehalten.

Aber viele Eltern, gerade solche mit Kindern im Kita- oder Grundschulalter, fragen sich derzeit: Wie lange soll das noch so gehen? Die sehen keine Perspektive.
Das sehe ich auch so. Für Schulen, Baumärkte und Friseure werden Lösungen gefunden, aber Familien mit kleinen Kindern werden zu wenig in den Blick genommen. Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass man Kitas und Grundschulen nicht bis zu den Sommerferien oder sogar darüber hinaus geschlossen halten sollte.

Ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Pandemie ist ja die Corona-App - in Südkorea hat sie sehr große Wirkung entfaltet. Auch die Österreicher haben schon seit Ende März eine App, entwickelt vom Roten Kreuz, die auch von Datenschützern gelobt wird. Wir haben uns einer europäischen Initiative angeschlossen - und warten nun schon seit Wochen. Hätten wir das vielleicht besser national gelöst?
Zunächst einmal stellt sich die Frage: Wie führt man das ein? In Österreich setzt man auf Freiwilligkeit und dort haben bis jetzt nur rund fünf Prozent der Bevölkerung die App heruntergeladen. Aber die App funktioniert erst effektiv, wenn etwa 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung mitmachen. Deswegen müssten in Deutschland 40 bis 50 Millionen Menschen von den insgesamt 60 Millionen Smartphone-Nutzern die App installieren. Ein umfassendes obligatorisches Tracking wie in Südkorea kann ich mir nicht vorstellen. Das ist auch sehr schwer vereinbar mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ich plädiere deshalb für eine Widerspruchslösung. Das heißt: Wenn ich das nächste Update auf mein Handy bekomme, dann werde ich gefragt, ob ich an dieser App teilnehmen will oder nicht. Das ist ein gangbarer und sinnvoller Mittelweg. Leider ist bei uns jetzt der Beschluss gefasst worden, dass das Laden der App komplett freiwillig ist. Wir werden sehr dafür werben, dass viele Menschen diese App downloaden.

Aber noch einmal: Wäre es national nicht schneller gegangen?
Natürlich. Aber wenn wir das Land wieder öffnen wollen, dann muss bei einer Exportnation wie unserer auch der grenzüberschreitende Verkehr wieder zugelassen werden. Dass wir jetzt eine Konstruktion bauen, die das gemeinsam europäisch macht, damit wir auf dem Kontinent denselben Standard haben, ist richtig.

Zur Schicksalsfrage Europas wird ja momentan die Frage gemacht, ob es Eurobonds zur Bewältigung der Corona-Krise gibt oder nicht?
Manche tun so, als würden wir Deutschen anderen Staaten nicht helfen. Dabei helfen wir in Europa wie kein anderes Land: Über den Rettungsfonds ESM, über die Verteilung von Schutzkleidung oder über die medizinische Versorgung von einzelnen, besonders schwer erkrankten Menschen. Und das wollen wir auch in Zukunft tun. Aber wir wollen keine Vergemeinschaftung von Schulden. Ich bin Angela Merkel sehr dankbar, dass sie da auf europäischer Ebene hart geblieben ist. Haftung und Kontrolle gehören in eine Hand. Wir stehen mit Hilfen bereit, aber wir müssen denjenigen europäischen Partnern, die das fordern, auch klar machen: Sie können nicht davon ausgehen, dass sie immer weiter Schulden machen können und irgendwann jemand kommt und ihnen diese abnimmt.

Also sind die Eurobonds keine Schicksalsfrage für die Funktionsfähigkeit der EU?
Alle Länder Europas sind unverschuldet in diese Krise geraten. Und wir sind in der EU die wirtschaftlich stärkste Nation, deshalb helfen wir auch. Aber das Mittel Eurobonds war vor der Krise falsch, und es ist auch jetzt falsch.

Mitten in der Corona-Krise präsentierte ja die Rentenkommission ihr Ergebnis - diese ist de facto gescheitert, weil sie die älteren Wähler nicht verprellen will. Das ist leider weitgehend untergegangen.
Trotz der aktuellen Lage müssen wir erkennen, dass der Generationenvertrag so nicht zukunftsfähig ist. Es ist schon bemerkenswert, dass die Kommission ein längeres Arbeiten einfach ausklammert, obwohl die Lebenserwartung deutlich steigt.

Jedenfalls hat man das Gefühl, dass nicht nur in der Rentenfrage, sondern auch in der Corona-Krise ein Problem auf den Schultern der Jüngeren ausgetragen wird. Gäbe es nicht auch eine Lösung, die jene isolieren würde, insbesondere die Älteren, die zur Risikogruppe gehören - und dafür den Jüngeren mehr Freiheit lassen würde?
Die Situation in Großbritannien hat gezeigt, dass es nicht funktioniert, die Älteren zu isolieren. Was ich vor allem sehe, ist, dass es gerade eine große Solidarität zwischen Jüngeren und Älteren gibt. Bei unserer Aktion “Die Einkaufshelden” sind nach einer Woche über 10.000 junge Menschen dabei gewesen und helfen seitdem deutschlandweit.

Klar, diese Art von Solidarität gibt es in den ersten Wochen, und es ist ja auch noch genug Geld da. Aber was passiert, wenn es richtig ernst wird?
Es geht nicht darum, wer zu Hause bleibt, sondern darum, für wen Geld da ist. Wir tun viel dafür, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu retten. Das ist richtig, aber auch mit hohen Summen verbunden, die unsere Staatsverschuldung massiv steigen lassen. Wenn das jemand mal zurückzahlen soll, dann ist das unsere oder die nächste Generation. Und deswegen geht es zu unseren Lasten, genauso wie die Rentenpakete der letzten Jahren und jene, die noch geplant sind. Wir sagen den Arbeitnehmern: Ihr müsst mit Kurzarbeitergeld von 60 oder bald 70 Prozent leben. Dann sollten wir gleichzeitig auch bereit sein, eine noch nicht eingeführte Rentenleistung wie die Grundrente auszusetzen.

Die SPD-Chefin Saskia Esken hat ja eine Vermögensabgabe ins Spiel gebracht ...
Ich sehe eine große Akzeptanz in Deutschland dafür, dass wirkliche Spitzenverdiener mit Einkommen über 250.000 Euro als Privatpersonen höher besteuert werden. Aber ich habe ein Problem damit, dass Personengesellschaften ebenso höher besteuert werden sollen. Das trifft am Ende den Mittelstand. Und das sind diejenigen, die momentan nachts schweißgebadet aufwachen. Sie fragen sich, wie sie ihre Arbeitsplätze erhalten können und wie sie es schaffen, ihre Unternehmen durch die Krise zu bringen. Das sind diejenigen, die am Ende dafür sorgen, dass es wieder einen Aufschwung gibt. Das ist etwas, was Frau Esken gerne verkennt oder nicht versteht.

Derzeit steht die CDU in Umfragen bei fast 40 Prozent. Aber könnte es nicht sein, dass dieser Krisen-Effekt verfliegt, wenn uns nach dem Sommer die Wirtschaftskrise mit aller Härte trifft?
CDU und CSU sind die Parteien mit der höchsten Wirtschaftskompetenz. Keiner anderen Partei bringt man in Krisenzeiten dieses Vertrauen entegegen. Grundsätzlich habe ich aber vor allem Sorge um unser alltägliches Leben in Deutschland und Europa, aber nicht um die Frage, welche Partei gerade in Umfragen vorne ist.

Also fürchtet die CDU ab dem Herbst keinen Verteilungswahlkampf von links - Stichwort Reichensteuer?
Nehmen wir doch mal die letzte Wirtschaftskrise vor zehn Jahren. Da waren doch alle in Deutschland sehr froh darüber, dass nicht Rot-Rot-Grün, sondern die Union regiert hat. Wir haben Europa zusammengehalten und uns gut durch die Krise gebracht. Und das erkennen die Leute gerade wieder: Sie können in Krisenzeiten auf die Union bauen.

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Gisela Hachenberg | Fr., 24. April 2020 - 00:11

Nicht zum ersten Mal versuchen Sie, sehr geehrter Herr Gathmann, Jung gegen Alt aufzubringen. Schade! Sie schreiben, dass „in der Coronakrise ein Problem auf den Schultern der Jüngeren ausgetragen wird“. Wie ist das zu verstehen? Tragen die „Alten“ ( ab welchem Alter machen Sie das fest) Schuld an der Krise?
Und dann wieder einmal die Frage, wie es wäre „würde man jene isolieren, insbesondere die Älteren, die zur Risikogruppe gehören, und dafür den Jüngeren mehr Freiheit lassen würde“.
Haben Sie keine Eltern, die Sie mit dieser Frage irritieren oder verärgern?
Sie sind Jahrgang 1980. Ich hätte Sie lt. Foto älter geschätzt. Trotzdem kann ich Ihnen versichern, dass das mit dem Älterwerden schneller geht, als man denkt! Und wenn Sie dann mal zu den Älteren gehören sollten, wünsche ich Ihnen ein deja-vu mit Ihren jetzt geäußerten Fragen. Aber bis dahin werden Sie das vergessen haben. Es gibt in den Jahren bis dahin sicher wieder andere Ereignisse und Szenarien.

Gisela Hachenberg | Fr., 24. April 2020 - 00:21

Der Platz reichte leider nicht aus.
Herr Gathmann wird seine Einstellung zu den „Älteren“ aufgrund meiner Einlassung nicht ändern. Das erwarte ich auch nicht. Aber Diskussion soll ja fruchtbar sein. Gut, dass Herr Kuban auf seine Frage antwortete, dass es aufgrund seiner Erfahrung eine große Solidarität zwischen Jungen und Älteren gebe. Das ist in meinen Augen sehr erfreulich.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 24. April 2020 - 07:57

auch Sie Herr Kuban haben keinen A.... in der Hose mal Klartext zu reden. Wie alle anderen Ihrer Partei auch, bloß keine Kritik, bloß keine Selbstreflektion, bloß nicht Fehler eingestehen und irgendwie weiter so, wie vor Corona, nur irgendwie anders.
Ich kann Ihren Antworten nichts Besonderes entnehmen. Ein paar Schlagwörter brav und unaufgeregt erwähnt, das war's.
Ja, im Moment gibt es noch die Angstzustimmung, die Hoffnung vieler Menschen, man komme bald wieder zurück zu einem "normalen" Leben. Ihr habt einfach nur Glück, dass Ihr gerade in der Regierung sitzt und von der treuen Presse unterstützt im Mittelpunkt von Entscheidungen steht. So wie die Grünen inzwischen mehr und mehr absacken, wird es Euch auch ergehen, wenn ihr sukzessive uns unsere Rechte wiedergeben müsst. Wenn Gerichte Euer Handeln und Eure Aussagen im Einzelnen zerlegen werden. Die Wahrheit über Euer Versagen wird aufgedeckt werden.

"Ihr" habt Glück, dass "Ihr" in der Regierung sitzt?
"Ihr" werdet von der treuen Presse unterstützt?
"Ihr werdet absacken, wenn Ihr uns unsere Rechte wiedergeben müsst"?
Wenn Gerichte "Euer" Handeln zerlegen werden?
Wenn die Wahrheit über "Euer" Versagen aufgedeckt wird?

Was soll DAS sein? Widerstand 2.0? Die Ankündigung des "eigenen" Endsieges nach Erlahmen der Corona-Krise?

Das alles formuliert in üblich überheblicher Arroganz, die von der selbstverständlichen, eigenen Überlegenheit ausgeht?

Nietzsche's Übermensch, hier ist er materialisiert!

"Ihr" gegen "Uns" - wer soll denn letzteres sein? Da halluziniert offensichtlich noch immer jemand, er wisse nicht nur grundsätzlich alles besser, sondern habe auch noch das "Volk" hinter sich.

Was, wie jeder, der lesen kann, natürlich als völligen Blödsinn identifziert. Denn die Partei des "Uns", die AfD, versinkt allmählich in der Bedeutungslosigkeit...