Oppositionsveranstaltung / picture alliance

Oppositionskandidat Kemal Kılıcdaroglu - „Gandhi Kemal“ gegen Erdogan

Nach 20 Jahren Erdogan bröckelt dessen Rückhalt sogar unter seinen Stammwählern. Aktuell stehen die Chancen für die Opposition damit so gut wie nie zuvor, das „Ein-Mann-Regime“ zu beenden. Das soll mit dem Oppositionskandidaten Kemal Kılıcdaroglu gelingen.

Autoreninfo

Ilgin Seren Evisen schreibt als freiberufliche Journalistin über die politischen Entwicklungen in der Türkei und im Nahen Osten sowie über tagesaktuelle Politik in Deutschland. 

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Nach 20 Jahren Regierungszeit ist die Kritik am türkischen Präsidenten Erdoǧan und seinem Regierungsstil groß wie nie. Zuletzt bröckelte wegen seiner verbalen Ausfälle und seinem schlechten Katastrophenmanagement im Erdbebengebiet sogar der Rückhalt bei seinen islamisch-konservativen Stammwählern. Und die Präsidentschaftswahl am 14. Mai bietet dem Oppositionsbündnis und ihrem Präsidentschaftskandidaten Kemal Kılıcdaroǧlu, auch „Gandhi Kemal“ genannt, die Möglichkeit, vom „Ein-Mann-Regime“ zur parlamentarischen Demokratie zurückzukehren.  

„Das Einzige, wovor wir uns fürchten müssen, ist die Angst selbst“, verkündete der Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei jüngst in einem Video in den sozialen Medien. Während der vergangenen Wochen rief Kılıcdaroǧlu die türkische Jugend immer wieder dazu auf, vom Staat verhängte Internetzensuren zu ignorieren und in Anbetracht zunehmender Restriktionen nicht zu schweigen. Während der redegewandte Erdoǧan in den letzten Jahren vor allem mit seiner Tendenz zur Spaltung und seinen verbalen Attacken gegenüber Kritikern oder Feministinnen aufgefallen war, gilt Kılıcdaroǧlu als Versöhner: als einer, der das tief gespaltene Land wieder einen könnte.

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Tomas Poth | Di., 14. März 2023 - 19:06

Irgendwann ist die Uhr abgelaufen!
Vielleicht schafft ja eine neue Regierung auch eine Aussöhnung innerhalb Türkei mit/zwischen allen Volksgruppen.
Das ist es was die Menschen dort brauchen.

Christoph Kuhlmann | Di., 14. März 2023 - 21:29

Steht der Wahltermin schon fest? Erdogans Zinskamikaze, die Abschaffung der Meinungsfreiheit und die Enteignung großer Unternehmen, deren Besitzer seinem Kommando nicht folgten, dürfte neben der ausgeuferten Korruption ein breites Bündnis motivieren, Erdogans Herrschaft zu beenden. Ich hoffe, er sucht in Deutschland kein politisches Asyl, um der Strafverfolgung zu entkommen. Ich wäre dann mal gespannt auf die Verfahren der Bundesanwaltschaft.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 15. März 2023 - 08:46

Hört sich spannend an, was Sie da skizzieren. Sollte es wirklich zum Bürgerkrieg kommen haben die unterlegenen Türken ja die Option, nach D zu kommen. Es leben ja hier genug Verwandte, etliche haben hier studiert oder Berufe erlernt, waren zurück gegangen und könnten als "Facharbeiter" erneut einreisen.
Wir haben ja auch noch einige Altenheime, die dann geräumt werden können und für die besonders gläubigen Türken werden ja weitere Moscheen bereits gebaut und geeignete Imame sind auch schon da.
Also egal wer da gewinnt, mögliche Opfer haben ja ein Rückzugsgebiet. Ja, ich weiß, das hört sich zynisch an. Ich möchte auch sehr gerne unrecht haben. Aber die Politik hat schon so viele Fehler gerade beim Umgang mit der Türkei begangen, da käme es auf diesen dann auch nicht mehr an.
Ich wünsche natürlich den Türken einen friedlichen Machtwechsel, aber Wahlbetrug und despotische Methoden zum Machterhalt Erdogans sind gerade ihm nun wirklich nicht fremd. Und die Religion hat starken Einfluss.

Heidemarie Heim | Mi., 15. März 2023 - 11:20

Zuerst vielen Dank an Frau Evisen für diesen Beitrag! Zumindest mir war bisher nicht bewusst, wie weit sich die Türkei unter der Herrschaft des Autokraten Erdogan von für uns selbstverständlichen demokratischen Gepflogenheiten entfernt hat. Die Dinge, die hier geschildert werden, der Umgang mit der Opposition sowie der einfachen Bevölkerung mit allen möglichen Druckmitteln bis hin zu massiver Einschüchterung durch die Regierung und ihren Apparat ist schlicht inakzeptabel. Zumal die Türkei auch ein geopolitisch wichtiger, bisher zuverlässiger Bündnispartner der NATO ist. Wichtiger noch die Beziehungen unserer beiden Länder durch über Generationen stattgefundene Einwanderung. Ich glaube aufgrund dem von Frau Evisen angesprochenen Einfluss religiös-konservativer Parteien muss es wie im Iran die Jugend richten. Im Gegensatz zu unserer Gesellschaft sind diese nämlich in der Überzahl. Und wenn sie es schaffen ihre Eltern für einen Wechsel zu überzeugen, dürften Erdogans Tage gezählt sein. FG

Gerhard Lenz | Do., 16. März 2023 - 09:56

zieht im entscheidenden Moment wahrscheinlich wieder irgendeine Trumpfkarte. Und wenn es um nationale Ehre, die Verteidigung des Landes gegen innere oder äußere Feinde geht, die Abwehr westlicher Dekadenz oder den Schutz des Glaubens oder was auch immer.....auch Türken sind nicht immun gegen nationalistischen Quatsch.

Wenig wahrscheinlich, dass sie im entscheidenden Moment - bei der nächsten Wahl - klüger reagieren als Ungarn, Polen, Russland, stehen doch Wohl und Wehe des heiligen Vaterlandes auf dem Spiel.

Nationalistischer Schwachsinn war immer schon ein wirksames Mittel, Massen zu verblöden. Dazu braucht man einen starken Führer an der Spitze, einen Erodgan, Putin, Orban etc, der im "Interesse" des Volkes handelt!

Dumm nur: diese Leute wird man kaum wieder los. Längst haben sie den Staat nach ihrem Geschmack umgebaut, die Medien entmündigt, die Justiz gleichgeschaltet, die Opposition entmachtet oder (siehe Russland)deren Sprecher ermordet, abgeschoben, eingekerkert.