
- Ein Lehrstück in journalistischer Sorgfaltspflicht
Reihenweise Solidaritätsbekundungen und Proteste am Tatort: Die Antisemitismusvorwürfe des Sängers Gil Ofarim gegen einen Hotelmitarbeiter des The Westin Leipzig schlagen hohe Wellen – werfen aber auch Fragen auf. Etwa die nach der journalistischen Sorgfaltspflicht und dem Einfluss der sozialen Medien.
Gut zehn Fußminuten vom Leipziger Bahnhof entfernt, am Rande des Flusses Parthe, ragt ein grauer Kasten in den Himmel. 436 Zimmer und Suiten warten auf die Gäste des The Westin Leipzig. „Genießen Sie unsere ungeteilte Aufmerksamkeit für Ihr Wohlbefinden“, ist auf der Webseite zu lesen.
Was die Aufmerksamkeit betrifft, davon würde sich das Hotel derzeit wohl weniger wünschen. Und auch das mit dem Wohlbefinden ist so eine Sache. Denn der Sänger Gil Ofarim hat am Montagabend Antisemitismusvorwürfe gegen einen Mitarbeiter des Hotels erhoben. Er soll Ofarim beim Check-In aufgefordert haben, seine Kette mit dem Davidstern abzunehmen. Seitdem ist an der Gerberstraße 15 in Leipzig Feuer unterm Dach.
„Volle Solidarität mit Gil Ofarim“
In der Presse schlugen die Vorwürfe, die Ofarim im Rahmen eines Instagram-Videos erhebt, hohe Wellen. Die Leipziger Volkszeitung verurteilte den Vorfall und schlug einen direkten Bogen von der Causa Ofarim zur AfD und den Querdenkern. Der MDR titelte „Sänger Gil Ofarim in Leipzig offenbar antisemitisch beleidigt“. T-Online schrieb vom „Antisemitismus-Eklat um Gil Ofarim“. Und die Süddeutsche Zeitung urteilte: „Überraschen darf der antisemitische Vorfall, den der Musiker Gil Ofarim publik gemacht hat, eigentlich niemanden.“
Es ist inakzeptabel und macht mich wütend, was #GilOfarim in meinem Heimatland widerfahren ist. Ich spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in #sachsen, wenn ich mich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige. Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!