Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán / picture alliance

Budapester Demografie-Konferenz - Der Westen soll wieder mehr Kinder bekommen

Wieder mal lud Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán zum „Demografie-Gipfel“ nach Budapest. Es ging um die Frage, ob und wie Europa seine Geburtenkrise bewältigen kann. Die durchweg konservativen Lösungen lauteten: Förderung einheimischer Familien statt Migration

Boris Kálnoky

Autoreninfo

Boris Kálnoky ist freier Journalist und lebt in Budapest. Er entstammt einer ungarisch-siebenbürgischen Familie

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Bereits zum dritten Mal trafen sich in Ungarns Hauptstadt Budapest Soziologen, Demografen und Politiker zu einem zweitägigen „Demografiegipfel“. Hintergrund ist, dass Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán die demografische Frage zum überragenden strategischen Schwerpunkt seiner Politik erklärt hat. Denn nur wenn man in Ungarn und allgemein in der westlichen Welt wieder mehr Kinder bekomme, so meint er, könne man in der Wirtschaft besser auf Migration verzichten und den ungarischen oder europäischen Charakter der Gesellschaft wahren.

Und so gibt die ungarische Regierung derzeit einen höheren Anteil des Bruttosozialproduktes für die Familienpolitik aus als jedes andere Land in der EU – etwa 4,5 Prozent. Baukindergeld, Zuschüsse zum Autokauf, Steuerermäßigungen, billige Startkredite für Jungvermählte, die dann gar nicht zurückgezahlt werden müssen, wenn Kinder geboren werden.

Mit Konferenzen wie dem „Demografiegipfel“ will Orbán aber auch international eine Debatte anstoßen und Ungarn zum intellektuellen Treffpunkt konservativer Denker und Entscheider machen. Es sollen Pflöcke eingeschlagen werden in der Debatte um die Werte des Westens: Die Stärkung der klassischen Familie und der Kampf für neuen Kindersegen werden als Gegenstrategie aufgebaut. Es geht gegen die Klimaschutzbewegung, gegen eine migrationsfreundliche Linke und gegen das liberale Wertesystem als solches.

„Schrumpfung des Westens“

Als Ehrengast kam Tony Abbott, der als Australiens Ministerpräsident (2013-2015) illegale Migration stoppte, wenngleich mit harten und durchaus umstrittenen Methoden. Tony Abbott formulierte sodann auf besonders scharfe Art und Weise einen konservativen Angriff gegen die Klimaschutzbewegung: „Nicht der Ausstoß von Kohlendioxid führt uns ins Verderben, sondern die Unfähigkeit, Kinder zu produzieren“, sagte Abbott.

Er erwähnte Englands Prinz Harry, der mitgeteilt habe, seine Gemahlin Meghan Markle und er wollten nur zwei Kinder, weil das besser für das Klima sei. „Bei aller Liebe für für die königliche Familie“, sagte er darauf, so eine Haltung sorge dafür, „dass unsere Länder kleiner und schwächer werden“. Andere Länder wie China würden derweil größer und stärker. 1960, sagte Abbott, seien 7 der 20 bevölkerungsreichsten Länder westlich gewesen. Heute seien es nur noch drei. Diese „Schrumpfung des Westens“ ändere die Ordnung der Welt – zum Nachteil des Westens, dessen gesellschaftliches Gleichgewicht sich zusätzlich dadurch verschiebe, dass „wo immer im Westen überhaupt noch Bevölkerungswachstum stattfindet, ist es durch Einwanderung“.

Konservative Werterevolution als Weg aus der Krise

Und dann legte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán nach: Wer die Menschheit wie Prinz Harry als Problem für die Natur darstelle, habe den Verstand verloren: „Die Menschheit ist Teil der Natur.“ Seiner Logik zufolge verlören den Kontakt zur Natur am ehesten jene Menschen, die keine Kinder zeugten, und nicht jene, die umweltverschmutzende Geländewagen führen.

Auch Philip Blond, ein einflussreicher britischer Konservativer und Berater des damaligen Ministerpräsidenten David Cameron, machte  „liberale Werte“ für die Geburtenkrise des Westens verantwortlich und empfahl eine „moderne Retraditionalisierung“ der Gesellschaft: „Das Unliberalste, was man tun kann, ist, ein Kind in die Welt zu setzen. Denn das ist etwas, was man nicht aus Egoismus tut.“ Das liberale Wertesystem setze hingegen eine egoistische Selbstoptimierung des Individuums über alles. Eine konservative Werte-Revolution sei daher nötig, um aus der Krise zu kommen, meint Blond.

Kinder gebären für das Vaterland

Kinder gebären für den Westen – oder für das Vaterland: Solche Aussagen sorgten für Kritik, besonders als Ungarns Parlamentspräsident László Kövér Europas Kultur der Kinderlosigkeit als Kultur „des Todes“ bezeichnete, und dementsprechend Frauen und Paare, die bewusst keine Kinder wollen, zur „Seite des Todes“ rechnete. Auf Twitter und Facebook gab es dafür sofort einen Shitstorm. Kövér hat sich das freilich nicht selbst ausgedacht, es ist eine in kirchlichen Kreisen Ungarns seit langem übliche Formulierung für eine angeblich liberale Spaßgesellschaft, die Selbstverwirklichung über Kindersegen stelle.

Eine andere Formulierung Kövérs, Kinder zu wagen sei nicht nur Privatsache, sondern eine Frage, von der auch das Gemeinwohl abhänge – das hatte schon Anklänge an Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, demzufolge Kinder gebären eine patriotische und religiöse Pflicht sei.

Die eigentlich als Fachkonferenz angedachte Veranstaltung sollte Antworten suchen auf die durchaus drängende Frage: Kann Europa seine Geburtenkrise bewältigen und wie? Orban formulierte auch dazu eine klare inhaltliche und politisch geprägte Position: Es gehe, aber nur wenn die Steuer- und Sozialpolitik so radikal umgestellt würde, dass Familien materiell besser dastünden als Kinderlose, und wenn die Gesellschaft zu traditionellen Werten zurückkehre. Davon sei man aber seiner Meinung nach noch weit entfernt.

Steigende Geburtenrate in Tschechien

Eher niedergeschlagen wirkte Serbiens Präsident Aleksandr Vucic, als er referierte, wie alle Maßnahmen in Serbien bisher eher erfolglos bleiben: Es gebe zwar neuerdings etwas mehr Eheschließungen, aber das Durchschnittsalter der Frauen liege bei über 31 Jahren. Bei den Geburten ändere sich kaum etwas. Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis konnte dagegen von einer steigenden Geburtenrate in seinem Land „seit 2010“ berichten, sie liege nun bei 1,7 Kindern pro Frau. Erreicht habe man das unter anderem mit hohen Geldzuschüssen für Eltern, sagte er.

Ein echter Höhepunkt der Konferenz war der Auftritt der nigerianischen Medizinerin und Aktivistin Obianuju Ekeocha mit einem Vortrag über „Ideologischen Neokolonialismus und Geburtenkontrolle“. Mit Statistiken belegte sie, dass der überragende Anteil aller Hilfsgelder westlicher Länder für Afrika anders als früher mittlerweile für Geburtenkontrolle statt für Gesundheit oder Bildung bestimmt ist. Sie vertrat den Standpunkt, Afrika sei nicht über-, sondern untervölkert. Denn es habe halb so viel Einwohner pro Quadratkilometer wie Europa. „Gutes Regieren“ brauche Afrika, um seine Bevölkerung zu ernähren, nicht weniger Kinder. Dazu gehöre auch ein Ende der Kinderehen – das sei viel wichtiger als Verhütungsmittel.

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Helmut Bachmann | Fr., 6. September 2019 - 17:27

Also Afrika braucht mehr Menschen. Hm. Nein. Aber bei manchen scheint Denken inzwischen zur Glückssache zu geraten. Dagegen wohltuende Klarheit bei den Konservativen, die der Kultur des Todes und der Eigensinnigkeit etwas entgegensetzen. Die linken Hetzer gegen Familie und Miteinander, die kollektivistischen Plattenbaudenker bräuchten auch bei uns weniger Blockflöten, sondern mehr Gegenrede.

Jürgen Waldmann | Fr., 6. September 2019 - 18:56

Antwort auf von Helmut Bachmann

Als ich vor 77 Jahren geboren wurde , da hatte Afrika 200 Millionen Menschen .
Heute zählt Afrika 1,250 Milliarden Menschen , in 30 Jahren sind es 3 Milliarden !
Die Bevölkerung der gesamten EU hat dagegen kaum zu genommen .
Es ist keine Lösung für die EU , wenn Merkel und und andere Gutmenschen glauben , dass der selbst verschuldete Bevölkerungsüberschuss Afrikas hier Raum findet !
China hat es vorgemacht , dass ein stabiler Staat mit gezielter Geburtenkontrolle , das Problem lösen kann . Hunger in China ist heute ein Fremdwort !

Urban Will | Fr., 6. September 2019 - 18:38

besonders im geburtenarmen Deutschland, der linke Mainstream Gift und Galle spucken wird angesichts seiner Forderungen, so sind Orbans Sorgen durchaus berechtigt.

Wer wirklich glaubt über Migration die niedrigen Geburtenraten kompensieren zu können, wird langfristig die Axt anlegen an das, was wir an Kultur und Lebensgewohnheiten liebgewonnen haben.

Wer all das ignoriert, was seitens der Migranten an Problemen in Deutschland entstanden sind, wer wirklich glaubt, dass Multikulti funktioniert, wer wirklich ignoriert, dass angesichts der nackten Zahlen auch eine Integration bald aufgrund der Mehrheitsverhältnisse scheitern und wir somit eine kulturelle Minderheit im eigenen Land sein werden, wer zudem ignoriert, dass viele der zu uns kommenden nur bedingt bereit sind, Leistung zu erbringen, wer also meint, dass wir dauerhaft mit so wenig eigenen Kindern dieses Land so erhalten können, wie wir es uns wünschen, der möge dies tun.

Ich tue es nicht.

Daher: Ein großes Lob an Orban!

Walter Keim | So., 8. September 2019 - 12:35

Antwort auf von Urban Will

Ich finde es unerträglich, wie hier in den Diskussionsforen rechtspopulistische Propaganda zugelassen wird.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mehrheit der Leserschaft des Cicero dieser Linie folgt.
Oder werden etwa andere Standpunkte im Diskussionsforum nicht mehr aufgeführt? Das möchte ich nicht hoffen.

Lieber Herr Keim,

wir freuen uns über jede Sichtweise. Kommentare können bei uns grundsätzlich stehen bleiben, sofern sie mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen sind und keine obstrusen Sachen unterstellen. Wenn Sie zur Pluralität in den Kommentarspalten beitragen, finden wir das gut.

Liebe Grüße,

Ihre CICERO-Redaktion

unter Propaganda? Und was unter rechtspopulistisch? Schade, wenn die Debatte immer wieder mit Schimpfwörtern, Tabuisierungen und Schlechtmachen des anderen abgekürzt werden soll. Deshalb: Großes Lob an Cicero!

Dennis Staudmann | Sa., 7. September 2019 - 10:23

Kinder bekommen sollten, weil man sonst dem Klima schadet. Aber Afrika ist unterbevölkert und es sollte dort keine Geburtenkontrolle stattfinden, weil der Westen sonst "Ideologischen Neokolonialismus" betreibt. Geht man von der Tatsache aus, dass es den meisten afrikanischen Ländern heute schon nicht gelingt, die eigene Bevölkerung zu ernähren und zu versorgen, wird das zukünftig wohl kaum besser werden. Die Lösung heisst dann wohl permanente Migration in die westlichen Länder, die durch den Verzicht auf eigene Kinder den entsprechenden Platz schaffen. Übrigens die meisten Staaten in Fernost wie beispielsweise China, Südkorea, Japan etc. lehnen Migration fast vollständig ab. Ob es da wohl einen Zusammenhang gibt, dass gerade diese Länder Europa wirtschaftlich überholen? Vor allem Japan sieht im demografischen Wandel der Gesellschaft eher eine Chance in einer zunehmend digitalisierten Welt. Auch ein Konstrukt wie die EU braucht dort niemand, um in der globalisierten Welt zu bestehen.

Günter Johannsen | Sa., 7. September 2019 - 10:56

"Die Stärkung der klassischen Familie und der Kampf für neuen Kindersegen ... Es geht gegen die Klimaschutzbewegung, gegen eine migrationsfreundliche Linke und gegen das liberale Wertesystem als solches."
Nein, es geht gegen die linkspopulistische EU-Bevormundung und Propaganda FÜR eine gesunde Familienpolitik, welche die eigenen Familien des jeweiligen Landes nicht benachteiligt! Was soll daran daran fasch sein?
Eine gesunde Familienpolitik stellt die eingeborene Bevölkerung (also die Steuerzahler) nicht hintenan, sondern lässt zuerst den angestammten Familien ein angemessenes Kindergelt zukommen, damit die eine Miete bezahlen können, die Familienzuwachs zulässt!!!
Trump hast das als erster erkannt und prägte deshalb den programmatischen Spruch America First. Auch daran sehe ich nichts falsches!

Ulf Müller | Sa., 7. September 2019 - 10:59

Ich mache regelmäßig in Ungarn Urlaub und empfinde es als angenehm anders im Gegensatz zu Deutschland, dass Schulklassen oder Kindergruppen noch klar als europäisch zu erkennen sind, in
meiner Heimatstadt München ist das längst nicht mehr so. Es ist nicht rassistisch, wenn man gern seine Kultur behalten möchte. Und die Überlegungen von Herrn Orban sind mehr als legitim. Man muss sich nur vor Augen führen wie Rom untergegangen ist! Und in welche Barbarei die einstige Hochkultur zurückgefallen ist. Wir hatten tausend Jahre danach in Deutschland weder Wasserspülung in den Toiletten noch Fussbodenheizung. Wer glaubt, dass sich Geschichte nicht wiederholen kann ist naiv. Der Untergang Roms begann damit dass die Römer nicht mehr in der Armee dienen wollten und die Verteidigung ihres Landes fremden Stämme überlassen haben da sind wir doch wirklich nicht weit entfernt davon bzw das hat bei uns schon begonnen auch gesamteuropäisch. Mit freundlichen Grüßen Ulf Müller

Carolina Bertram | Sa., 7. September 2019 - 11:08

Wir sind beide in anstrengenden Jobs tätig und haben 2 Kinder die jetzt aus dem Gröbsten raus sind. Ein Verdienst hatte nicht gereicht um in Wiesbaden zu überleben. Ich liebe meine Kinder, aber nochmal würde ich mir das nicht antun und wahrscheinlich würde ich auch 10 Jahre jünger aussehen. Grundsätzlich würde ich in diesem Land überhaupt keine Kinder mehr zur Welt bringen ! Betonung liegt auf in diesem Land !

Petra Horn | Sa., 7. September 2019 - 19:08

geht eine Kultur unter.
Ich möchte für mein Kind und mich und meine Familie, daß unsere Kultur erhalten bleibt.
Fortbestand einer Kultur läßt sich nicht "outsourcen". Entweder eine Kultur, ein Volk, kümmert sich selbst um seinen Fortbestand, oder es stirbt eben aus.
Deutschen Familien wird es sehr sehr schwer gemacht. Die Mittelschicht zahlt für alles und jeden mit, erhält aber sehr wenig zurück von den vielen Steuern. Die Qualität der Schulen ist inzwischen abgrundtief. Wer sein Kind liebt, gibt es auf eine Privatschule, doch das bedeutet zusätzliche Kosten.
Für Familien aus Afrika und dem Nahen Osten ist es ein Supergeschäft, hier Kinder zu bekommen. Man kann nicht abgeschoben werden und pro Kind bekommt man soviel, wie dort viele nicht im Monat verdienen. Mit jedem Kind wird die Wohnung größer. Männer können sich hier auch wunderbarerweise vier Frauen leisten, weil der Staat ja für Frauen und Kinder aufkommt.
Wie gesagt, die Mittelschicht zahlt, und wählt die Grünen.

Norbert Heyer | So., 8. September 2019 - 06:29

Unser Staat fördert die Migration, ja ist eigentlich der Motor dieser Bewegung. Wir nehmen jeden - ohne jegliche Vorbedingungen oder gar Legitimation - auf und alimentieren großzügig. Familiennachzug inklusive und unbegleitete Jugendliche erhalten ein Sozialprogramm ohnegleichen. Das führt mittelfristig - bei gleichzeitig niedrigen Geburtenraten der Deutschen - zu einer Verschiebung der politischen Verhältnisse durch natürlichen Austausch der Bevölkerungsstruktur. Wenn dann noch der Kinderwunsch der Deutschen als Belastung für die Umwelt kritisiert wird, kann man getrost die Abschaffung einer deutschen Nation als Endziel ansehen. Alles scheint politisch schon vorgeplant zu sein, anders sind die einseitigen
Bevorzugungen der Migranten gegenüber den „schon länger hier Lebenden“ nicht erklärbar. Wir werden mit Klima und CO 2 eingelullt, während auf der anderen Seite unumkehrbar Maßnahmen durchgezogen werden, die Europa in einen Vielvölkerstaat auf niedrigem sozialen Niveau umwandeln.

Tomas Poth | So., 8. September 2019 - 18:15

Welterschöpfungstag 2019 war im July, wenn man das glauben darf, glauben mag oder glauben soll.
Die heutige Menschheit bräuchte dann also 2 Erden um den Energie- und Ressourcenverbrauch (ERV)auszugleichen.
Das glaubend vorausgesetzt müßten wir also entweder die menschliche Population halbieren oder den ERV halbieren.
Da sich der "Westen" vermehrungstechnisch auf dem Rückzug befindet, müßte man also von anderen Regionen ein Gleiches einfordern.
Stattdessen wird im UN-Migrationspakt Migration als "Quelle des Wohlstandes" gesehen, also Überpopulation in Afrika und anderen Regionen belohnen und damit fördern!?
Wieviel Erden brauchen wir dann folglich in 10, 50 oder 100 Jahren?
Was denn nun Wachstum oder nicht?
Weitere Überpopulation oder Geburtenbeschränkung?
Jedes Land macht seine Politik, die UN leider die falsche!