
- Das Zaudern der Koalition
Der Streit um die Frage, ob Deutschland die Olympischen Spiele in Peking diplomatisch boykottieren soll, offenbart den ersten Konflikt zwischen der „wertebasierten Außenpolitik“ des grünen Außenministeriums und dem pragmatischen Ansatz von Bundeskanzler Olaf Scholz.
Die deutsche Außenpolitik hat gleich eine komplizierte Frage auf der Tagesordnung: Soll Deutschland die Olympischen Spiele in Peking 2022 diplomatisch boykottieren? Die Grünen befürworten dies ebenso wie die FDP, aus deren Reihen sogar die Forderung nach einem Gesamtboykott erhoben wird. Die neue Regierung windet sich noch und hält sich die Entscheidung offen, weil die erste unterschiedliche Einschätzung zwischen Bundeskanzler und Außenministerin nicht den Start überschatten soll. Doch Bundeskanzler Scholz markiert seine grundsätzlich unterschiedliche Abwägung, auf welchen Grundlagen außenpolitische Entscheidungen beruhen, gegenüber seiner Außenministerin deutlich. Damit gibt die neue Bundesregierung schon gleich zu Beginn international ein ungünstiges Bild ab, denn sie wusste, dass diese Frage ansteht – und ganz gleich, ob sie den diplomatischen Boykott befürwortet oder ablehnt, ein festes und sicheres Auftreten von Anfang an wäre ein kräftiges Signal an die anderen Staaten gewesen. So beginnt die deutsche Außenpolitik mit Zaudern, weil ein Koalitionskonflikt vermieden werden soll.
Kein Gesamtboykott, aber ein Zeichen
So ist die Lage derzeit: Die USA, Großbritannien, Australien und Kanada werden die Olympischen Spiele in China diplomatisch boykottieren. Viele andere Staaten werden dazu angehalten werden, ihnen zu folgen. In der EU setzt die Beratung darüber gerade ein. Warum erst jetzt, ist ein Rätsel, denn die amerikanische Entscheidung ist zwar erst Anfang der Woche gefallen, aber die Diskussion läuft schon seit vielen Monaten. Nun also soll kein genereller, sondern ein diplomatischer Boykott umgesetzt werden. Das heißt, es werden zwar die Sportler nach Peking anreisen, aber nicht die ranghohen Regierungsvertreter, die gewöhnlich bei solchen Großereignissen erscheinen. Begründet wird der Boykott von der amerikanischen Regierung mit den Menschenrechtsverletzungen in China, insbesondere in Xinjiang. Dieser Begründung schlossen sich Australien und Großbritannien an. Damit wählen diese Staaten ein politisches Mittel, das nicht ganz so heftig ausfällt wie ein Gesamtboykott der Spiele – wie 1980 durch die USA in Moskau und 1984 durch die Sowjetunion in Los Angeles –, setzen aber gleichwohl ein deutliches Zeichen der Missachtung gegenüber dem Gastgeberland. China hat dieses Verhalten gerügt. Der Boykott widerspreche dem olympischen Geist. Die Regierung hat angedroht, dass die USA für dieses „Fehlverhalten“ einen Preis zahlen werden.