Israelische Soldaten fahren während einer Bodenoperation im Gazastreifen auf einer Straße / picture alliance

Nahostkonflikt - Israels Gegenoffensive in Gaza: „Ergebt euch!“

Das israelische Militär hat seit Beginn des Krieges vor gut zwei Monaten schon mehr als 22.000 Ziele angegriffen, heißt es. Der Generaldirektor der WHO spricht derweil von einer verheerenden Lage im Gazastreifen. Israel will seine Offensive aber fortsetzen.

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Israel will ungeachtet immer mehr getöteter Zivilisten den Krieg im Gazastreifen gegen die islamistische Hamas weiter intensivieren – und verbreitet Siegesgewissheit. Der Krieg werde noch andauern, „aber das ist der Anfang vom Ende der Hamas“, prophezeite Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einer Video-Botschaft am Sonntagabend. „Zu den Terroristen der Hamas sage ich: Es ist aus. Sterbt nicht für (den Chef der Hamas im Gazastreifen, Jihia) Sinwar. Ergebt euch – jetzt“. 

Unterdessen wächst die internationale Kritik am Vorgehen seiner Regierung angesichts einer immer katastrophaleren Lage für die Zivilisten im Gazastreifen. Laut den Vereinten Nationen hungert inzwischen die Hälfte der Bevölkerung im Gazastreifen. Weltweit wird gewarnt, dass das unerträgliche Leid nur noch mehr Palästinenser in die Arme der Hamas treibe. 

Darauf angesprochen, antwortete US-Außenminister Antony Blinken im Interview des US-Fernsehsenders CNN auf die Frage, wann Israel gedenke, diese intensive Phase der Kämpfe zu beenden: „Das sind Entscheidungen, die Israel treffen muss.“ Aber es liege auch an der Hamas. Statt sich hinter Zivilisten zu verstecken, könne sie sich einfach ergeben. „Sie könnte morgen ihre Waffen niederlegen, sie könnte sich morgen ergeben, und dann wäre alles vorbei“, so Blinken.

Mehr als 22.000 Ziele angegriffen

Das israelische Militär hat seit Beginn des Krieges vor gut zwei Monaten nach eigenen Angaben schon mehr als 22.000 Ziele angegriffen. Das von Israel abgeriegelte Küstengebiet am Mittelmeer ist flächenmäßig nur etwas größer als die Stadt München. Wie die Armee am Sonntagabend mitteilte, seien mehrere Kommandanten zweier nördlicher Hamas-Brigaden, denen rund 14.500 Mann unterstünden, getötet worden. Die Armee veröffentlichte dazu die Namen der „eliminierten“ Männer.

Erstmals sind jetzt auch Truppen der Artillerie innerhalb des Gazastreifens im Einsatz, ergänzend etwa zu Panzer- und Bodentruppen. Bislang war die Artillerietruppe von der Grenzlinie aus im Einsatz. Nach Darstellung Israels ist die Hamas angezählt. Angaben des Nationalen Sicherheitsberaters Zachi Hanegbi vom Samstagabend zufolge sind nicht nur bereits etwa 7000 Hamas-Terroristen tot. Auch strecken nach offizieller Darstellung immer mehr Hamas-Kämpfer die Waffen. „In den letzten Tagen haben sich Dutzende Hamas-Terroristen unseren Streitkräften ergeben“, erklärte Ministerpräsident Netanjahu.

Von Massenkapitulation kann keine Rede sein

In den vergangenen Tagen veröffentlichte die Armee Videos aus dem Norden Gazas, in denen festgenommene palästinensische Männer in Unterhosen zu sehen sind. Die Zeitung Haaretz schrieb allerdings am Sonntag unter Berufung auf namentlich nicht genannte Vertreter der Sicherheitskräfte, dass unter den bislang mehreren hundert festgenommenen Palästinensern nur rund 10 bis 15 Prozent waren, die der Hamas oder mit ihr verbundenen Organisationen angehörten. Von einer Massenkapitulation könne derzeit keine Rede sein, hieß es.
 

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Nach Empörung über die Aufnahmen von Gefangenen in Unterhosen will Israel eine weitere Verbreitung solcher Bilder unterbinden. Der Nationale Sicherheitsberater Zachi Hanegbi sagte laut der The Times of Israel am Sonntagabend, Verdächtige müssten durchsucht werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen oder Sprengstoff bei sich tragen. Die Bilder von ihnen in Unterhosen würden jedoch „niemandem dienen“. Er erwarte, dass die Verbreitung eingestellt werde. Die Bilder hätten Besorgnis über Israels Festnahmeverfahren in Gaza ausgelöst und Fragen über mögliche Rechtsverletzungen oder erniedrigende Behandlung aufgeworfen, schrieb die Times of Israel.

Veto der Vereinigten Staaten

Auslöser des Gaza-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Mehr als 1200 Menschen wurden bei den beispiellosen Angriffen getötet. Israel begann daraufhin mit massiven Luftangriffen und seit Ende Oktober mit einer Bodenoffensive in dem Gebiet. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde inzwischen rund 18.000 Menschen getötet und mehr als 49.200 verletzt.

„Natürlich möchte jeder, dass dieser Feldzug so schnell wie möglich zu Ende geht“, sagte Blinken dem Sender CNN. Aber jedes Land, das von einer Terrororganisation auf brutalste Weise angegriffen worden sei, die wiederholt gesagt habe, dass sie das immer wieder tun würde, „muss an den Punkt gelangen, an dem es zuversichtlich ist, dass sich das nicht wiederholen kann“, erklärte Blinken weiter. Sein Land hatte zuvor im Weltsicherheitsrat einen Resolutionsentwurf für einen humanitären Waffenstillstand per Veto zum Scheitern gebracht.

Wie die israelische Nachrichtenseite Ynet in der Nacht zum Montag berichtete, will der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, Ende dieser Woche Israel besuchen. Sullivan werde in Jerusalem mit ranghohen Beamten zusammentreffen, um unter anderem über die Aufstockung der humanitären Hilfe für Gaza zu sprechen.

Folgen des Konflikts katastrophal

Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, schilderte am Sonntag die verheerende Lage in dem von Israel abgeriegelten Küstengebiet. „Die Folgen des Konflikts auf die Gesundheit sind katastrophal“, sagte er zum Auftakt einer Sondersitzung des WHO-Exekutivrats in Genf. Der Rat nahm am Abend ohne Abstimmung eine Resolution an, die unter anderem eine Ausweitung der humanitären Hilfslieferungen fordert. Die USA, Deutschland und andere Länder bemängelten, dass der Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober in dem Text nicht erwähnt und verurteilt wird.

dpa

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Helmut W. Hoffmann | Mo., 11. Dezember 2023 - 11:03

die Vernichtung der Hamas-Organisation ist für Israels Überleben essentiell. Der Forderung nach Waffenstillstand kann und darf Israel nicht nachgeben, es würden sich nur Hamas-Terroristen neu formieren. Blinken hat recht wenn er sagt, daß die Hamas sich ergeben könnte um den Krieg umgehend zu beenden. Auch die Bevölkerung im Gaza-Streifen darf sich nicht weiter hinter die Hamas stellen bzw. sich von der Hamas zum Schutz mißbrauchen lassen, wie es jahrzehntelang üblich war.

Zu den antisemitischen Protesten in Deutschland: Es ist beschämend, daß die Bundesregierung und die Länderregierungen - hier insbesondere in Berlin - nicht rigoros gegen den muslimischen Pöbel durchgreift; aber da der links-rot-grüne deutsche Politpöbel solidarisch mit den Migranten ist, ist dies wohl unrealistisch.

Reinhold Schramm | Mo., 11. Dezember 2023 - 11:23

Man stelle sich vor, vor Kriegsende 1945, man hätte die Truppen der Waffen-SS, der Einsatzgruppen der Polizei und die Wachmannschaften von Vernichtungslagern in die militärische Enge getrieben und würde dann auch noch auf deren Vernichtung verzichten? – Heute undenkbar!

Aber auch die historische Tatsache unentschuldbar, dass man vor allem in Westeuropa und Westdeutschland auf deren Aburteilung verzichtet hat. Selbst noch nach Jahrzehnten des Kriegsendes erhielten die mörderischen deutschen SS-Aktivisten, die osteuropäischen und südosteuropäischen Hilfskräfte der Wehrmacht und SS lebenslange finanzielle Altersrenten.

Aber auch die von den westlichen Alliierten brauchbaren NSDAP- und SS-Aktivisten wurden vom bundesdeutschen Wirtschafts- und Staatsdienst übernommen; so im Bundesparlament, im BND und BDI, bis in die obersten Spitzen der Regierungsbehörden und Wirtschaftsverbänden.

PS: Ein Neuanfang muss für die Verantwortlichen und Beteiligten der Hamas dauerhaft ausgeschlossen bleiben!

Helmut Bachmann | Mo., 11. Dezember 2023 - 12:35

hat nur eins zu tun: die Hamas per Resolution zur sofortigen Aufgabe aufzufordern. Dafür müsste sie natürlich den Antisemitismus in den eigenen Reihen bekämpfen. Also weiter mit dem selben Unsinn.

Urban Will | Mo., 11. Dezember 2023 - 13:23

in den USA kamen ca. 3000 Menschen ums Leben und die Amerikaner hatten die Sympathie der ganzen westlichen Welt und begangen einige Kriege, um Vergeltung zu üben.
Ins Verhältnis zur Einwohnerzahl gesetzt, hätte das Massaker vom 7.10.23 in Israel (1200 Opfer) für die USA eine Opferzahl von rund 42 500 Menschen bedeutet.
Und es ist obendrein ein Unterschied, ob Wolkenkratzer angegriffen oder Säuglinge gezielt enthauptet werden.
Ist ist mehr als nachvollziehbar, warum Israel nun das macht, was es macht.
Die Hamas muss weg, was immer das auch kostet. Man hat die Zivilbevölkerung gewarnt und es reicht nicht, zu sagen, „die konnten nicht weg“. Doch, das hätten sie gekonnt, wenn sie es gewollt hätten.
Man hat die Hamas als Führung geduldet und zahlt jetzt den Preis.
Es wird noch viele schlimme Bilder geben, aber vielleicht wächst ja doch in dem einen oder anderen Kopf dort die Erkenntnis, das Aufgeben besser ist als für eine verblendete Terror-Phantasie zu sterben.

Es mag kaltherzig klingen oder sogar sein, sich angesichts von Zahlen zu versuchen ein Bild zu machen. Aber Ihr Kommentar werter Herr Will und die genannten Zahlen im Beitrag wären übertragen auf uns hier, unsere Innere Sicherheit oder den Rechtsstaat der helle Wahnsinn. Man stelle sich vor, auf einer Fläche wie München hätten wir es unterstützt von nur 50% deren Gesamtgesellschaft mit 2 Brigaden 14000 Mann hochbewaffneter Terroristen zu tun, deren Kommandostellen-/Raketenabschussbasen sich inmitten der zivilen Infrastruktur (neben Hofbräuhaus oder unter dem Klinikum Großhadern) befänden. Tunnel graben bliebe ihnen sarkastisch ausgedrückt erspart, da München ja über genügend U-Bahnanlagen verfügt. Wie wollte man da eine Gegenwehr/Verbrechensbekämpfung ohne Opfer bewerkstelligen? Wir haben ja nicht mal unsere paar IS-Rückkehrer und andere extremistische Schwachmaten aller Couleur im Griff, die uns und der Art wie wir leben möchten verblümt den Stinkefinger entgegen halten. MfG

Henri Lassalle | Mo., 11. Dezember 2023 - 14:33

Krieg ist immer mit Grauen und roher Gewalt gegen Zivile verbunden. Aber das haben sich die Plästinenser zum überwiegenden Teil selbst zuzuschreiben; unterstützen sie nicht die Hamas direkt oder indirekt? Sie könnten den Hamas-Terror beenden.
Israel hat die einzig richtige Option gewählt: Vernichtung des Hamas-Fanatismus, Beseitigung der Bedrohung des Staates Israel.

Chris Groll | Mo., 11. Dezember 2023 - 18:18

"... Statt sich hinter Zivilisten zu verstecken, könnten sie sich einfach ergeben. „Sie könnte morgen ihre Waffen niederlegen, sie könnte sich morgen ergeben, und dann wäre alles vorbei“, so Blinken. Da hat er absolut recht.
@Helmut W. Hoffmann, @Reinhold Schramm,
@ Helmut Bachmann, @Urban Will,
@ Henri Lassalle.
Sehe ich wie Sie.
Lediglich die Kinder in Gaza tun mir leid und sie sind zu bedauern. Sie werden benutzt, tragischerweise auch von ihren eigenen Eltern.

Gunther Siegwart | Di., 12. Dezember 2023 - 07:32

Die Zahl Getöter im Gazatreifen stammen von der Hamas. Woher wissen Sie, dss es Zivilisten waren? Tragen die Hamas-Terroristen eine Uniform? Ein Abzeichen?
So ungeprüft Hamas-Zahlen zu übernehmen, ist bösartig.

Gerhard Noack | Di., 12. Dezember 2023 - 13:37

Obwohl ich mit den meisten Kommentaren bei anderen Artikeln übereinstimme muß ich mich hier klar von den Kommentatoren distanzieren.
Gibt es für Israel nur die Lösung in das Gebiet eines anderen Staates einzumaschieren. Laut Wikipedia ist der Gaza-Streifen Staatsgebiet des Staates Pälästina. Wurde die Zwei-Staaten-Lösung schon einmal ernsthaft verfolgt. Stattdessen ständige Kontrolle durch Israel und häufige Provokationen durch israelische Siedler.