
- Ein Abgang nach Trumps Geschmack
Auch das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump führt zu einem Freispruch. Damit ist gleichzeitig sein polarisierender Abschied aus dem Präsidentenamt vollendet.
Seit neuestem darf sich Donald J. Trump nicht nur als der einzige US-Präsident bezeichnen, gegen den zweimal ein Amtsenthebungsverfahren eröffnet worden ist, er ist auch der bisher einzige US-Präsident, der in zweien solcher Verfahren freigesprochen worden ist.
Das Ende der Amtszeit des 45. US-Präsidenten am Tage der Amtseinführung von Joe Biden muss für die Trump-Anhänger ein deprimierendes Ereignis gewesen sein – nicht nur, weil „ihr“ Präsident aus dem Amt schied, sondern weil sein Abgang eher an eine unrühmliche Flucht denn an einen feierlichen Abschied erinnerte. Trump hatte nicht an der Zeremonie für Joe Biden teilgenommen und umgekehrt waren weder Biden noch Trumps eigener Vizepräsident Pence bereit und verfügbar gewesen, um Trump in den politischen Ruhestand zu verabschieden. Das Land war noch immer schockiert über den Sturm auf das Kapitol, der im Anschluss an Trumps Veranstaltung zur Verhinderung eines angeblichen Wahlbetrugs am 6. Januar stattgefunden hatte. Als Konsequenz hing schon an seinen letzten, einsamen Tagen im Weißen Haus erneut das Damoklesschwert der Amtsenthebung über Trumps Kopf.
Hollywoodreife Inszenierung
Am 13. Januar ließen die Demokraten ihren Androhungen Taten folgen und eröffneten mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen den noch amtierenden Präsidenten Trump. Die Anklage lautete auf Anstiftung zum Aufstand im Rahmen der Kapitol-Proteste. Am 9. Februar begann die entsprechende Verhandlung im Senat.
Es scheint eine Ewigkeit zurückzuliegen, dass schon das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump an dieser Stelle als hollywoodreife Inszenierung beschrieben wurde. Auch der Neuauflage dieser Inszenierung war zu eigen, dass sie weniger den Gepflogenheiten einer ordentlichen Gerichtsverhandlung folgte, sondern vielmehr darauf abzielte, auf emotionaler Ebene zu wirken und zu überzeugen – und das weit über die Senatskammer hinaus. Zu diesem Zweck präsentierten die Ankläger der Demokraten unter anderem eine aufwändige Synchronisation von Trumps kämpferischen Äußerungen und Tweets am 6. Januar mit den gewalttätigen Ereignissen vor dem und im Kapitol.
Friedlicher und patriotischer Aufruf Trumps nicht zu hören
Auch wenn die zur Verurteilung Trumps notwendige Zweidrittelmehrheit im Senat nicht realistisch anmutete, so sollte der Ex-Präsident wenigstens in den Augen der US-amerikanischen Öffentlichkeit verurteilt werden. Nach einem eher peinlichen Auftakt schossen Trumps Verteidiger jedoch ebenso choreografiert zurück: In ihrem Video zeigten sie auf, dass die Anklage die Szenen aus Trumps Kundgebung so zurechtgeschnitten hatte, dass Trumps Aufruf, „friedlich und patriotisch“ zum Kapitol zu marschieren, nicht zu hören war.
Dieser Aufruf spricht Trump zwar nicht von seiner Verantwortung für die Unruhen frei, allerdings macht er es ungleich schwerer, Trump eine Absicht zur Anstiftung der Gewalt nachzuweisen. Auch den Vorwurf, Trump habe bereits im Jahr 2017 rechtsextreme Gewalttäter in Charlottesville als „sehr feine Leute“ in Schutz genommen, schwächte die Verteidigung ab, indem sie zeigte, dass Trump auf der damaligen Pressekonferenz Neonazis und Rechtsextremisten explizit von dieser Bezeichnung ausgenommen hatte.
Politische Instinkte der Republikaner noch intakt
Die übergreifende Ironie in der Inszenierung von „Impeachment, Part 2“ lag schließlich darin, dass ihr eigentlicher „Star“ darin weder als Sprechrolle noch als Statist vorkam. Stattdessen hielt Trump sich sowohl von der Öffentlichkeit als auch von der Verhandlung fern, während es die ganze Zeit über doch nur um ihn ging. Anscheinend, so der entstandene Eindruck, war selbst ein unsichtbarer Ex-Präsident Trump auf der Anklagebank noch interessanter als ein Präsident Biden im Weißen Haus.
Die Republikaner haben mit ihrem Taktieren im Senat bewiesen, dass ihre politischen Instinkte auch in der Zeit nach Trump intakt sind: Als er selbst noch Mehrheitsführer der Republikaner im Senat und Trump noch Präsident war, begrüßte Mitch McConnell zwar das Amtsenthebungsverfahren, lehnte es jedoch ab, den Senat frühzeitig für das Verfahren zusammenzurufen. Nachdem er Minderheitenführer im Senat und Biden Präsident geworden waren, lehnte McConnell dann zumindest die Schuldigsprechung Trumps mit der Begründung ab, die Verfassung lasse eine Verurteilung eines ehemaligen Präsidenten in einem Amtsenthebungsverfahren nicht zu.
Eindruck einer „Hexenjagd“ wurde vermieden
Als sich abzeichnete, dass zu wenige republikanische Senatsangehörige für Trumps Schuldigsprechung stimmen würde, gab McConnell bekannt, dass auch er gegen eine Verurteilung stimmen würde. Dies wiederum hielt ihn nicht davon ab, Trump nach der gescheiterten Anklage im Senat sowohl praktisch als auch moralisch dafür verantwortlich zu machen, den Sturm auf das Kapitol provoziert zu haben. Zudem deutete er mögliche, noch offene justizielle Konsequenzen für den Bürger Trump außerhalb des Amtsenthebungsverfahrens an, was als Warnschuss in Richtung des Ex-Präsidenten gewertet werden kann.
Insgesamt hat McConnell also seine eigene Fraktion bestmöglich zusammengehalten, dabei jedoch zumindest eine moralische Trennlinie zwischen den republikanischen Parlamentariern und Trump gezogen, und bei den republikanischen Trump-Wählern den Eindruck einer „Hexenjagd“ auf ihren Präsidenten vermieden. Die Demokraten werden im Senat erst noch unter Beweis stellen müssen, dass sie ebenfalls die Fähigkeit zu solchen politischen Balanceakten besitzen.
Trumps erbittertster Feind vor Zustand der Selbstauflösung
Zeitgleich zum für Trump mal wieder glimpflich ausgegangenen Amtsenthebungsverfahren hat das launische Schicksal eine prominente Gruppe seiner erbittertsten Feinde in den Abgrund gerissen: Das Lincoln Project, die Zusammenkunft mehrerer (Ex-)Republikaner, die unter dem Porträt von Abraham Lincoln Wahlkampf für die Demokraten gegen den republikanischen Präsidenten betrieben hat, befindet sich durch eine Reihe von Skandalen im Zustand der Selbstauflösung.
Einer seiner Mitbegründer, der das Projekt bereits verlassen hat, wird beschuldigt, zahlreiche Männer sexuell belästigt zu haben, was andere Mitwirkende zu lange ignoriert haben sollen. Daraufhin trat ein weiterer Mitbegründer mit der in dieser Situation bizarr anmutenden Rechtfertigung zurück, er wolle im Vorstand Platz für ein weibliches Mitglied schaffen. Millionenspenden an das Projekt sollen wiederum an den Mitarbeitern nahestehende Beratungsunternehmen geflossen sein. Auf Twitter liefern sich verschiedene prominente (Ex-)Mitglieder Schlammschlachten.
Polarisierender und kämpferischer Abgang
Damit hat das Lincoln Project einen ungünstigen Kontrast zwischen der eigenen moralischen Plattform, von der aus man Trump bewertet hat, und der moralischen Realität des eigenen Handelns geschaffen. In der Summe ergibt sich für Trump aus dem zweiten Amtsenthebungsverfahren somit ein Freispruch für ihn, eine republikanische Partei, die nicht vollends mit ihm gebrochen hat, eine zumindest für einige Tage noch einmal exklusive Aufmerksamkeit, die Gelegenheit, einigen Darstellungen auf großer Bühne zu widersprechen, und die Selbstdemontage einiger seiner ärgsten Feinde.
Im Grunde ist erst mit dem Abschluss des Verfahrens auch Trumps Abschied aus dem Präsidentenamt vollendet worden. Dieser Abgang, kämpferisch und polarisierend, dürfte eher nach seinem Geschmack ausgefallen sein als der faire und versöhnliche Handschlag mit seinem Nachfolger, welchen man zwar gern gesehen hätte, den man sich aber doch nicht so recht vorstellen konnte.