Menschen legen Blumen und Spielzeug am Zaun neben der Crocus City Hall nieder / dpa

Dschihadismus - Die Rückkehr des Islamischen Staats

Mit seinen Anschlägen im Iran und in Russland nutzt der Islamische Staat die internen Konflikte dieser Länder aus. In ihrer Konfrontation mit Teheran und Moskau müssen die USA darauf achten, nicht dem IS in die Hände zu spielen.

Autoreninfo

Kamran Bokhari ist Experte für den Mittleren Osten an der Universität von Ottawa und Analyst für den amerikanischen Thinktank Geopolitical Futures.

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Fünf Jahre nach dem Verlust der letzten Hochburg seines untergegangenen Kalifats in der Levante erlebt der Islamische Staat ein Comeback. Der Schwerpunkt der Gruppe hat sich jedoch in die afghanisch-pakistanische Region verlagert, wo sie dabei ist, die Großmachtkonkurrenz in Eurasien auszunutzen. Ihr Wiedererstarken kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die USA, die so viel Zeit mit der Bekämpfung nichtstaatlicher Akteure verbracht haben, wieder mit Herausforderungen durch Nationalstaaten konfrontiert sind. Der Wettbewerb der Großmächte und die Herausforderungen durch aufstrebende Regionalmächte stellen für Washington eine weitaus größere Bedrohung dar als der Terrorismus, aber der Terrorismus wird in den nationalen Sicherheitsstrategien der USA weiterhin eine Rolle spielen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am 26. März eingeräumt, dass der Anschlag auf eine Konzerthalle vor den Toren Moskaus, zu dem sich der IS bekannte, tatsächlich von islamistischen Kämpfern aus Tadschikistan verübt wurde. Er wies jedoch darauf hin, dass der Anschlag der Ukraine zugutekomme und dass Kiew möglicherweise eine Rolle bei der Erleichterung des Anschlags gespielt habe. Die Attacke ereignete sich etwas mehr als zwei Monate nach zwei Bombenanschlägen in der südöstlichen iranischen Stadt Kerman, bei denen 100 Menschen getötet und fast 300 weitere verwundet wurden. Das Ziel war eine Gedenkfeier am Grab von Generalmajor Qassem Soleimani, dem iranischen Kommandeur der Quds-Truppen, der vor vier Jahren bei einem US-Drohnenangriff getötet wurde. Das Teheraner Ministerium für Nachrichtendienste und Sicherheit erklärte, einer der Drahtzieher des Anschlags – zu dem sich auch der IS bekannte – sei ein tadschikischer Staatsangehöriger.

Die Anschläge des IS auf Russland und den Iran haben zwei Gemeinsamkeiten. Erstens handelte es sich in beiden Fällen um Aktivisten aus Tadschikistan, dem ärmsten Land Zentralasiens, das in hohem Maße von Russland abhängig ist. Unter den Staaten der Region ist Tadschikistan am anfälligsten für die Instabilität, die von dem von den Taliban beherrschten Afghanistan ausgeht, dem Hauptquartier des Ablegers des Islamischen Staates in der Provinz Chorasan (ISKP). Die grenzüberschreitende ethnische tadschikische Bevölkerung war schon in den 1990er Jahren ein Förderband für die islamistische Militanz zwischen den beiden Ländern. Es ist daher nicht überraschend, dass tadschikische Staatsangehörige im IS so stark vertreten sind. (Sogar der ehemalige Militärchef der Gruppe war vor seinem Tod im Jahr 2017 ein ehemaliger Oberst der tadschikischen Spezialeinheiten.) Diese Repräsentanz ermöglicht es dem IS, sowohl in Russland als auch im Iran zuzuschlagen. Die Staatsangehörigen sind als ausländische Arbeitskräfte in Russland beschäftigt; die Beherrschung der russischen Sprache erleichtert diesen Zugang. Und ihre Muttersprache ist eine Variante des Persischen, was ihnen hilft, über Afghanistan in den Iran einzudringen.

Dem IS-Zweig in Südwestasien scheint eine führende Rolle zuzukommen

Die zweite Gemeinsamkeit der Anschläge ist der Zeitpunkt. Sie fanden statt, als beide Länder in größere Konflikte in ihrem strategischen Umfeld verwickelt waren. Der Anschlag in Iran ereignete sich, als iranische Stellvertreter im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen im Gefolge des Gaza-Kriegs Israel, die US-Streitkräfte und die Handelsschifffahrt aggressiv angriffen. Der Angriff in Russland wiederum fand zu einem Zeitpunkt statt, als die russische Armee nach zwei Jahren Krieg endlich Fortschritte machte, während den ukrainischen Streitkräften die Waffen ausgingen – und die Unterstützung der USA schwand.

Dies entspricht den Handlungsprinzipien dschihadistischer Gruppen. Sie nutzen bestehende Krisen und Konflikte in den Ländern, in denen sie ansässig sind, und planen ihre Angriffe entsprechend dieser Strategie. Der IS selbst entstand, als sein Gründer Abu Musab al-Zarqawi die US-Besetzung des Irak ausnutzte. Die Gruppe manipulierte auch ethnische und konfessionelle Spaltungen zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden. Nach dem Abzug der USA im Dezember 2011 war die Gruppe in einer guten Position, um nicht nur die territoriale Kontrolle im Irak zu erlangen, sondern auch den Aufstand des Arabischen Frühlings zu nutzen, um ihren Einflussbereich auf das benachbarte Syrien auszudehnen, das in einen konfessionellen Konflikt versunken war. So entstand im Jahr 2014 das Kalifat.

 

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Während der arabische Kern der IS-Bewegung seit der Zerschlagung seines kurzlebigen Regimes nicht wieder auferstehen konnte, scheint sein Zweig in Südwestasien eine führende Rolle bei den Operationen der Gruppe zu übernehmen. In den vergangenen Jahren hat sie mehrere Anschläge in ihrer unmittelbaren Umgebung in Afghanistan und Pakistan verübt und die Fähigkeit entwickelt, im Iran zuzuschlagen, wenn auch in bescheidenerem Umfang. Der Anschlag in Russland zeugt jedoch von einer weitaus fortgeschritteneren Fähigkeit angesichts der großen Entfernungen, über die die Agenten eingesetzt wurden.

Viele islamistische Kämpfer aus Tschetschenien schlossen sich dem IS an

Vor allem verfügt der IS über Einrichtungen, die viel näher an Russlands Kerngebiet im Nordkaukasus liegen. Es könnte sein, dass der dortige Zweig durch die Sicherheitslage des Kremls durch Ramsan Kadyrow, den tschetschenischen Führer und engen Verbündeten Putins, eingeschränkt wird. Immerhin hat Moskau in den 1990er und 2000er Jahren zwei Separatistenkriege in Tschetschenien geführt, in denen transnationale Dschihadisten eine Schlüsselrolle spielten. Viele islamistische Kämpfer aus Tschetschenien und der weiteren Nordkaukasusregion schlossen sich dem Islamischen Staat in Syrien und im Irak an und konnten möglicherweise nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. Unabhängig vom Status des IS in Gebieten wie Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan stellt die ISKP eine große Bedrohung für die Sicherheit Russlands und der zentralasiatischen Staaten dar.

Es ist davon auszugehen, dass die ISKP nicht nur die Geopolitik des Irans und Russlands, sondern auch deren innenpolitische Situation ausnutzen will. Der Krieg in der Ukraine und das Sanktionsregime schwächen den russischen Staat. Eine ähnliche, vielleicht noch akutere Situation besteht im Iran angesichts der politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen im Zuge des bevorstehenden Führungswechsels. Die ISKP versucht, sich in diese Krisen einzumischen, um sich zu einem wichtigen Akteur in Eurasien zu entwickeln.

Da Washington es mit immer aggressiveren Gegnern in Teheran und Moskau zu tun hat, die aber auch mit internen Konflikten zu kämpfen haben, muss es herausfinden, wie es ihnen begegnen kann, ohne dem Islamischen Staat die Möglichkeit zu geben, sie auszunutzen. Nach dem 11. September 2001 haben die USA der Bedrohung durch transnationale Islamisten eine Generation lang Vorrang vor dem strategischen Wettbewerb mit Russland, China und dem Iran eingeräumt. Der Zusammenbruch des IS-Kalifats im Jahr 2017 und der Rückzug aus Afghanistan im Jahr 2021 haben Washington die Möglichkeit gegeben, sich stärker auf Letzteres zu konzentrieren. In Zukunft wird es entscheidend sein, Moskau, Peking und Teheran entgegenzutreten und gleichzeitig den IS zu bekämpfen, zumal sich der dschihadistische Terrorismus in die geopolitischen Angelegenheiten Eurasiens einbettet.

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Tomas Poth | Di., 2. April 2024 - 16:31

Wir werden wohl leider noch viel übles davon hören. Das läßt sich wohl nicht ausrotten. Das ist muslimisches Basisgeschäft und lebt aus sich selbst heraus.
Erstaunlicherweise wurde China noch nicht davon betroffen! Was machen die anders, daß sich die Muslime da nicht herantrauen? Grund genug gebe es doch, sh. Uiguren in der Provinz Xinjiang!

Chris Groll | Di., 2. April 2024 - 21:03

Antwort auf von Tomas Poth

Das kann ich Ihnen sagen. Die Chinesen würden ganz anders mit den Terroristen umgehen. Habe heute auf ET eine Dokumentation gesehen:
„Chinas wandelnde Tote“ – Überläufer packen aus.
Wer mit seinen eigenen Staatsbürgern so brutal umgeht und wo Menschenleben keine Rolle spielen, wird keine Rücksicht auf irgendwelche andere Menschen nehmen und schon gar nicht auf Terroristen.

Volker Naumann | Di., 2. April 2024 - 23:23

Antwort auf von Tomas Poth

Ich glaube mich zu erinnern und von Umerziehungslagern und eine Art
Haftanstalten gehört zu haben. Insassen werden dann nach einiger Zeit
vorgeführt und berichten, wie glücklich sie jetzt sind.

Man hat es wohl im Griff, aber es ist schon erstaunlich, so viele
Völkerschaften (z. B. auch die Tibeter) bei einer Bevölkerung von
über einer Milliarde so unter Kontrolle zu halten.

Lustig dürfte es wohl kaum sein!

Zu Ihrem ersten Absatz stimme ich zu Herr Poth, wir werden noch viel hören.

MfG

Reinhold Schramm | Di., 2. April 2024 - 16:57

Karl Marx: Die Kriegserklärung –
Zur Geschichte der orientalischen Frage (28. März 1854)

»Der Koran und die auf ihm fußende muselmanische Gesetzgebung reduzieren Geographie und Ethnographie der verschiedenen Völker auf die einfache und bequeme Zweitteilung in Gläubige und Ungläubige. Der Ungläubige ist „harby“, d. h. Der Feind. Der Islam ächtet die Nation der Ungläubigen und schafft einen Zustand permanenter Feindschaft zwischen Muselmanen und Ungläubigen. In diesem Sinne waren die Seeräuberschiffe der Berberstaaten die heilige Flotte des Islam.“ {…}« – Aus: MEW, Bd. 10, S. 170–176.

Albert Schultheis | Di., 2. April 2024 - 18:44

"Nach dem 11. September 2001 haben die USA der Bedrohung durch transnationale Islamisten eine Generation lang Vorrang vor dem strategischen Wettbewerb mit Russland, China und dem Iran eingeräumt." - Nichts ist falscher als diese Behauptung, Herr Bokhari! Nie hatte die "Bedrohung durch transnationale Islamisten" einen Vorrang für die USA. Klar, man trug das Banner vor sich her "War against terrorism!" Aber in Wahrheit päppelte man die Terroristen als Vasallen, mit Waffen, Geld und Logistik, denn es ging gegen die Erzfeinde, Russland, den Iran und Syrien. Allein diese errangen einen zeitweiligen Sieg gegen den IS, wenn überhaupt! Dafür ermordete man die fähigsten iranischen Generale. Es ist die Dummheit Washingtons, dass man nicht erkannte, dass der gefährlichste gemeinsame Feind, der terroristische Islam und insbesondere der IS darstellt. Stattdessen wollte man sich durch den Raubzug 2014 in Kiew bereichern und den Sprung nach Russland wagen, um das Fell des Bären zu zerteilen.

Chris Groll | Di., 2. April 2024 - 20:55

Aussagen von islamischen Führern.
"Dieser Hamas-Befehlshaber sagt, es gehe nicht um Land, nicht nur um Palästina. "Der gesamte Planet wird unter unserem Gesetz stehen, es wird keine Juden oder christlichen Verräter mehr geben." Nur dann, wenn alle sein Gesetz annehmen, wird es Frieden geben."
(„This Hamas Commander says this is not about land, not just Palestine. „The entire planet will be under our law, there will be no more Jews or Christian traitors.“ Only then, if everyone adopts his law, will there be peace.“ )

Günter Johannsen | Mi., 3. April 2024 - 14:54

Antwort auf von Chris Groll

Der Weg dafür wurde ja von IM-Erika und den Grün-Roten schon bereitet: Tür und Tor stehen weit geöffnet für "Jedermann" und besonders für Islamisten des IS. Ob die allerdings Dankbarkeit bzw. Rücksicht für Grün-Rote Politiker haben, wenn diese Menschenverächter die Macht an sich gerissen haben, wage ich zu bezweifeln!
Um die Grün-LinXe Einheitssoße mache ich mir keine Sorgen, aber für alle Menschen, die freiheitliche Demokratie lieben - mit dem eigenen Gehirn denken - Andersdenkende - Andersgläubige!

Chris Groll | Di., 2. April 2024 - 20:57

Ähnlich verkündet von einem Taliban, als die Amerikaner Afghanistan fluchtartig verließen:
"Taliban-Botschaft an die Amerikaner: "Wir glauben, dass eines Tages ... das islamische Recht nicht nur in Afghanistan, sondern in der ganzen Welt Einzug halten wird ... Der Dschihad wird bis zum jüngsten Tag nicht enden."
(„Taliban message to Americans: “It’s our belief that one day … Islamic law will come not to just Afghanistan, but all over the world … Jihad will not end until the last day.”)

Dass es zu Frieden käme ist natürlich nicht zu erwarten – denn er verlangt Unterwerfung, dieser Islam, gar Ausrottung – was bedeutet, dass nicht nur Israel, sondern wir hier im Westen in extremer Gefahr sind.

Fazit: Es wird nicht enden, bevor nicht der ganze Planet unterworfen ist. Da spielt es keine Rolle, wie lange es dauert.

Naumanna | Mi., 3. April 2024 - 19:30

Antwort auf von Chris Groll

oder es wird enden, bis der radikale Islam "unterworfen" ist. Mit China und Russland an der Seite wird das möglich sein.

Jochen Rollwagen | Mi., 3. April 2024 - 08:13

"Immerhin hat Moskau in den 1990er und 2000er Jahren zwei Separatistenkriege in Tschetschenien geführt"

Aha. Dann führt Moskau jetzt in der Ukraine wohl auch einen "Separatistenkrieg".

Und Putin "wies jedoch darauf hin, dass der Anschlag der Ukraine zugutekomme".

Wieso das denn ?

Immerhin weiß man jetzt, daß auch "Geopolitical futures" kritklos russische Propaganda übernimmt und verbreitet.

Das ist zumindest interessant.

Karl | Mi., 3. April 2024 - 08:41

Nicht nur die USA müssen aufpassen, ganz besonders Deutschland ! Scholz will ganz schnell die Westbalkan Staaten in die EU holen. Albanien, 52,83% Muslime, Mo. - Lohn 305,83€. Bosnien, 50,7% Muslime, Mo. - Lohn 640€. Kosevo, 88,8% Muslime, Mo. - Lohn 300€. Montenegro 16% Muslime, Mo. - Lohn 511€. Bodenschätze: Erdöl, Kupfer, Chrome, Kobalt, Zink, Gold, Cadmium, Braunkohle, Bauxit und tonnenweise Balkangemüse. Balkan wird neuer Rohstoff - Hotspot. Welt.de. Terror, der IS unterwandert den Balkan. www.deutschlandfunk de. Terrorismus: Der Balkan als Rekrutierungsgebiet für den IS. Plan, EU und Scholz: Länder Ausplünderung und Deutschland mit Millionen Moslems Fluten, denn hier gibt es den Durschnittslohn, + Wohnung + Krankenversorgung ohne zu arbeiten. Die EU und Scholz + Ampel, BRANDGEFÄRLICH für Deutschland. Dann sind sie halt da, wir schaffen das. 😠

Reinhold Schramm | Mi., 3. April 2024 - 14:48

Antwort auf von Karl

Selbstbedienungsladen Deutschland.

Vor allem die an Produktionsmitteln eigentumslose Erwerbsbevölkerung muss für Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, Millionen aus Syrien, Millionen aus der Türkei und Millionen aus Nahost und arabische Familienclans, einschließlich der Aktivisten der Hamas, Hisbollah und ISIS – als willkommene Asylanten in Deutschland, alles erarbeiten und erwirtschaften!
Für die deutsche Erwerbsbevölkerung und Millionen Deutsche in relativer Armut bleibt in den kommenden Jahren nichts mehr für einen auskömmlichen Lebensunterhalt übrig; insbesondere nicht für deren Altersversorgung.
PS: Die Parlamentsmehrheit und Bundesregierung, die hohe Beamtenschaft wird sich am verbleibenden Staatshaushalt bedienen; ebenso wie die Lobbyisten und Aktionäre der Rüstungsindustrien!

Naumanna | Mi., 3. April 2024 - 10:01

Ich sehe das im Prinzip so, wie Albert Schultheis. Der gemeinsame Feind ist der internationale radikale Islamismus, dessen Existenz durch die USA gefördert und ermöglicht wurden, weil sie aus einer Paranoia heraus, gegen Russland und China vorgehen wollen. Bokhart tutet in das Horn der CIA, wenn er denkt, Amerika kann gegen die ganze Welt kämpfen und trotzdem den IS besiegen. Was soll dieser naive Unsinn ...