
- Wann wird er je verstehn?
Wolf Biermann ist ein schlecht gealtertes Requisit, das sich in drolligen Rebellionsposen räkelt. Ein Interview, das der Liedermacher jüngst der „Zeit“ gegeben hat, sagt viel aus über die narzisstische Kriegsbegeisterung gelangweilter Deutscher.
Am Ende von Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ will der gealterte Alexander von Humboldt noch einmal an seine glorreichen Zeiten anknüpfen, als er in Mittel- und Südamerika Vulkane bestieg, in Höhlen kroch und nach der Verbindung des Orinoko mit dem Amazonas suchte. Doch die Expedition nach Russland entpuppt sich als Reinfall: Anders als in Südamerika ist er nicht frei und unabhängig. Der Zar, der die Reise finanziert, bestimmt die Reiseroute und stellt Humboldt unter Aufsicht. Humboldt wird zwar im ganzen Land als Berühmtheit gefeiert und als Symbolfigur von Empfang zu Empfang herumgereicht, doch die Technik hat ihn längst überholt – entsprechend nehmen seine Begleiter seine unpräzisen Messungen nicht ernst, sondern belächeln ihn und klopfen ihm auf die Schulter, wie einem Kind, dem man seine Illusion lassen will.
Nun sind die Überschneidungen zwischen Wolf Biermann und Alexander von Humboldt natürlich schwindend gering, doch wenn ich Regierungsveranstaltungen mit Biermann sehe, muss ich immer an Humboldts schulterklopfende Begleiter denken: „Ja, echt doll, Wolf, wie du vor 50 Jahren ausgebürgert wurdest – und jetzt bitte für die Kamera noch einmal den Regierungskurs loben.“