
- Journalisten als Regierungssprecher
Eine Studie des Medienwissenschaftlers Michael Haller weist nach, dass das Gros der Medien zum Thema UN-Migrationspakt weitgehend unkritisch und ganz im Sinne der Regierung berichtete. Der systematische Befund ist erschütternder als ein Einzelfall wie der von Claas Relotius
Mark Harbers: Wer den Namen nicht kennt, muss ihn sich nicht mehr merken. Seit vergangenem Dienstag ist Mark Harbers nur noch der ehemalige niederländische Minister für Einwanderung. Harbers stolperte über Vorwürfe, die im deutschen Nachbarland für Beförderungen gereicht hätten. Der liberale Politiker fasste in einem Bericht zur Kriminalität von Flüchtlingen die schweren Delikte „sexuelle Übergriffe“, „Mord“ und „Totschlag“ in der Rubrik „Andere“ zusammen. So habe er die Gewaltgeneigtheit mancher Migranten relativiert. Harbers war nicht mehr zu halten. Eine solch harsche Reaktion wäre in Deutschland undenkbar – auch deshalb, weil die Leitmedien hierzulande oft „der Agenda der institutionellen Politik und ihrer Elite folgen“.
Triumph der „Gesinnungsmoral“
So steht es in der neuen Studie des Leipziger Medienwissenschaftlers Michael Haller im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung. Unter dem Titel „Zwischen ‚Flüchtlingskrise‘ und ‚Migrationspakt‘ – Mediale Lernprozesse auf dem Prüfstand“ hat Haller sich folgende Frage gestellt: „Ist es den Journalisten der Informationsmedien gelungen, die verschiedenen Positionen und Überzeugungen“ zum UN-Migrationspakt „aufzugreifen, zu versachlichen und in einen klärenden öffentlichen Diskurs einzubringen?“ Die Antwort lautet: Nein, eher nicht. Sehr lange berichteten die Leitmedien überhaupt nicht, und dann taten sie es einseitig, wobei sich besonders die Süddeutsche Zeitung hervortat. Die Münchener Tageszeitung griff zu „meinungsgesättigten Formulierungen“, betrieb eine „besserwisserische Prophetie“ und schied die guten Migrationspakt-Befürworter von den bösen Migrationspakt-Kritikern. Die „Gesinnungsmoral“ triumphierte.