Der Film schleppt sich zwischen historischem Nonsens und gewolltem Schlachtenpathos dahin / dpa/Sony Pictures

Ridley Scotts „Napoleon“ - Dieser Film ist ein Desaster

Ridley Scotts „Napoleon“ häuft nicht nur zahllose historische Fehler an. Scott hat auch kein Gespür für seine Hauptperson. Von dem Charisma, der Intelligenz und Brillanz Napoleons keine Spur. Und auch filmisch funktioniert dieses Epos nicht, da es das Leben Napoleons in lose Fragmente zerhackt.

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

„Am Anfang war Napoleon“. So beginnt die großartige – und sehr lesenswerte – „Deutsche Geschichte“ von Thomas Nipperdey. Und nicht nur die deutsche Geschichte begann mit Napoleon. Mit Bonaparte begann die Geschichte der Moderne in Europa, die Geschichte der Welt, wie wir sie kennen.

Wenn sich ein Filmregisseur des Themas Napoleon Bonaparte annimmt, schultert er also schweres Gepäck. Zumal Napoleon nicht nur eine alles überragende historische Gestalt ist. Er ist zugleich Mythos und Legende, sagenumwogen und überlebensgroß. Zudem tritt jede Neuverfilmung des Stoffes in große Fußstapfen. Da ist die Verfilmung von Abel Gance von 1927, das fantastische Meisterwerk von Sergei Bondartschuk über die Schlacht bei Waterloo von 1970 oder auch die Miniserie „Napoleon“ von 2002 mit Christian Clavier, Gérard Depardieu und John Malkovich.

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Tomas Poth | Mo., 27. November 2023 - 13:18

Der war ein egozentrischer Usurpator, ohne Rücksicht auf Menschenleben und in einer Doppelmoral verfangen.
Seinen Code Napoleon hat er so gelebt, das es ausschließlich ihm und seinen Ideen zum Vorteil gereichte, aber nicht seinen unterworfenen Vasallen!
Er war ein geschickter Feldherr mit Schlachtenglück, so lange, bis seine Gegner sich auf seine Kriegsführung besser eingestellt und solidarisiert hatten!
Wer dem huldigt, der huldigt allen Allmachtsfantasien.

Ronald Lehmann | Di., 28. November 2023 - 14:32

Antwort auf von Tomas Poth

Sorry, aber ihre Art Schreibweise erinnert mich an den DDR-Geschichts-Unterricht,
wo Personen immer zum Nutzen der Ideologie deformiert worden sind.

Natürlich sind immer charismatische Menschen auch etwas Choleriker, sonst könnten diese wie beide Helmuts in der d. Geschichte nicht den Leithammel spielen & das ein Phlegmatiker wie Scholz als Bundeskanzler unabhängig seiner Erinnerungslücken fehl am Platze ist, hat wohl nun langsam der dümmste in der Gesellschaft mitbekommen

& jede Medaille hat zwei Seiten, die positive S ist mit Selbstbewusstheit, dominant & Menschen führend wie sehr gut analysierend & strategisch vorgehend
die negative S. ist rücksichtslos, arrogant, ungeduldig & schwer auf Gegenargumente eingehend

Hinzu sollte man bedenken
Es war die erste Revolution in Europa, die die Denkstrukturen der Monarchie in Frage stellte
& wie reagiert man heutzutage, wenn man religiöse oder weltliche Macht,

DEN ZEITGEIST in Frage stellt ??????👿

Er hat soviel eingeführt, 10000 reichen nicht

Helmut Bachmann | Mo., 27. November 2023 - 13:44

Er war damit auch der Vollstrecker menschlichen Wahns, herrschen und "durchregieren" zu müssen und die Gesellschaft "formen", bzw. "transformieren" zu müssen, sowie Vollstrecker der Idee, dass angestammte Kulturen zu unterwerfen seien. Er steht somit weder für den Beginn Deutschlands noch für irgendetwas anderes Gutes von Dauer. Ok, meinetwegen war er der Wegbereiter für moderne staatliche Organisation. Ohne ihn wäre das alles vielleicht erst 20 Jahre später gekommen. Es wären aber eben auch weniger Menschen in sinnlosen Kriegen gestorben.

Henri Lassalle | Mo., 27. November 2023 - 15:20

und werde mir ihn mir nicht antun. Anscheinend gesellt er sich zur zahlreichen Mediokrität, die in den Kinos geboten wird.
Ich empfehle den Stummfilm von Abel Gance (1927), ein Meisterwerk der Filmgeschichte, er schildert den Anfang der Karriere Napoléons. Es gibt hervorragende Biografien auch neueren Datum; auch deshalb, das meine persönliche Meinung, braucht man den Trash nicht.

Karl-Heinz Weiß | Mo., 27. November 2023 - 16:14

Lässt sich auch 2023 noch die Geschichte eines genial-zerrissenen weißen Mannes erzählen ? Die Gründe für die maßlose Überdehnung seines Herrschaftsbereichs, insbesondere nach Osten (mit der Opferung zehntausender deutscher Soldaten) werden wohl weiterhin unergründlich bleiben. Die oft seltsam übersteigerte Napoleon-Begeisterung auch aktuell in Frankreich und das misslungene Filmporträt eines Briten: vielleicht ein Anlass, sich doch einmal näher mit dieser Ausnahmepersönlichkeit zu beschäftigen.

Jens Böhme | Mo., 27. November 2023 - 16:28

Der Film ist nicht als historisches Lehrstück gedacht. Es ist pure Unterhaltung mit den Zielen, die Ausgaben reinzubekommen und darüber hinaus Gewinn zu machen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 27. November 2023 - 17:08

erinnern an die Farbe "Grau", über die doch Prof. Sloterdijk schrieb, an Ihren eigenen Namen?
Der Film ist doch wohl ein Alterswerk von Ridley Scott und schon "Der Gladiator" war durchtränkt von Melancholie und war kein Schlachtenepos.
Wenn der Film grau ist, wie sie schreiben, wird man ihn sich anschauen können.

Naumanna | Mo., 27. November 2023 - 17:36

Danke für diese Filmkritik. Ich wünsche mir mehr Essays über aktuelle Filme im Cicero.

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 28. November 2023 - 11:33

Antwort auf von Naumanna

bedenken.
Weil Goethe von Napoleon begeistert war, muss ich es nicht sein.
Goethe war kein Monarchist und offen für Jemanden, als den er sich auch sah, er als einen literarischen "Prometheus" auf dem "GEISTESthron", Napoleon als "WeltGEIST"?
Heine sah das richtig, der Deutsche Idealismus wählte nicht die Waffen, Revolution in den Deutschen Ländern war eine des Geistes, der Legitimation.
Beider Anspruch war weltumfassend.
Kann man dann Napoleon sein kriegerisches Treiben oder innenpolitische Machtanmaßung vorwerfen?
Napoleon liess sich zu einem "Cäsar" krönen, vergass aber nicht, dass der Adel seine Legitimation von Gott herleitete?
Bei aller Willkür, bedeutete das noch einen verlässlichen allumfassenden moralischen Rahmen.
Napoleon SETZTE Gott und Adel AB und statt dessen SICH SELBST?
Deutschland wählte den bürgerlich parlamentarischen Weg ff.
Merkel wurde als Göttin "apostrophiert", sah sich selbst in der Position Jesu?
Anmaßung oder Verantwortung?
Merkel als "Homo -> Dea" .. "ERWÄGE"

Edit Szegedi | Mo., 27. November 2023 - 20:43

Wie waere es, sich endlich von Napoleon zu emanzipieren? Seine Reformen waren, gelinde gesagt, ambivalent, seine Kriegsfuehrung ruecksichtslos wie die der Russen, seine Kriegszuege waren von ordinaerem Expansionismus begruendet und, was alle sein Anbeter vergessen, er hatte die Sklaverei in den Kolonien wiedereingefuehrt. Ja, er hat auch Gutes geleistet. Aber der Preis war einfach zu hoch. Es gab einen anderen Korsen, der ein weniger spektakulaeres Leben gefuehrt hatte, aber viel konstruktiver war als Napoleon: Pasquale Paoli. Er ist leider heutzutage kaum noch bekannt.