
- Sagen, was passt
Der Spiegel nimmt die Causa Julian Reichelt zum Anlass, um mit dem Springer-Konzern abzurechnen. Dafür scheint den Hamburgern jedes Mittel recht: Informationen werden weggelassen, Nebensächliches wird aufgeblasen und Springer-Chef Mathias Döpfner als „Staatsfeind“ diskreditiert.
In „Bild. Macht. Deutschland“, der viel beachteten Doku-Reihe auf Amazon über die Bild-Zeitung, gibt es eine kurze, wunderbare Szene, in der ein Redakteur erklärt, wie Boulevardjournalismus funktioniert. Statt alle relevanten Facetten einer Geschichte zu beleuchten, erklärt er, konzentriert sich der Boulevard auf einen Aspekt – und macht den ganz groß. Im Gegensatz zum sogenannten seriösen Journalimus, bei dem die Kontextualisierung im Vordergrund steht. Das Geschäftsmodell des Boulevards beruht also nicht auf der Lüge, wie ihm oft vorgeworfen wird, sondern auf der Pointe. Boulevard macht Meinung, Nicht-Boulevard hilft bei der Meinungsbildung. So die theoretische Arbeitsteilung.
Doch die Digitalisierung hat zu einer Disruption in der Medienbranche geführt. Zuerst hat der Journalismus das Internet verpennt und durch Gratisinhalte im Netz signalisiert, Informationen seien eine Art Universalrecht wie die Luft zum Atmen. Anschließend hat man sich der Aufmerksamkeitsökonomie des Internets unterworfen und seine Gatekeeper-Funktion zugunsten irgendwelcher Algorithmen aus der Hand gegeben. Der seriöse Journalismus hat sich dem Boulevard damit zusehends angenähert: Die Lautstärke wurde hochgedreht, die Themen wurden verkürzt, die Pointe wurde wichtiger. Alles, um im Dauerrauschen des Internets überhaupt wahrgenommen zu werden. Für diese Mischung aus Boulevard und seriösem Journalismus gibt es sogar einen Namen: bouliöser Journalismus. Womit wir beim Spiegel wären und seiner aktuellen Berichterstattung über den Springer-Verlag.