Krabbenpulen
Beim Krabbenpulen denkt man nicht an Corona. / dpa

Corona-Weihnachten 2.0 - Es lebe die Lebensfreude!

Auch unser Genusskolumnist feiert Weihnachten. Mit Gesellschaft, gutem Essen, Wein und Musik. Er will sich von dem Virus nicht in Angststarre und Agonie versetzen lassen. Und fordert alle Leser auf, es ihm gleichzutun.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Ein ganz klein bisschen wird es heute wie immer sein. In den Küchen der Republik dampft und brutzelt es, die Tische werden gedeckt, die Wohnung dekoriert, die Gäste sind auf dem Weg. Wohl kein Tag des Jahres ist so eng mit Feierlichkeit und Genuss verknüpft wie der 1. Weihnachtsfeiertag. Und auch die längst im Fegefeuer der Dekonstruktion befindliche Familie erlebt an diesem Tag vielerorts ein kleines, begrenztes Comeback.

Weihnachten als Lockdown-Schonfrist

Aber dennoch ist auch in diesem Jahr, wie schon 2020, vieles anders. Denn das Coronavirus hat uns fest im Würgegriff. Zur fast schon obligatorischen Vorbereitung auf den festlichen Tag gehört diesmal eben nicht nur das Einpacken der Geschenke, sondern auch der Antigen-Schnelltest, um vor allem Risiken für besonders gefährdete Menschen zu minimieren. Es wird viel Streit an den Festtagstafeln geben, denn selten hat ein Thema die Gesellschaft so tiefgreifend polarisiert wie der Umgang mit der Pandemie. Falls sich unter den Gästen auch Ungeimpfte befinden sollen, muss man sich in vielen Fällen entscheiden, ob man sie auslädt oder sich faktisch in die Illegalität begibt. Kurzfristige Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Regierung gewährt uns zu Weihnachten noch eine Art Schonfrist, aber anschließend wird es weitere Restriktionen geben, deren mögliche Steigerungen noch gar nicht abzusehen sind. Weil eben auch die Ausmaße der vor uns stehenden neuen Pandemiewelle noch nicht abzusehen sind.

Das Leben ist manchmal immer noch schön

Gerade in solchen Zeiten gilt das Motto dieser Kolumne: Genuss ist Notwehr. Und das bedeutet auch, den kleinen Freuden des Alltags wieder größere Wertschätzung zukommen zu lassen. Und diese Freuden konnte man auch in diesem Jahr erleben. Das gilt für viele Lebensbereiche, aber auch für kulinarische Genüsse. Beim Nordseeurlaub in diesem Sommer mussten wir uns zwar jeden zweiten Tag testen lassen, und der Besuch eines Cafés war stets mit einer Registrierung verbunden. Doch der einzige Krabbenfischer von Amrum stand da, wo er seit vielen Jahren steht, und auch beim Krabbenpulen auf der Terrasse der Ferienwohnung mit Blick auf die Nordsee dachte man keine Sekunde an Corona. Das gilt auch für die Spaziergänge an der Küste und durch die Weite des Kniepsandes. Bereits zuvor konnte man im Mai den ersten frischen Spargel genießen und trank dazu einen der lang ersehnten frischen Weißweine des aktuellen Jahrgangs. Und es gab auch in diesem Jahr eine Pilzsaison und das für die jeweilige Jahreszeit typische Obst und Gemüse aus der Region. Es war eine große Freude, nach den langen Wochen des Winter-Lockdowns wieder einen Biergarten besuchen zu können oder mal wieder einen Konzertsaal zu betreten. Und die allgegenwärtige Maske nehmen die meisten Menschen kaum noch als „Fremdkörper“ wahr.

Trotz alledem: Genuss ist Notwehr

Natürlich gibt es nichts zu beschönigen. Die gesundheitlichen, psychischen, wirtschaftlichen und sozialen Verwüstungen, die die Pandemie angerichtet hat und noch weiter anrichten wird, sind monströs, und auch die Klimakrise wird uns wahrscheinlich auch im kommenden Jahr böse Überraschungen bescheren. Deswegen an dieser Stelle nochmal: Genuss ist Notwehr, um sich Lebensfreude zu bewahren und nicht in Angststarre und Agonie zu verfallen.

Beim Weihnachtsmenü lasse ich es – wie in den beiden vergangenen Kolumnen angekündigt – ein bisschen krachen: Feldsalat mit Granatapfelkernen und karamellisierten Walnüssen, getrüffelte Tagliatelle und geschmorte Rehkeule. Bereits gestern habe ich mir – wie an jedem 24. Dezember – das komplette Weihnachtoratorium von Johann Sebastian Bach angehört, verbunden mit der Hoffnung, es bald wieder mal live erleben zu können. Es folgen dann die Tage, an denen ich innerlich mit dem alten Jahr abschließe – um mich anschließend mit Hoffnung und Freude dem kommenden zu widmen. Ich bin mir ziemlich sicher: Es wird im Mai wieder frischen Spargel geben, der Krabbenfischer auf Amrum wird auch noch da sein, und es wird tolle Weine geben, auch von den gebeutelten Winzern an der Ahr. Und das ist doch immerhin etwas, oder? In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

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Brigitte Miller | Sa., 25. Dezember 2021 - 16:15

und auch Ihnen trotz allem frohe Tage, viel Genuss und einen guten Rutsch!

Ingofrank | Sa., 25. Dezember 2021 - 21:37

So wie die Genuss ist Notwehr Kolumne immer und immer wieder & wieder ist.
Auch Ihnen, sehr geehrter Herr Blacerowiak, einige erholsame Tage zwischen dem Fest und bleiben Sie uns hoch lang erhalten.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik