
- „Die Öffentlich-Rechtlichen haben ein Legitimationsproblem“
Der Minister für Europa- und Medienangelegenheiten des Landes Sachsen-Anhalt, Rainer Robra, hat ein Konzept zur Reform der ARD vorgelegt. Darin fordert er nicht nur eine Neuausrichtung des Programms, sondern auch eine deutliche Verringerung der Kosten
Herr Robra, wollen Sie die ARD abschaffen? Legen Sie die Axt an eine tragende Säule des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
Nein, weder die ARD noch die „Tagesschau“, aber die tragenden Säulen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schwanken. Ich möchte sie nachhaltig stabilisieren. Auftrag und Struktur des gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter stehen aber auf dem Prüfstand der Rundfunkpolitik. Bei den Fernsehprogrammen haben sich die ursprünglich regional ausgerichteten Dritten Programme der Landesrundfunkanstalten zu Rund-um-die-Uhr-Vollprogrammen entwickelt. „Das Erste“ ist für sich genommen ein solides öffentlich-rechtliches Programm. Aber genau diesen bundesweiten Auftrag erfüllt parallel das ZDF. Es gibt also elf öffentlich-rechtliche Vollprogramme im Fernsehen, davon allein zehn von der ARD. Vorherrschende Programmfarbe: Mainstream. Daher bin ich der Ansicht, dass die Landesrundfunkanstalten und ihre ARD sich auf ihre Wurzeln besinnen müssen, und die DNA der ARD ist regional.
Sie sehen einen akuten Handlungsbedarf zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Worin besteht der?
Welche Aufgabe ARD, ZDF und Deutschlandradio als Grundversorgung erfüllen sollen, diskutiert die Medienpolitik seit Jahren, ohne bisher eine überzeugende Antwort gefunden zu haben. Die Einführung des Rundfunkbeitrags im Jahr 2013 als Abgabe für alle Wohnungen und Betriebe löste grundsätzliche Fragen der Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus, die bis heute nicht befriedigend beantwortet sind. Die Grenzen der Belastbarkeit des Beitragszahlers sind erreicht. Gleichzeitig geht es darum, die Anstalten auch im Internet für die Zukunft fit zu machen. Dies führt zu massiven, aber vermeidbaren Spannungen mit Zeitungsverlegern und Filmproduzenten.

Worauf stützt sich Ihr Befund, dass die „Akzeptanz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ in der Bevölkerung schwindet?
Für mich sind die kritischen Hinweise wichtig, die die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen erhalten und im Landtag zur Sprache bringen. Hier spürt man die sich verfestigenden Vorbehalte gegen ein weiteres Wachstum der Angebote und die Entwicklung der Personalkosten in den Anstalten. Die Anstalten haben wenig dagegen getan. Sie vertrauen darauf, dass die Landtage jeden Beitragsstaatsvertrag widerspruchslos abnicken. Das kann aber zukünftig nicht mehr erwartet werden. Zudem geht die weit verbreitete Kritik in der Öffentlichkeit an den Angeboten der Anstalten nicht spurlos an den Abgeordneten vorüber. Damit erodiert die unerlässliche Legitimationsbasis der Anstalten. Sie genießen zurzeit nicht das notwendige Grundvertrauen der Gesellschaft. Kritisch sehe ich trotz des Jugendsenders „funk“ insbesondere die Akzeptanz öffentlich-rechtlicher Angebote bei jungen Menschen.
Wird Ihr Reformansatz von Ihren Kollegen geteilt? Wie optimistisch sind Sie, die vorgeschlagene Reform auch umsetzen zu können?
Dass meine etwas differenzierte Sichtweise in der Öffentlichkeit zunächst mit leichtem Spin so zugespitzt wurde, als wolle ich ARD und „Tagesschau“ abschaffen, war nicht hilfreich. Die Auffassung, dass das Gesamtsystem durch eigenständige Profile von ARD und ZDF gestärkt werden kann, erscheint mir nach vielen Gesprächen mehrheitsfähig. Ich wünsche mir auch für das viele Geld, das die ARD aus guten Gründen für den volkswirtschaftlich wichtigen Faktor Kreativwirtschaft weiterhin einsetzen sollte, mehr deutsche Auftragsproduktionen und weniger internationale Aufkäufe. Aber so oder so: Länder und Anstalten werden zu einer Reform des öffentlich-rechtlichen Systems kommen müssen, die die bekannt hohe Angebotsqualität mit gesteigerter Kosteneffizienz verbindet.
Die Online-Angebote der ARD sind gebührenfinanziert. Kommt das bei Lichte besehen nicht einer Wettbewerbsverzerrung gleich?
Das Internet hat sich inzwischen für alle Medienunternehmen zur wichtigsten Plattform entwickelt. Die herkömmlichen Formen der Informationsvermittlung müssen sich dem anpassen. Daher können wir es ARD und ZDF schon von Verfassungs wegen nicht verwehren, auch dort in zeitgemäßer Weise mitzumischen. Öffentlich-rechtliche Inhalte dürfen nicht in der analogen Welt steckenbleiben. Darüber besteht in der Rundfunkkommission Konsens. Strittig ist allerdings die Ausgestaltung textlicher Angebote. Die ARD beansprucht für sich eine wesentlich breitere textliche Gestaltung als das ZDF. Dies kann in der Tat zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Ich würde es daher begrüßen, wenn die ARD sich verpflichtete, ihre Telemedienangebote im Schwerpunkt audiovisuell auszugestalten.
Heißt, die ARD soll sich textlicher Angebote enthalten, weil es nicht ihr Aufgabengebiet ist?
Nein, die ARD sollte lediglich wie das ZDF die textlichen Angebote beschränken, etwa auf ein Drittel seiner Online-Plattform.
Ist es zu rechtfertigen, dass eine alleinerziehende Mutter mit steigenden Rundfunkbeiträgen die Jahresgehälter und Pensionen von ARD Hierarchen bezahlen muss, die zwischen 250.000 und 350.000 Euro liegen, die im Zweifelsfalle die Angebote der ARD gar nicht wahrnimmt?
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich außertarifliche Spitzenkräfte einer öffentlich-rechtlichen Anstalt an den Gehaltsstrukturen des öffentlichen Dienstes messen lassen sollten. Wenn Intendanten geltend machen, unter 300.000 Euro Jahresgehalt werde sich für diese Aufgabe niemand finden lassen, ist es schon erstaunlich, dass es immer noch die Bereitschaft gibt, für weit weniger Gehalt Bundespräsident, Kanzler oder Ministerpräsident zu werden.
Was geschieht, wenn sich Ihre Sicht der Dinge nicht durchsetzt oder aus der Reform ein Reförmchen oder das Gegenteil von dem, was Sie vorgeschlagen haben, wird?
Dann stehen ARD und ZDF am Abgrund, denn sie werden ihre laufenden Ausgaben mit den Einnahmen nicht mehr decken können.