
- Das Klischee des finsteren Fremden
„Migranten sind zehnmal öfter mordverdächtig“, schrieb Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke zur Kriminalstatistik. Doch wer wider wissenschaftliche Erkenntnis Gewalt mit nationaler Herkunft erklärt, stellt die persönliche Schuld als weniger bedeutsam dar. Das sollten Journalisten nicht tun
Deutschland ist so sicher wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Aber für viele fühlt es sich nicht so an. Denn die Angst vor dem Verbrechen geht um – insbesondere vor den Straftaten, die mutmaßlich Eingewanderte und Geflüchtete begehen. Dazu tragen die Redaktionen bei, die unter dem Druck von Vorwürfen wie „Lügenpresse“ oder „Lückenpresse“ immer stärker über die sogenannte Ausländerkriminalität berichten.
In einer Langzeitstudie untersuchen wir an der Hochschule Macromedia die aktuelle Fernsehberichterstattung über Gewaltkriminalität. 2014 spielte die Herkunft von Tatverdächtigen kaum eine Rolle, nur in 4,8 Prozent der untersuchten Fernsehbeiträge wurde sie ersichtlich. 2017 wurde sie in 17,9 Prozent der Beiträge genannt, 2019 bereits in 31,4 Prozent. Dabei werden deutsche Gewalttäter kaum erwähnt: Während die Polizei mehr als doppelt so viele deutsche wie ausländische Tatverdächtige erfasst, kommen im Fernsehen 2019 mehr als acht ausländische auf einen deutschen Tatverdächtigen. Die auflagenstärksten überregionalen Zeitungen beschreiben 2,9 Prozent der Tatverdächtigen als deutsch und 41,2 Prozent als ausländisch. Damit stellen diese Medien die polizeilichen Erkenntnisse komplett auf den Kopf und liefern ein grob verzerrtes Bild.