DGB-Kundgebung 2021
Im vergangenen Jahr fielen die Kundgebungen zum 1. Mai aufgrund der Corona-Auflagen kleiner aus / dpa

Tag der Arbeit - Die Gewerkschaften stehen mit dem Rücken zur Wand 

Am heutigen Tag der Arbeit will der DGB erstmals seit 2019 wieder flächendeckend Präsenz zeigen, mit Aufzügen, Kundgebungen und Mai-Festen. Doch tarif- und sozialpolitisch haben die Gewerkschaften nur noch wenig Durchsetzungsmacht – und wenig Antworten auf die multiplen Krisen. 

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Nach zwei Jahren pandemiebedingter Restriktionen will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am heutigen 1. Mai wieder Präsenz auf Straßen und Plätzen quer durch die Republik zeigen. „GeMAInsam Zukunft gestalten“ lautet das Motto. „Wir als Gewerkschaften stehen für ein solidarisches Miteinander, auch in unruhigen Zeiten. Gemeinsam wollen wir in diesem Jahr daher wieder auf die Straße gehen und am Tag der Arbeit ein sichtbares Zeichen für eine gerechte Zukunft setzen“, heißt es in dem Aufruf. Insgesamt wird es einige Hundert Veranstaltungen geben, alleine in Nordrhein-Westfalen sind es 57. Die zentrale Kundgebung findet in Berlin am Brandenburger Tor statt. Neben den Vorständen des DGB und seiner acht Mitgliedsverbände treten auch prominente Bundes- und Landespolitiker der SPD als Redner auf. Bundeskanzler Olaf Scholz wird in Düsseldorf erwartet, Arbeitsminister Hubertus Heil in Gelsenkirchen und die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey in Berlin. Wenn das Wetter mitspielt, werden bestimmt einige Hunderttausend Menschen dem DGB-Aufruf folgen. Die Zeiten, wo es über eine Million waren, sind schon lange vorbei. 

Die meisten Veranstaltungen sind eine Mischung aus politischer Demonstration und Volksfest, mit Kulturprogramm, kulinarischen Angeboten und manchmal auch einem Kinderkarussell. An einigen Orten werden massive Proteste vornehmlich linker Gruppen gegen die Regierungspolitik erwartet, dort könnten dann während der Reden Trillerpfeifen zum vorherrschenden Sound werden. Und in einigen Städten, allen voran Berlin, wird am Abend wieder mit Ausschreitungen gerechnet – auch das schon so etwas wie eine lange Tradition

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Hans Jürgen Wienroth | So., 1. Mai 2022 - 10:00

In einem wohlstandsverwöhnten Land haben die Gewerkschaften das Problem, immer weniger Teil des gesellschaftlichen Lebens zu sein. Dieses spielt sich zunehmend in der Freizeit ab, die „Arbeitswelt“ dient dem notwendigen muss, indem man so wenig Zeit wie möglich verbringen will. Welcher Jugendliche macht heute noch sein Hobby zum Beruf. Hinzu kommt, dass die Gewerkschaften nach wie vor die unteren Einkommensbezieher vertreten, deren Zahl mit steigender „Akademisierung“ sinkt. Die Migration sorgt für eine „buntere“ Arbeitswelt, immer mehr Mitarbeiter kennen aus ihren Herkunftsländern keine Gewerkschaften. Ob der DGB mit der Akademikerin Fahimi, die nie in ihrem erlernten Beruf gearbeitet hat, die richtige Wahl getroffen hat, wage ich zu bezweifeln. Hier wurde für mich eine politische Wahl getroffen. Ob auch Geschlecht und Migrationshintergrund eine Rolle spielten, kann ich nicht beurteilen. Geht es dem DGB noch um Verbesserung für die Arbeitnehmer oder um pol. Einfluss?

Gerhard Lenz | So., 1. Mai 2022 - 10:40

beim gemeinen, stramm-rechts marschierenden Durchschnittsforisten die üblichen Reflexe hervorrufen: Gewerkschaften waren immer nur Gefüllungsgehilfen stalinistischer Unterdrückungspolitik!

Wer sich ernsthaft mit der Sache befassst, weiss natürlich: Ohne Arbeiterbewegung, ohne Gewerkschaften hätten wir noch immer "Manchester-Kapitalismus" in schlimmster Form: Kinderarbeit, keinerlei Schutz, keine Sozialleistungen, miese Bezahlung usw. - denn wer Arbeit hat, der soll doch froh sein! Hieß es früher, und heisst es hier und da schon wieder.
Es gab Zeiten, da konnten Gewerkschaften tatsächlich noch Forderungen durchsetzten, das ging bis zu Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten in Betrieben.
Dann kam die lange liberal-konservative Regierungszeit und der Agenda-Schröder - und die Erkenntnis, dass man es jedem Einzelnen überlassen sollte, in Verhandlungen mit seinem Arbeitgeber das Bester herauszuholen.
Eine bekloppte Idee, angesichts der Ungleichheit...

B.Mayer | So., 1. Mai 2022 - 11:18

Dazu braucht's aber die richtigen, fähigen, qualifizierten, Durchsetzungs-Willigen Köpfe.
Gips die? Nach meiner Erfahrung nein.

Martin Falter | So., 1. Mai 2022 - 11:44

so da stehen?

Ich denke Ihre Konzepte sind aus der Zeit gefallen, die Idee einer Gewerkschaft aber, wird es immer brauchen.

Jetzt wo die Boomer in Rente gehen und Nachwuchs und Fachkräfte Mangel herrscht, wären die Bedingungen doch gut für eine Gewerkschaft.

Aber den 1. Mai traditionell mit Gewalt zu feiern (bei weitem machen das nicht alle, aber diese Bilder prägen die Öffentlichkeit) ist halt nicht jedermanns Sache.

Christa Wallau | So., 1. Mai 2022 - 12:34

ist längst zum Freudenfest linker Chaoten und Krawall-Brüder verkommen. Anarchisten und Neidhammel dürfen seit vielen Jahrzehnten am "Tag der Arbeit" gewalttätig werden u. von etwas schwafeln, was sie selber nicht kennen: Mitmenschlichkeit u. Solidarität, die auf der Bereitschaft beruht, ehrlich u. hart zu arbeiten u. von dem, was man sich erarbeitet hat, anderen, weniger Erfolgeichen, mitzugeben. Und der Staat schaut zu; denn es sind ja nicht böse "Rächte", sondern "Linke", die sich da austoben.
Inzwischen verändert sich die Arbeitswelt in einem Tempo, daß es aussieht, als gäbe es demnächst überhaupt keine Chance mehr für Gewerkschaften, irgend etwas gegen die Arbeitgeber oder den Staat als Grundversorger durchzusetzen; denn das "Modell China" fasziniert auch im Westen diejenigen, die an den Hebeln der Macht (= Wirtschaft) sitzen. Sie werden es mit anderen Mitteln durchsetzen, um den von ihnen Abhängigen besser suggerieren zu können, daß es in deren ureigenstem Interesse geschehe.

ingo Frank | So., 1. Mai 2022 - 14:59

Genau wie der DGB der wirkt wie ein Fossil aus längst vergangener Zeit. Dabei ist die Armut in D rasant gestiegen. Die Parallelgesellschaften sind in d. Ballungszentren auf dem Vormarsch, Kinderarmut, Renten die nicht zum Leben reichen + + +.Es gibt genug Probleme in diesem Land. Aber, nach dem sich die Gewerkschaften als Erfüllungsgehilfen der Schröder & Merkelregierung den Regierenden angedient haben, sind sie überflüssig geworden. Die, für die Gewerkschaften eintreten sollen, bleiben den Demonstrationen zum 1.Mai fern. Zu sehen einige Berufsfunktionöre, und ein paar moralisch, auf der richtigen Seite stehenden Gutmenschen & Teddybär- Werfern, die man and den entsprechenden Plakaten eindeutig erkennt, verirrt sich niemand mehr, um am Tag der Arbeit, zu demonstrieren. Ach ja, Ich vergaß die Chaoten von Links & rechts zu erwähnen die Scheiben einschlagen und Autos zum 1. Mai anbrennen. Und die für die Sicherheit verantwortlichen sehn weg.
Mit f. Grüßen aus der Erfurter Republik

Hartmut Steiger | So., 1. Mai 2022 - 17:48

Für die aktuellen Probleme der Gewerkschaften ist die Politik in hohem Maße mitverantwortlich, Stichwort Agenda-Politik und Ausweitung des Niedriglohnsektors, in dem gut 30 Prozent der Beschäftigten arbeiten und der gerade nicht ein Sprungbrett in eine bessere Tätigkeit ist.
Zudem ist vielen Beschäftigten wohl nicht klar, dass Gewerkschaften für Tarifverträge und damit für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen stehen. In einer individualisierten Gesellschaft schwindet das Bewußtsein für die Bedeutung kollektiver Interessenvertretung. Die Agenda-Politik hatte das Ziel, die Gewerkschaften zu schwächen, für manche Grüne gingen die Einschnitte sogar nicht weit genug.
Für diese Politik wurde der damalige Kanzler Gerhard Schröder von den Medien in den höchsten Tönen gelobt.

Auch die Grünen waren mit verantwortlich ... im Nachhinein wollen beide nichts mehr mit zu tun haben ... ob es auch mit den momentanen Entscheidungen ähnlich kommen wird? Einen Unterschied gibt es doch: Diesmal sind die "Freien" auch mit dabei ... das macht es mE aber auch nicht besser...

Tomas Poth | So., 1. Mai 2022 - 18:56

Ungefähr 15% der Arbeitnehmerschaft sind noch gewerkschaftlich organisiert.
Die Gewerkschaften haben also viel falsch gemacht in den letzten Jahrzehnten.
Ein Fehler aus meiner Sicht, sie sind zu stark parteipolitisch fixiert, unterwandert!

Ronald Lehmann | So., 1. Mai 2022 - 20:35

Alleine, die alle ihrer Berufung & eigentlichen Aufgabe schon lange nicht mehr nach kommen, aber trotz zweistelligen prozentualen Rückganges sie sich automatisch immer mehr bejubeln & beklatschen. Tatsachen werden wohlweislich ignoriert & als Verschwörung abgetan & die Schuld anderen zugewiesen, nur nicht selbst.

Kommt ihnen da ein Name in den Sinn ;-)?

Hinzu die Gewissheit des kleinen Mannes, das Gerechtigkeit, Wahrheit & Aufrechtigkeit durch die Macht er niemals auf dieser Erde erfahren wird. Egal ob im Kleinen wie im Großen oder welches Thema oder Strickmuster.

Aber es würde mich nicht wundern, wenn ein paar Mächtige schon ein paar neue falsche Pharisäer mit neuer Legitimation an den Startblock gesendet haben. ?

Ernst-Günther Konrad | Mo., 2. Mai 2022 - 09:58

Ich könnte jetzt von früher schwelgen. Die Erfolge von Gewerkschaften aufzählen und weiter träumen in die Jetztzeit. Aber vorbei ist vorbei. Die durch parteipolitisch gelenkten Gewerkschaftsfunktionäre haben längst die Idee der Arbeiterbewegung verraten und verkauft für eigenes parteipolitisches Fortkommen in Funktionärsebene und Aufsichtsratsposten. Genauso wie in den Parteien geht es nur noch um die persönlichen Interessen. Wenngleich ich auch wie Herr Bühler die Gewerkschaften noch immer für notwendig erachte, desto weniger glaube ich an ihre Unabhängigkeit zum Wohle ihrer Mitglieder. Wie überall bräuchte es zeitangepasste inhaltliche und personelle Erneuerung. Die wird aber nicht mehr kommen. Die Gesellschaft und die Arbeitnehmer in dieser haben sich weitestgehend dem Einheitsdenken in allen politischen Bereichen hingegeben. Und bei 15%, wie Herr Poth es richtig erwähnt, hat sich auch hier eine Minderheit etabliert, die vorgibt, die Mehrheit zu sein. Das wird nichts mehr mit denen.