Constantin Schreiber und der Islam - Journalismus nur noch stromlinienförmig

Der Journalist Constantin Schreiber will sich nach Angriffen nicht mehr zum Thema Islam äußern. Schlimmer als die Aktivisten der Cancel Culture ist allerdings die ausbleibende Solidarität aus Kollegenkreisen.

„Permanent bewertet und einsortiert“: Autor Constantin Schreiber / dpa
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Und wieder wurde einer zum Schweigen gebracht. Der Autor und „Tagesschau“-Sprecher Constantin Schreiber will sich nie wieder zum Thema Islam äußern. Auslöser war ein Angriff auf seine Person bei einer Veranstaltung der Friedrich-Schiller-Universität Jena Ende August. Linksradikale Aktivisten hatten ihm eine Torte ins Gesicht geworfen, nachdem sie Flugblätter verteilt hatten, auf denen Schreibers Kritik am politischen Islam mit dem antisemitischen Nazi-Propagandafilm „Jud Süß“ in Verbindung gebracht wurde. Die Störer bezeichneten Schreiber als „rassistisch und islamfeindlich“, ja, gar als Rechtspopulisten. Besondere Ironie: An jenem Abend ging es überhaupt nicht um den Islam, vielmehr wollte Schreiber sein neues Buch „Glück im Unglück. Wie ich trotz schlechter Nachrichten optimistisch bleibe“ vorstellen.  

Der Optimismus ist ihm jetzt vergangen. Im Interview mit Zeit-Herausgeber Giovanni di Lorenzo sagte er: „Ich werde mich zu allem, was mit dem Islam auch nur im Entferntesten zu tun hat, nicht mehr äußern. Ich werde keine Bücher dazu schreiben, ich lehne Talkshow-Anfragen ab, ich mache das nicht mehr.“ Die Torten-Aktion, die er als „kindisch“ bezeichnet, war dabei lediglich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Viel schwerer wogen für ihn die jahrelangen Anfeindungen, auch von Kollegenseite, die dem Angriff vorausgingen, sowie die fehlende Solidarität, die ihm nachfolgte. 

Ideologisierung des öffentlichen Diskurses

Schreiber ist einer der wenigen hochprofilierten öffentlich-rechtlichen Journalisten, die aus der grün-woken Phalanx gelegentlich ausscheren und die Verengung des Meinungskorridors nicht nur wahrnehmen, sondern auch öffentlich benennen. „Was ich schon spüre in meiner Zunft, ist eine Vorsicht, wenn es um polarisierende Debatten geht. Da ist natürlich die Islamdiskussion, dazu die Themen Klima oder Migration. Da ist diese Vorsicht sehr deutlich zu spüren, aus der Sorge heraus, in etwas reingezogen zu werden, was sehr unangenehm werden kann“, sagte er zum Beispiel in seinem jüngsten Zeit-Interview.

Und vor einigen Monaten beklagte er in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, dass „heute jedes Thema – Sport, Kultur, Ernährung, Reisen, Unterhaltung – von politisch-ideologischen Debatten geprägt“ werde. „Dass man, egal worüber man sich unterhält, permanent bewertet und einsortiert wird? Man schwärmt von einem Museumsbesuch, schon hält jemand dagegen, die Ausstellung sei problematisch, weil sie nur Kunst von Männern zeige.“ 

Schreiber weiß, wovon er redet, denn er erlebt die Ideologisierung des öffentlichen Diskurses, seit er begonnen hat, den Einfluss des Islams in Deutschland kritisch zu beleuchten. Dabei ist er durchaus Kenner der Materie. Er spricht Arabisch und berichtete unter anderem für n-tv aus dem Nahen Osten. Er war Korrespondent der Deutschen Welle in Dubai und initiierte mehrere deutsch-arabische Medienprojekte. Für die n-tv-Sendung „Marhaba – Ankommen in Deutschland“ erhielt er 2016 sogar den Grimme-Preis.

Gute Gründe für Misstrauen

Für sein Buch „Inside Islam – Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“, das 2017 erschien, hatte er in 13 Berliner Moscheen das Freitagsgebet besucht und war erschrocken darüber, was er da teilweise zu hören bekam. Zwei Jahre später legte er nach mit „Kinder des Koran. Was muslimische Schüler lernen“, aus dem seinerzeit auch ein Auszug auf Cicero Online erschienen ist, in dem es um Antisemitismus in palästinensischen Schulbüchern ging, die von den UN und der EU mitfinanziert wurden. 

 

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Sofort stürzten sich nicht nur mehrere Islamwissenschaftler, deren Zunft sich oft nicht durch kritische Distanz gegenüber ihrem Gegenstand auszeichnet, auf Schreiber, sondern auch der notorische linke Islamismusverharmloser Daniel Bax, der ihm in der taz „Misstrauenskultur gegen Muslime“ vorwarf, als hätte Schreiber nicht in seinen Recherchen gute Gründe für Misstrauen geliefert. Und als Schreiber dann noch in seinem Roman „Die Kandidatin“ die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli satirisch verschlüsselt aufs Korn nahm, brachen sämtliche Dämme. Der NDR-Journalist Stefan Buchen, also ein öffentlich-rechtlicher Kollege Schreibers, schrieb, ebenfalls in der taz: „‚Die Kandidatin‘ ist ein politisches Hasspamphlet, das Angst vor Migranten schürt.“ Buchen forderte durch die Blume, der NDR möge Schreiber keine Bühne mehr bieten.

Im Katapult-Magazin ging Buchen sogar noch ein paar Schritte weiter, indem er Schreibers Roman ganz unumwunden mit dem NS-Hetzfilm „Jud Süß“ verglich (worauf sich wahrscheinlich das oben genannte Flugblatt bezog). Es ist Schreiber kaum zu verdenken, wenn er auf eine solche Art der Auseinandersetzung keine Lust mehr hat und sich um des eigenen Seelenfriedens Willen lieber mit anderen Themen beschäftigen will.  

„Warum sind Sie da so empfindlich?“

Doch so verständlich das ist, so sehr ist es auch Symptom einer sehr ekelerregenden gesellschaftlichen Entwicklung: Man darf zwar offiziell alles sagen, kann aber im Falle des in der Regel unvermeidlichen Shitstorms kaum auf Rückendeckung durch Mitarbeiter, Vorgesetzte und Institutionen hoffen. Schreiber berichtet durchaus davon, dass er auch Zuspruch erhält. Aber eben nur im Privaten. Zitiert werden oder sich demonstrativ hinter den Kollegen stellen möchten die wenigsten. Denn dann wäre man womöglich als nächstes dran. Eine Minderheit von Schreihälsen hält auf diese Weise eine ganze Gesellschaft in Angst und Schrecken. Warum das überhaupt möglich ist, das wäre einmal eine dickbändige Untersuchung wert. 

Die Frage des Interviewers Giovanni di Lorenzo, „... wenn man sich so exponiert wie Sie, muss man doch mit Widerspruch rechnen. Warum sind Sie da so empfindlich?“, die das Problem individualisiert und an machohafte Härte appelliert, bringt zum Ausdruck, was man als das Polenz-Theorem bezeichnen könnte: Meinungsfreiheit bedeutet schließlich nicht, dass die Äußerung der eigenen Meinung ohne Konsequenzen bleibt. Doch wo steht eigentlich, dass die Ausübung eines Grundrechts mit Ausgrenzung aus dem Diskurs der Wohlmeinenden, mit Beschimpfungen und Nazi-Vergleichen und mit Angriffen auf die körperliche Integrität einherzugehen hat? Eine Torte im Gesicht scheint harmlos zu klingen; aber mit ein wenig Empathie kann man sich durchaus vorstellen, wie demütigend so etwas ist, zumal wenn es vor Publikum geschieht. 

Schreiber weiß aus Gesprächen mit angehenden jungen Journalisten: „Es gibt zunehmend Leute, die sagen, sie wollten nicht Journalist vor der Kamera werden oder eine andere besonders exponierte Stellung anstreben, weil sie das nicht aushalten würden. Sie sagen, sie zögen sich lieber zurück, weil sie das nicht ertragen könnten.“ Dennoch wird sich der Journalismus keine Sorgen um Nachwuchs machen müssen, der sich gerne exponiert. Es werden dann eben nur Leute sein, die wissen, was sich ziemt und was nicht. Wer nichts Falsches sagt, hat auch nichts zu befürchten. 

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