
- America first - aber gemeinsam
Bidens Außenpolitik gleicht in vielem der seines Vorgängers, doch der strategische Kontext ist grundverschieden: Nicht America First als nationalexklusives Konzept, sondern die Bündelung von Fähigkeiten mit den Demokratien weltweit ist der Rahmen, in dem amerikanische Interessen verfolgt werden. Die führungslose EU hat darauf bislang keine Antwort.
Die USA streben mit Verve zurück in die internationale Arena und wollen ihre Führungsrolle, die Präsident Trump aus Unvermögen und Unachtsamkeit beschädigt hat, revitalisieren. Präsident Biden gab dafür eine Grundlinie vor und definierte zwei Maximen. Die Grundlinie lautet, dass die USA im Systemwettbewerb mit Autokratien – China und Russland – stehen und hierfür ihre Allianzen demokratischer Staaten ertüchtigen wollen. Die Demokratien müssen beweisen, dass sie handlungsüberlegen sind.
Die zwei Maximen lauten, dass die amerikanische Außenpolitik die Resilienz von Demokratie zu Hause und international stärken sowie den wirtschaftlichen Interessen der amerikanischen Mittelschicht nutzen soll. Dass die Verbündeten ebenso ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgen, kalkulieren die USA als erwartbare Reibung in ihre allianzpolitischen Ansätze ein.
Erst Asien, dann Europa
Zuerst ging es mit diesem Programm in den pazifischen Raum. Außenminister Blinken und Verteidigungsminister Austin versicherten Japan und Südkorea der amerikanischen Verbindung, bevor ein Termin mit den Verantwortlichen für Chinas Außenpolitik das Trennende zwischen beiden Weltmächten betonte.
Hinzu kam ein Treffen von Quad, das Australien, Indien, Japan und die USA umfasst. Erstmals tagten im März 2021 die Regierungschefs, obwohl Quad seit 14 Jahren besteht. Doch jetzt wird die gemeinsame Gegenmachtbildung zu China das Hauptinteresse der vier Mächte. Je aggressiver China im Pazifik auftritt, desto geschlossener steht Quad, so dass – was derzeit übertrieben ist – schon von einer pazifischen NATO die Rede ist.
Nach dem Pazifik wandte sich die amerikanische Außenpolitik nach Europa. Präsident Biden nahm an einer Sitzung des Europäischen Rats teil, um mehr Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA anzustreben: gegen die Pandemie, gegen den Klimawandel, für vertiefte wirtschaftliche Beziehungen und für mehr Abstimmung gegenüber China und Russland.
Drei Schritte zur Stärkung der Bündnisse
Auch wenn die Außenpolitik der Administration Biden in vielen Ansätzen der seines Vorgängers gleicht, der strategische Kontext ist grundverschieden: Nicht America First als nationalexklusives Konzept, sondern die Bündelung von Fähigkeiten mit den Demokratien weltweit ist der Rahmen, in dem amerikanische Interessen verfolgt werden.
Außenminister Blinken hat drei Schritte erläutert, wie die anstehenden Herausforderungen in der NATO, mit der EU und den pazifischen Verbündeten gemeistert werden sollen.
Der erste Schritt ist die Revitalisierung der NATO. Die USA erneuern ihr Bekenntnis zum gegenseitigen Beistand (Artikel 5). Sie wollen das Bündnis der Demokratien gleichzeitig schlagkräftiger machen. Das größte Problem der Demokratien, so Blinken, ist, dass ihre Bürger das Vertrauen verlieren, sie könnten die Probleme wirklich lösen. Deshalb müssen die demokratischen Staaten handlungsfähiger gegenüber den größten Bedrohungen werden.
Daraus folgt, Schritt zwei, die Fähigkeiten zu erhöhen. Blinken wies auf das 2-Prozent-Ziel hin und sagte gleichzeitig, dass eine Zahl nie alles abbilden könne. Bei allen Vorhaben gelte es, die Pandemie und den Klimawandel als überragende Bedrohungen zu berücksichtigen. Parallel sollen die Ökonomien der Demokratien untereinander stärker verbunden werden als mit anderen Staaten. Hier hat er China im Blick. Gegenüber Russland soll durch die Modernisierung der Nuklearwaffen die Abschreckung stabilisiert werde, womit er die EU-Staaten auf ihre Abhängigkeit in Sicherheitsfragen hinwies.
Im dritten Schritt sollen die Fähigkeiten verbunden werden, so dass die Allianz der Demokratien effektiv Probleme lösen kann. Das stellt Aufgaben für die zukünftige NATO-EU-Kooperation. Erst kürzlich traten die USA einem PECSO-Projekt bei, mit dem die Verteidigungsfähigkeit der EU gestärkt werden soll. Die größte Herausforderung stellt die Umrüstung auf 5G aus eigener Kraft dar.
Im Systemwettbewerb mit China und Russland
Die USA sehen sich im Systemwettbewerb mit Autokratien. Die engen wirtschaftlichen Beziehungen aller großen Demokratien mit China versperren derzeit den Weg in einen neuen Kalten Krieg. „Komplexe Beziehungen“ (Blinken) haben nicht nur Amerikas Verbündete mit China, sondern die USA selbst. Müsste dann nicht gerade ein besseres Verhältnis zu Russland angestrebt werden?
Da Russland und China versuchten, die NATO zu spalten, ist für die USA der erste Schritt, sie zusammenzuhalten. Das erfordert einen Ausgleich der Interessen im Bündnis. Dies kann nur im Rahmen der „komplexen Beziehungen“ gelingen. Die USA bewegen sich also weg vom „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Es ist eine harte Aufgabe, dies umzusetzen, aber gleichzeitig eine Chance für die EU-Staaten, hier Initiativen anzustoßen.
Bisher scheint es, dass die EU-Regierungen darauf nicht vorbereitet sind und orientierungslos dahintreiben. Aber das amerikanische Angebot wird nicht ewig gelten. Die EU bleibt bisher stumm; sie erweist sich als führungslos.