Die Justitia schmückt das Dach des Justizpalastes in München
Justitia wacht über den Justizpalast in München / picture alliance

Gerechtigkeitsdebatte - Warum Forderungen nach mehr Gleichheit unmoralisch sind

Kolumne Grauzone: Führt mehr Gleichheit zu mehr Gerechtigkeit? Diese Theorie vertritt zumindest der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin in der FAZ. Gerechtigkeit aber bedeutet sehr viel mehr

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

Gleichheit ist der sozialpolitische und moralapostolische Fetisch unserer Zeit. Kaum eine politische Debatte wird von Forderungen nach mehr Gleichheit verschont. Egal ob es um Sozialpolitik geht, um Bildungs-, Familien- oder Frauenpolitik, der Schlachtruf nach mehr Gleichheit begleitet so gut wie jede gesellschaftspolitische Diskussion. 

Gleichheit als Voraussetzung für Gerechtigkeit

Bemerkenswert an dieser Entwicklung ist, dass Gleichheit die Gerechtigkeit als Leitideal in den öffentlichen Debatten nahezu abgelöst hat. Oder genauer: Gleichheit gilt als Gipfel der Gerechtigkeit schlechthin. Eine maximal gleiche Welt, so glaubt man offensichtlich, ist auch eine maximal gerechte Welt, und eine maximal gerechte Welt ist maximal gut. Einfältiger geht es kaum. Ein prominenter Anhänger dieses Irrsinns ist der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der am vergangenen Mittwoch in der FAZ ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Gleichheit hielt, denn, so der ehemalige Bundesminister, „keiner der Aspekte eines umfassenden Gerechtigkeitsbegriffs wird realisiert, wenn die Ungleichheit weiter wächst“. 

Was den Beitrag Trittins so interessant macht, ist weniger das altbekannte Dauerlamento über die Reichen, die immer reicher werden oder die unvermeidliche Forderung nach einer Superreichensteuer, um allerlei Wohltaten zu finanzieren, so als hätten wir gerade einen implodierenden Staatshaushalt (zur Erinnerung: das Gesamtsteueraufkommen 2015 betrug in Deutschland 673 Milliarden Euro, Prognose für 2019: 779 Milliarden). Bemerkenswert an dem Text ist vielmehr die unverblümte Art und Weise, mit der Gleichheit als ein Weg zur Gerechtigkeit dargestellt wird – und ganz en passant als Ziel politischen Handelns.

Gerechtigkeit bedeutet Rechtsgleichheit

Der Begriff Gerechtigkeit entstammt der Rechtslehre und meint ursprünglich die Gleichbehandlung von Personen vor Gericht, unabhängig von Stand oder Ansehen, daher auch die Verknüpfung von Gerechtigkeit mit Gleichheit. Allerdings: Die Gerechtigkeit vor Gericht liegt darin, ungleiche gleich zu behandeln – nicht sie gleich zu machen. 

Vor allem aber: Ein Urteil vor Gericht ist gerecht, weil das Verfahren gerecht ist. Es ist der gerechte Weg (die Gleichbehandlung der Ungleichen), der das Ergebnis gerecht macht. Deshalb ist es generell die Aufgabe des Staates, einen Rechtsrahmen zu garantieren, nicht aber irgendwelche „gerechten“ Zielvorgaben zu machen. Es geht um gerechte Spielregeln, nicht um „gerechte“ Ergebnisse.

Die zeitgenössischen Gleichheitsideologien stellen jedoch die gesamte Begrifflichkeit von den Füßen auf den Kopf. Für sie sorgt nicht das Verfahren für Gerechtigkeit, vielmehr sind Resultate an sich gerecht – aufgrund der Gleichheit, die sie herstellen. Und wenn das Ziel gerecht ist, ist es der Weg zu ihm auch. Volkstümlich ausgedrückt: Der Zweck heiligt die Mittel. Das ist die Logik totalitären Denkens.

Doch nehmen wir einmal an, es gäbe nicht nur Regelgerechtigkeit, sondern auch Ergebnisgerechtigkeit. Warum sollte sie in Gleichheit liegen? Und wann ist Gleichheit Gleichheit? Muss man Ungleiche gleich behandeln? Oder Ungleiche ungleich? Oder hängt das von den jeweiligen Eigenschaften ab? Muss man sozial bedingte Ungleichheiten beseitigen, natürliche aber nicht?

Der Widersinn von wohlfahrtsstaatlichen Zwangsmaßnahmen

Bleiben wir bei der ökonomischen Ungleichheit: Selbst wenn wir eine Gesellschaft auf Null setzen würden, also einer ganzen Generation die gleichen Voraussetzungen an sozialem und ökonomischen Kapital zukommen ließen, würde sich diese Gemeinschaft umgehend ausdifferenzieren: aufgrund der Zufälle des Lebens, vor allem aber aufgrund der unterschiedlichen Neigungen und Interessen der Individuen. Gleichheit – egal ob Chancen- oder Ergebnisgleichheit – lässt sich nur durch permanente Eingriffe des Staates aufrechterhalten. Und das heißt: durch Zwang.

In einer freien Gesellschaft rechtfertigen sich Zwangsmaßnahmen jedoch nicht durch relative Ungleichheiten. So leitet sich aus dem astronomischen Reichtum meines Nachbarn kein moralischer Anspruch auf Teile von dessen Vermögen ab – schon gar nicht zwecks Minderung der Wohlstandskluft für mein persönliches Wohlbefinden. Der Staat hat Not zu beseitigen, keine Missgunst. Rechtsgleichheit ist ein hohes Gut. Ergebnisgleichheit jedoch ist mit dem Konzept von Individualität unvereinbar, sie ist unmoralisch.

Die 68-er verraten ihre Werte

Verräterisch an Trittins Text ist die Leichtfertigkeit, mit der Vertreter einer Generation, die in den 68er-Jahren massiv Autonomie und Individualität einklagten, bereit sind, diese auf dem Altar der Gleichmacherei zu opfern. Trittin und seinen Genossen, so hat man den Eindruck, ging es nie um Individualität, sondern vor allem darum, sich im Wohlfahrtsstaat einzurichten und zugleich all jene Lebensentwürfe moralisch zu diskreditieren, die von dem eigenen abweichen.
 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Ullrich Ramps | Sa., 9. Juli 2016 - 13:24

Wichtig ist nur nur die CHANCENgleichheit, nicht aber irgendein Zwang, die Chancen auch wahrnmehmen zu müssen - sei es auf Seiten derer, die die Chancen anbieten, oder auf Seiten der Adressaten.
Wenn die Mehrheit einer Gruppierung bestimmte Gleichstellung verweigert, ist das eben so.

Der Begriff "Chancengleichheit" bleibt ein leeres Wort. Denn ein Kind, welches in ungesicherten und bildungsfernen Kreisen aufwächst, verfügt eben nicht über die gleichen Lebenschancen wie etwa Töchter und Söhne der Familie Quandt-Klatten mit ihrem Milliardenvermögen, entstanden aus der Teilhabe eines Herrn Quandt bei den Bayerischen Motorenwerken (BMW).
Hinzu kommen muß immer auch eine Verteilungsgerechtigkeit.
Solange wir an dieser gegenwärtig äußerst ungerechten Einkommens- und Vermögensverteilung nichts ändern, spreizt sich die Schere zwischen arm und reich weiter.
Und diese Umverteilung kann im Prinzip nur über eine sozial-gerechtere Besteuerung erfolgen.
Dabei ist auch die außer Kraft gesetzte Vermögenssteuer neu zu definieren und zu beschließen.
Solange sich jedoch eine breite Mehrheit unserer Bevölkerung durch "Seifenopern" ruhig stellen läßt, werden die Reichen und Superreichen die Oberhand behalten.
Wollen Sie dies, Herr Grau?

Ich amüsiere mich über den Begriff "Reichensteuer".

Als wäre nicht jede Steuern eine "Reichensteuer", denn ein Armer (und ein Politiker) zahlt schließlich überhaupt keine Steuern.

Hier ein interessanter Link, wer tatsächlich wie viel zahlt:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/einkommensteuer-10-…

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass das reichste 0,1% so viele Steuern zahlt wie die unteren 50% des gesamten Volkes, dann möchte ich Sie gerne fragen, wieviel Sie denn noch gerne umverteilen möchten, bis Sie "gleiche Chancen" als gegeben ansehen?

Schließlich kann man durchaus argumentieren, dass gleiche Chancen auch gleiche Steuern bedeuten könnten. Theoretisch könnte man also fordern, dass jeder den gleichen Steuersatz zahlt. Und nicht einer gar nix und ein anderer 70%.

Hinzu kommt, dass ein Reicher normalerweise nur deshalb reich ist, weil er Bedürfnisse von anderen befriedigt (im Ggsz. zu einem Bürokraten).

Karl Otto | Mo., 1. August 2016 - 19:31

Antwort auf von Arndt Reichstätter

"Als wäre nicht jede Steuern eine "Reichensteuer", denn ein Armer (und ein Politiker) zahlt schließlich überhaupt keine Steuern."

1. Ab einem jährlichen Einkommen von etwa 8.500 € zahlt man Steuern. Sie bzeichnen dies als reich?
2. Politiker zahlen auch Steuern. Genau wie jeder andere auch.

"Wenn man sich vergegenwärtigt, dass das reichste 0,1% so viele Steuern zahlt wie die unteren 50% des gesamten Volkes."

Vielleicht sollten Sie sich Ihren eigenen Link nochmal durchlesen, denn das steht dort nicht drin.

"ein anderer 70%"
Interessante Zahl, wo haben Sie die her? Ín Deutschland zahlt niemand 70 % Einkommensteuer.

Sie haben Recht, ich habe mich vertan. Es sind 10% und nicht 0,1%.

von "70 % Einkommensteuer" sprach ich nicht. Sondern von insgesamt 70% Steuern.

Dass man "ab einem jährlichen Einkommen von etwa 8.500 € nicht reich" ist, ist ein guter Hinweis. Seltsamerweise weigern sich Beamte, dies eine "Armensteuer" zu nennen.

Ja, theoretisch "zahlen Politiker auch Steuern". Aber entweder sie erhalten Ihr Gehalt aus Steuerzahlungen, womit sie technisch keine Steuern zahlen. Oder sie arbeiten teilweise und zahlen tatsächlich Steuern. Dies würde ich in einem einigermaßen moralischen und effizienten System durchgehen lassen. Aber nicht in diesem derzeitigen überregulierten, wirtschafts- und kulturzerstörenden, kriegführenden, Überwachungsstaat. Von daher: selbst wenn ein Politiker heute nebenbei arbeitet oder ein Arbeitender nebenbei Politik macht, so hat er für mich null Autoritär und verdient null Respekt. Theoretisch würde ich sowas nicht mehr als Politiker bezeichnen.

Wie wollen Sie diese Form der Ungerechtigkeit ahnden? Es ist ja nicht Ihr Verdienst in Deutschland geboren zu sein. Und welche Schuld trifft jenen, der z.B. in Syrien zur Welt gekommen ist. Wenn alle Menschen gleich sind doch eigentlich ein unerträglicher Zustand. Wenn ein Reicher beschließt ein Schulprojekt in einem Entwicklungsland statt in Deutschland zu fördern: tut er in Ihren Augen dann das Richtige oder das Falsche?

Wenn es nicht die Schuld eines afrikanischen Kindes ist, in Afrika geboren worden zu sein, dann ist es auch nicht die Schuld eines deutschen Kindes, in Deutschland geboren zu sein. Beide haben dieselben Rechte: Nämlich das Recht auf Selbstbestimmung.

Gegen sozialen Druck, den Bedürftigsten zuerst zu helfen habe ich nichts. Ich bin nur gegen ungerechte Rechte. Sowohl Wohlfahrtsstaat, soziale Marktwirtschaft wie Sozialismus sind unmoralisch und auch ökonomisch unrentabel.

Sie wollen Armen helfen? Helfen Sie den freien Markt wieder (zumindest größtenteils) herzustellen! Sie wollen Afrikanern die gleichen Chancen einräumen? Überzeugen Sie afrikanische Familien, nicht 5 Kinder zu bekommen, von denen sie sich nur bei der Hälfte leisten kann, diese auf eine Schule zu schicken.

Frau Walden, was macht sie so sicher, dass die Kinder von "Quand/Klatten"
es leichter haben ? Die Reichensteuer ist eine Neid-Debatte ............
Wem neiden S i e was und wieviel hätten Sie von wem, wenn .....?

Andreas Schmidt | Sa., 9. Juli 2016 - 13:29

Gute Replik auf Trittin's Artikel. Bemerkenswert ist auch der rhetorische Kniff, mit der Trittin in bewährter Manier den Begriff "Umverteilung" umdefiniert. Anstatt den Status Quo der Einkommensverteilung als zu verändernden Parameter zu gebrauchen, definiert er ihn als Ergebnis bereits stattgefundener "Umverteilung" um, ohne eine "ursprüngliche Einkommensverteilung" zu beschreiben. Ganz in 68er-Tradition schreibt er hiermit die alte Losung "Eigentum ist Diebstahl" fort. Seine Beliebtheit in den öffenlich-rechtlichen Medien zeigt eher die erfolgreiche Durchdringung der Institutionen als eine intellektuelle Entwicklung des Protagonisten, dessen Ressentiments angesichts des damaligen bail-ins von Kunden zypriotischer Banken in sein schadenfreudiges Grinsgesicht eingebrannt war.

Lutz Bauer | Di., 12. Juli 2016 - 18:29

Antwort auf von Andreas Schmidt

Eine neoliberal postmoderne Replik mit einer ihr nun einmal eigenen Sicht und Diktat zur Gleichheit : Politiker und 68èr Bashing,viel mehr ist es wohl nicht.Schwamm drüber.

peter hauser | Sa., 9. Juli 2016 - 15:12

Trittin ist etwa mein Jahrgang und ist quasi Nebenan geboren.(Vegesack, Blumenthal)
Er war nie ein "Überzeugungsmensch", trat nie in seiner Jugend in Erscheinung, sondern ist immer Opportunist gewesen. In seinem pathetischem Gehabe kann man dieses noch heute spüren.
Er hat eigendlich nichts < verraten >, weil er für nichts stand. (Siehe Jutta von Ditfurth).

Er steht exemplarisch für Amoralität einer Generation, die man die erste egoistische nennen könnte, weil sich bei ihr Ideal und Wirklichkeit zweckdienlich vermischen konnten, worunter nicht wenige litten.

Es lohnt sich eigentlich nicht, über diesen Machtmenschen, überhaupt noch ein Wort zu verlieren. Aber es gebührt Ihnen Dank, hier en passant exemplarisch, auf seinen beschränkten Intellekt hingewiesen zu haben.

Dennis Staudmann | Sa., 9. Juli 2016 - 15:16

Bis in die 90- er Jahre des letzten Jahrhunderts fand diese Debatte über Gerechtigkeit kaum statt. Der Grund liegt klar auf der Hand. Es ist eben ein relativ neues Phänomen in Deutschland, dass die sogenannte Schere zwischen arm und reich eklatant auseinander driftet. Ich glaube kaum, dass wohlhabende Menschen in der Bundesrepublik in der Vergangenheit darunter gelitten haben, weil sie ein paar Millionen weniger hatten. Es gab, anders als heute, kaum Menschen, die wirklich "arm" waren. Aber dann kam die Gier. Von der Politik ermöglicht wurden Billiglohn, Zeitarbeit etc. feste Bestandteile der Arbeitswelt und führten zur Verarmung grosser Teile der Bevölkerung und zum grossen Reichtum für einen sehr kleinen aber einflussreichen Teil. Wer glaubt, dass das zukünftig nicht zu sozialen Unruhen mit unabsehbaren Folgen führen wird, ist entweder naiv oder hat aus der Geschichte keinerlei Lehren gezogen.

Gerdi Franke | Sa., 9. Juli 2016 - 16:11

Bei solchen Diskussionen von den Grünen werde ich immer sofort hellwach. Was will Trittin? In der heutigen Zeit will er doch sicher mit diese Diskussion schnell die Flüchtlinge zu "gleichen" Deutschen machen. Ich kann mir vorstellen wie die Umverteilung da aussähe.

Zoran Trajanovski | Sa., 9. Juli 2016 - 17:31

Die Justizie wacht in München! In Hechingen
z.B. bekommt man von Justizie zu spüren was ein "Ungleichwertige" eigentlich ist.
Solche Individuen wie ich wurden von falsche Gerichte vorgefürt und durch niedere krankhaften rassistische beweggrunde verurteilt.
Der ungleichwertigen wir
bedroht nicht ins Berufung zu gehen am sonst er wird "erledigt" sein. Eine ordentlich angelegte Revision wird von Zwei Phlichtverteidiger absichtlich nicht begrunden. Wäre sie begrundet dan hätte der krimineles verhandeln sichtbar. Was macht man mit ungleichwertige dan?
Man Difamirt sie und degradirt als psychisch krank, lifert sie zu ZfP aus wo man Eutanasie durchtreibt.
Dieses Text von Philosoph ist euserst oberflechlich und simpel zusammen gefast. Es geht am wenigste um Tretin.
Wen kümert Tretins abweichung von Moral wen es tadsechlich vorhanden ist? Es geht um etwas vill Elementares das man mit ungleichwertige alles machen kann und dan das verbrechen verheimlichen und vertuschen. Das tut whe.

Willi Mathes | Sa., 9. Juli 2016 - 17:48

Chapeau Hrr Grau !!!

Hier ist nichts hinzuzufügen !

Danke

Gruss Willi

Christa Wallau | Sa., 9. Juli 2016 - 19:25

Genau das ist passiert: Die 68er haben die einst von ihnen eingeforderte "Autonomie und Individualität auf dem Altar der GLEICHMACHEREI geopfert"!
Im Bildungsbereich (Schule), wo ich tätig war, konnte ich diese unheilvolle Entwicklung hautnah verfolgen und bin daher in der Lage, hierzu etwas zu sagen.
Gleichmacherei (= über einen Kamm scheren) ist in der Pädagogik Ungerechtigkeit pur; denn so ungleich wie die Menschenkinder sind, so unterschiedlich müssen die Maßstäbe und Methoden sein, mit denen die Individuen gebildet und erzogen werden. Manche Kinder brauchen harte Worte und absolute Konsequenz. Sie fordern sie geradezu heraus. Freundliches, verständnisvolles Zureden bewirkt bei ihnen gar nichts. Bei anderen läßt es die Seele aufleuchten! Daher müssen die Methoden so unterschiedlich sein wie die psychischen Gegebenheiten. Das gilt auch für Lehr- und Lernmethoden: W e c h s e l n d e Methoden werden allen am meisten gerecht; denn so ist für jeden Schüler mal die passende dabei.

Christa Wallau | Sa., 9. Juli 2016 - 19:42

Den unterschiedlichen Begabungen (Die es
t a t s ä c h l i c h gibt!!!) wird man am besten mit einem Schulsystem gerecht, in dem man früh eine entsprechende Förderung vornimmt.
Das nützt auch der Gesellschaft am meisten.
K e i n e Gesamtschulen! Das dreigliedrige Schulsystem und das gut ausgefächerte deutsche Sonderschulwesen waren da schon der goldrichtige Ansatz. Man hätte nur
bessere Durchlässigkeit schaffen und noch mehr Schulen für ausgesprochenene Spezialbegabungen (vor allem im nathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich)
schaffen müssen. Und die Hauptschulen hätten mehr praktische Fächer gebraucht, keinen theoretischen Überbau, um sie aufzuwerten.
Handwerk und Industrie würden sich die Finger lecken nach ihren Abgängern. Stattdessen haben wir immer mehr Billig-Abiturienten, die sich zu "fein" sind, einen praktischen Beruf zu
ergreifen. Alles im Namen der GLEICHHEIT!
Neuester Zweig am Baum der Gleichmacherei ist die unsinnige Inklusion.Fortschritt sieht anders aus.

Hallo Frau Wallau,

die Gesamtschule ist eigentlich eine gute Idee, die von der Politik pervertiert wurde. Ich kann das nur für Hessen beurteilen, es wird in anderen Bundsländern ähnlich gewesen sein.
Die Idee Gesamtschule wurde von Schwarz und Rot pervertiert. Der typische Gesamtschullehrer war ein linker Chaot (natürlich nicht alle), der sich mit seinen Schülern kumpelhaftduzte . Die Schulleiterposten wurden zwischen CDU und SPD nach Proporz verteilt. Wenn die Schwarzen bei einer bestimmten Sache mitmachen, bekommen sie einen Schulleiter.
Die vermutlich einzige funktionierende Gesamtschule in Hessen war die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden, ein Erfolgsmodell, welches von der Bürokratie in Wiesbaden eher totgeschwiegen wurde. Enja Riegel hat sich bei den Bürokraten in Wiesbaden unbeliebt gemacht.
Die Freien Waldorfschulen sind eigentlich die einzigen, funktionierenden Gesamtschulen. Die Quote der Abgänger mit Hochschulreife ist ungefähr doppelt so groß wie bei den staatlichen Schulen

Lutz Bauer | Di., 12. Juli 2016 - 18:37

Antwort auf von Werner Kaunzner

Wann hört dies Gelaber gegenseitiger Schuldzuweisungen und das Spielen über Banden endlich auf?! Bildung und Schüler bleiben auf der Strecke, wenn der Elfenbeinturm mal wieder mit sich und in sich selbst verliebt kreißt und kreißt.

Es ist kein "Elfenbeinturm", der verantwortlich ist, Herr Bauer,
sondern es sind die Partei-Politiker, welche die Schuld tragen an dem ewigen
Gezänk um Schulformen und -reformen. Natürlich haben sich in deren
Schlepptau Zig-Tausende von "Experten" angesiedelt, die ihnen den gewünschten theoretischen Überbau liefern.
Seit sich die Politik - aus rein wahltaktischen Gründen! - in die
Bildung einmischt (Es begann Ende der 60er-Jahre) ist der Zirkus im Gange!
Vorher gab es einen gewissen Konsens in allen Parteien darüber, was
v e r n ü n f t i g e und l e i s t u n g s o r ie n t i e r t e Bildungseinrichtungen (Schulen und Hochschulen) sowie effektive Lehrmethoden anbetrifft.

Der größte Fehler - Ein Super-Wahlgeschenk an die lieben Eltern! - war die Freigabe der Entscheidung darüber, welche weiterführende Schule ein Kind
besuchen wird. Damit hatte man die Axt an das bis dahin gut funktionierende
System gelegt und seitdem - wie gesagt - geht's zu wie im Zirkus!

Axel R Göhring | So., 10. Juli 2016 - 02:37

Wer's glaubt, was Trittin sagt. Gerade die Grün*innen sind heutzutage die Partei der Besserverdiener, die allzu gern auf die "morallose" Plebs hinabblicken.
Wie heißt es bei Orwell in "Aufstand der Tiere"? Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher. Genau da wollen die Grün*innen hin.
Sozialismus als Herrschaftstrategie.

Georg Dallmann | So., 10. Juli 2016 - 08:33

Dem Autor ist zuzustimmen in seiner These, daß Gleichheit im verfassungsrechtlichen Sinne NICHT Gleichmacherei bedeutet, sondern zuvörderst Gleichheit vor dem Gesetz.
Gleichheit muß aber - für ein modernes und demokratisches Staatswesen - auch Gleichheit der CHANCEN bedeuten.
Das ist einerseits essentiell wichtig - im Sinne der verfassungsrechtlichen Gleichheit , andererseits sind wir davon noch so weit entfernt wie die Erde vom Mond.
Gleiche Bildungs - UND Karrierechancen vollkommen unabhängig von der sozialen Herkunft einerseits und dem Geldbeutel andererseits muß das ZIEL eines modernen Staatswesens sein, damit einhergehend gelangt man auch zu der - unverzichtbaren - FAIRNESS im Gegensatz zur Gleichheit im Sinne von gleichmacherei.
Auch davon sind wir so weit entfernt wie die Erde vom Mond.
Zwar wird dieses ZIEL gerne von Politikern in Sonntagsreden postuliert, doch entscheidend sind nicht Sonntagsreden sondern die reale und vor allem EFFEKTIVE Umsetzung dieser Zielsetzung.

Barbara Kröger | So., 10. Juli 2016 - 11:14

Werte? - Also ich sehe eine Menge Karrieristen, die engagiert um finanziell gut abgesicherte Pöstchen bemüht sind. Dafür müssen eben Opfer gebracht werden. Krieg im ehemaligen Jugoslawien, in Afghanistan, im Nahen Osten und jetzt bei den NATO-Demonstrationen an der polnisch-russischen Grenze. Da sind wir überall dabei. Ach ja die Werte, mit den Werten ist das so eine Sache.
„Cui bono“, sagten die alten Römer.

Andreas Müller | So., 10. Juli 2016 - 11:28

Die derzeitigen Klagen über die Ungleichheit kranken meist an zwei Dingen: Sie betrachten die Ergebnisse statt die Voraussetzungen jedes Einzelnen. Und sie plädieren für staatsautoritäre Maßnahmen zur Korrektur dieser (schlechten) Ergebnisse.
Aus liberaler Sicht muss es zuallererst darum gehen, die A-Priori-Gleichheit und Freiheit zu verteidigen: kein Mensch ist wegen seiner Herkunft für die Gesellschaft weniger wert als andere. Es ist die Aufgabe des Staates, ihm Möglichkeiten zu schaffen, sich entsprechend seinen Fähigkeiten zu entwickeln. Zentral ist dafür ein qualitätsorientiertes, steuerfinanziertes Bildungssystem. Es sind (leider) vor allem die linken Parteien, die die ehemals sehr guten staatlichen deutschen Schulen durch Senkung der harten Anforderungen und Überfrachtung mit ideologischem Schnickschnack an die Wand fahren. Das Qualitätsgefälle zwischen sozialdemokratisch regierten Bundesländern und Bayern reicht als Beweis: die CSU denkt und handelt sozialer als SPD/Grüne.

Arndt Reichstätter | So., 10. Juli 2016 - 11:39

Der Artikel von Jürgen Trittin strotzt voller Brüche in der Logik.

Er unterstellt Vertretern des freien Marktes, dieser sei unser "Gerechtigkeitsinstrument". Das ist nicht wahr, denn das Rechtssystem bleibt das "Gerechtigkeitsinstrument". Wir sind lediglich der Meinung, dass das staatliche Gewaltmonopol in vielen Angelegenheiten kein Recht sprechen sollte (etwa in der Aushandlung eines Arbeitsvertrages zwischen Arbeitgeber und -nehmer; oder ob eine bestimmte Meinung veröffentlich werden darf).

Der Markt schafft nicht Gerechtigkeit. Er ist gerecht. (Wenn wir uns entscheiden müssten zwischen Markt und Staat würden wir lieber de Staat abschaffen)

Wir erkennen außerdem, dass das staatliche Gewaltmonopol sehr gefährlich werden kann, weswegen es nicht zu viel Geld erhalten darf, um sich zu übermilitarisieren. Nach dem 20. Jhd musste nicht ohne Grund der Begriff "Demozid" geschaffen werden, nach dem Regierungen, unabhängig von Kriegen, eine Viertelmilliarde Menschen getötet haben.

Karola Schramm | So., 10. Juli 2016 - 11:53

Wenn Trittin dummes Zeug schreibt, dann sollte Hr.Grau nicht alle 68iger über einen "Kamm scheren" & verallgemeinern.
Mir fällt immer wieder auf, dass bes. gerne Rechte den Vorwurf der Gleichmacherei ausrufen, wenn es um Gerechtigkeit geht.

Wobei Trittin tatsächlich die "Werte der 68iger auf den Kopf" stellt, wenn er schreibt:.."keiner der Aspekte eines umfassenden Gerechtigkeitsbegriffs wird realisiert, wenn die Ungleichheit weiter wächst“. Da hätte er im Sinn des Themas bleiben und schreiben müssen:.....wenn die Ungerechtigkeit weiter wächst.
Wenn Politiker sich Gesetze von Wirtschaft, Anwaltskanzleien oder der Bertelsmann-Stiftung machen lassen, dann entstehen auch ungerechte Gesetze. Beispielhaft dafür sind die Hartz 4 Gesetze, die Gesetze zur Rente sowie Arbeitsrechte die zum Nachteil der AN geändert wurden.
Auch Gesetze i.d. EU hatten immer die AN im Blick, die an einer prosperierenden Wirtschaft teilhaben sollten. Viele Länder haben sich daran gehalten. DE nicht.

Arndt Reichstätter | So., 10. Juli 2016 - 11:58

Tritten verbreitet das Märchen, "über Gleichheit sprechen ist im Deutschland des Jahres 2016 tabuisiert".

Wenn das so wäre, dann würden in Deutschland nicht 10% der Menschen 50% aller Steuern zahlen. Auch nicht würd das reichste 1% etwa 20% aller Steuern zahlen. Und schon gar nicht gäbe es einen Sozialstaat, zu dem die untere Hälfte der Einkommensbezieher fast überhaupt nichts beiträgt. Und überhaupt nicht gäbe es den "Beruf" des "Gleichstellungsbeauftragten".

Nicht nur sieht Tritten den linksideologischen Wald vor lauter progressiven Zeitungsartikel (auch Cicero ließ jüngst für die Initiative 1:20 plädieren)und Fernsehbeiträge nicht, sondern er blendet die Fakten aus.

Auch in den USA zahlen die reichsten 2,5% etwa 25% aller Steuern. Die reine Existenz von "Superreichen" ist kein Argument gegen den freien Markt. (Ansonsten hätte es zum Beispiel im Kommunismus keine kaviarfressenden Politbonzen geben dürfen.)

Arndt Reichstätter | So., 10. Juli 2016 - 12:08

Trittin: "Klimawandel und Ungleichheit sind globale Krisentreiber."

Das Klima hat sich schon immer gewandelt und die Menschheit hat sich dem stets anzupassen gewusst. Das Wetter ist jedoch kein ökonomisches Argument gegen individuelle Freiheit.

Auch kann Ungleichheit nur als "Krisentreiber" bezeichnet werden, wenn man es in einer solch zusammenhangslosen und begriffsundefinierten Weise tut, wie es sich Trittin hier - wahrscheinlich aus eigenem Machtinteresse, leistet.

Derzeit haben wir angesichts 70% Steuern, 50% Staatsquote, 150.000 Einzelhandesvorschriften, und teilstaatlichen Geld-, Renten-, Medien- und Gesundheitssystem alles aber keinen Kapitalismus. Selbst wenn Ungleichheit ein Krisentreiber wäre, so wäre diese Krise überwiegend dem Staat geschuldet.

Aber auch ökonomisch ist Trittins Aussage falsch. Denn Ungleichheit auf dem Markt kommt ja nur zu Stande, wenn es wenigen gelingt, die Bedürfnisse von allen Menschen zu befriedigen, womit die Ungleichheit verdient wäre!

Arndt Reichstätter | So., 10. Juli 2016 - 12:41

Ins gleiche Horn der ökonomischen Fehlerziehung bläst Trittin, wenn er behauptet, einige werden durch Zins und Zinseszins auf ungerechtfertigte Weise immer reicher.

Bildete dieser Glaube wirklich die Grundlage seiner Handlungsmaxime, dann wäre er von 1998 bis 2005 einer Regierung ferngeblieben, die 330.000.000 € neue Schulden gemacht hat und, welche den Zins und Zinseszins zu zahlen, sie künftigen Generationen aufgebürdet hat.

Nochmal: Trittin ist persönlich verantwortlich für die Neuverschuldung der deutschen Zukunft um weitere 25%!

Ich kann nur jedem (und Herrn Trittin) raten, sich mit dem Geldsystem näher auseinander zu setzen, denn das System selbst ist tatsächlich an einigen wenigen aber zentralen Stellen ungerecht bis betrügerisch. Allerdings auf andere Art, als es Trittin hier beschreibt. Das Verleihen ist nicht das Problem. Knackpunkt ist das Teilreservesystem, in Verbindung mit einer nicht rohstoffgedeckten Währung, die zur Geldschöpfung aus dem Nichts anreizt.

Arndt Reichstätter | So., 10. Juli 2016 - 13:01

Geradezu populistisch wird es bei Trittins Behauptung, "Ungleichheit produziert zyklisch Finanzkrisen".

Zunächst: die Ökonomie ist eine Wissenschaft. Also muss man auch wissenschaftlich argumentieren. Das tut Trittin aber nicht. Sondern er behauptet einfach, ohne seine Behauptung durch logische oder empirische Beweise zu untermauern.

Da Trittin keinen Beweis antritt, ist es unmöglich, seine Behauptung zu widerlegen, eben da nicht klar ist, worauf er seine Aussage stützt.

Mutmaßen könnte man, dass Reiche verschwenderisch mit ihrem Geld umgehen, was unlogisch ist, denn sonst wären sie ja nicht reich.

Auch unlogisch ist es, dass Reiche total gerne ihr Geld an jene verleihen, die keine guten Geschäftsideen haben, womit die Reichen ihr Geld nie wieder sehen würden.

Dass Arme mit dem geliehenen Geld sorgsam umgehen, lässt sich diskutieren, da 95% aller Deutschen und 97% aller Amerikaner einen Farbfernseher besitzen. 35% der US-Unterklasse besitzt eine Geschirrspülmaschine...

Arndt Reichstätter | So., 10. Juli 2016 - 13:09

Jürgen Tritten, von mir ab jetzt nur von Papa Schlumpf genannt, dessen grüne Partei Spenden von Rüstungsunternehmen annimmt, während sie überlegt, ob sie uns Deutschen künftig noch erlauben soll, Fleisch zu essen, stellt in seinem Artikel die falsche Frage.

Die Frage lautet nicht: Warum gibt es Armut?
Die Frage lautet: Warum gibt es Wohlstand?

Die Antwort lautet: wegen der arbeitsteiligen Gesellschaft, die Privateigentum anerkennt, welche zu Marktpreisen für Kapitalgüter führen, anhand derer wirtschaftliche Planung für Unternehmer erst möglich wird.

Papa Schlumpf sollte nicht versuchen, "der Sumpf der Steuerschlupflöcher trockenzulegen". Sondern er sollte die Steuern, von derzeit 70%!, auf einen gerechte Höhe legen, die es zudem nicht mehr lohnenswert macht, Anwälte in Steueroasen zu bezahlen.

Johann Weigl | So., 10. Juli 2016 - 15:23

Der Text des Herrn Grau ist in gewisser Hinsicht ganz interessant. Nur bietet das Thema aus philo-
sophischer Sicht ein viel reichhaltigeres Argumen-
tationsfeld. Was bedeutet Gerechtigkeit im wesent
lichen Sinn? Was sind gerechte Werte?
Goethe: Èdel sei der Mensch, hilfreich und gut.
Mahatma Gandi: Sei du die Veränderung in der
Welt, die du dir von der Welt wünscht.`
Albert Schweitzer: `Der denkend gewordene
Mensch begreift jedes Leben als genauso lebens-
wert, schützenswert, förderungswürdig usw. das
eigene.
Indianische Weisheit: Wir haben die Erde von unseren Eltern nicht geerbt, sondern von unseren Kindern nur geliehen.
Was bedeutet Gerechtigkeit im Hier und Jetzt?
Gerechtigkeit, Ethik, Moral als Leitbilder oder gar
Leitkultur. Nur wer erklärt, definiert, hat genaue Vorstellungen oder gibt konkrete Vor-
gaben? Die sog.`Deutsche Leitkultur`oder unsere
Àbendländischen Werte`?
Wahrheit ist nicht tolerant.
Nur Gerechtigkeit schafft Frieden.
Das wichtigste im Leben

Rainer Wittmann | So., 10. Juli 2016 - 15:46

Vielleicht sollte der Oberlehrer Trittin Bildungsnachhilfeunterricht nehmen: denn dann wüßte er von der Erkenntnis Friedrich Wilhem Nietzsches über die Gleichheit: "Aber es gibt kein giftigeres Gift, denn sie scheint von der Gerechtigkeit selbst gepredigt zu sein, während sie das Ende der Gerechtigkeit ist". Hat er schon von dem Bett des Prokrustes gehört? Und: wie macht man Dumme klüger und Kluge dümmer?

Johann Weigl | So., 10. Juli 2016 - 15:46

sind Respekt, Toleranz und Ehrlichkeit.
Das Zauberwort der Zukunft heißt `Teilen`, um
Lebensraum und Lebensunterhalt für alle oder fast
alle zu gewährleisten.
Georg Christph Lichtenberg:
Was bin ich?
Was soll ich tun?
Was kann ich glauben und hoffen?
Hierauf reduziert sich alles in der Philosophie.

Bernhard K. Kopp | So., 10. Juli 2016 - 18:06

Vordergründig kann eine Forderung nicht unmoralisch sein, aber die zugrunde liegende Motivation kann es sehr wohl. Wenn man also die Vermögensungleichheit beklagt und konkrete, umsetzbare Forderungen nach Besteuerung von z.B. leistungslosen Vermögenszuwächsen (Firmenbeteiligungen, Immobilien, Kunst u.v.m.)zur Diskussion stellt, dann kann dies konstruktiv sein. Wenn man aber die generalisierende ideologische Blase zum Thema aufbläst, ohne konkret zu definieren was man besser machen will, dann ist dies unmoralische Demagogie.

Jacqueline Gafner | So., 10. Juli 2016 - 18:20

das nicht nur für die Judikative, sondern auch für den Gesetzgeber gilt, ist das Verbot von Willkür. Wesentlich Gleiches ist gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, wobei es für eine Ungleichbehandlung in jedem Fall zureichende sachliche Gründe geben muss. Gleichheit als solche existiert in der Welt der Menschen dagegen schlicht nicht und lässt sich auch nicht herstellen. Selbst eineiige Zwillinge sind nie absolut identisch. Sie mögen exakt dieselben Gene haben, sind deswegen aber noch lange kein "Individuum in doppelter Ausfertigung". Und selbst wenn, würde das nichts daran ändern, dass einer (oder eine) stets der (oder die) Erstgeborene ist und bleibt. Da zu argumentieren, das sei doch ungerecht und gehöre geändert, würde wohl niemandem einfallen und mag an einem Extrembeispiel das Weltfremde politischer Bestrebungen aufzeigen, bestehende Unterschiede zwischen Menschen mittels staatlicher Eingriffe möglichst restlos beseitigen zu wollen, und sei es "nur" ökonomisch.

Peter Bigalk | So., 10. Juli 2016 - 19:59

Wer die DDR erlebt hat, fühlt sich an bekannte Denkschemata erinnert. Pseudogleichheit im Arbeiter und Bauernstaat hat zum Auswandern der Eliten und zum Bankrott geführt. Wenn ich mir die aktuellen Diskussionen insbesondere zum Thema Migration anschaue, sind wir wieder auf dem besten Wege dorthin...Konformismus, Gleichmacherei und Diskreditierung Andersdenkender, die staatlich Verordnete Pseudo-Moral als Blödsinn entlarven.

Benno Pluder | Mo., 11. Juli 2016 - 08:32

da fahren Sie aber dem Herrn Trittin ganz schön in die Parade. "Eine maximal gleiche Welt, so glaubt man offensichtlich, ist auch eine maximal gerechte Welt, und eine maximal gerechte Welt ist maximal gut. Einfältiger geht es kaum. Ein prominenter Anhänger dieses Irrsinns ist der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin,..."
Gerade jetzt, wo sich die Grünen aus all den davonschwimmenden Themenfellen zur kommenden Bundestagswahl das der Steuergerechtigkeit herausgesucht haben.
Gönnen Sie denn dieser Truppe so gar kein wenig Populismus?
Danke für diesen Beitrag. Herzerfrischend.

hermann klein | Mo., 11. Juli 2016 - 11:00

Deutschland war bis 1968 diszipliniert, gradlinig, man setzte auf Gesetze, Tradition, Bildung, Ordnung, Moral, Treue, Qualität, Disziplin, Pflichtgefühl, Autorität, Wertebindung.
Anschließend schufen die „68er“ ohne Not, eine von Revolutionsfanatismus beherrschte Scheinwelt, deren Sinnlosigkeit an Irrsinn u. Schizophrenie nicht zu toppen war. Sie wussten alle insgeheim, das sie in Wirklichkeit die besten Jahre – seit Deutschland existiert – durchlebten. Trotzdem besetzten sie Universitäten und Häuser, bewarfen Polizisten mit Steinen und Bomben.
Kein Wunder, sie haben für einen antiautoritären Staat gekämpft und haben ihn bekommen und damit einen beispiellosen, negativen Kultur- und Wertewandel in allen Bereichen unserer Gesellschaft eingeleitet.
Heute sehen wir die Folgen: der Verfall von Gesetzen und Sitten, der Umgang untereinander, die gesamte Kultur, die Moralvorstellungen.

Werner Schütz | Mo., 11. Juli 2016 - 17:46

Wenn für einem promovierten Philosophen Forderungen nach mehr Gleichheit unmoralisch sind, erwarte ich tiefer gehende Begründungen als nur Jürgen Trittin madig zu machen. Waren es doch die Grünen zusammen mit Schröder, die Sozialleistungen gekürzt (Hartz4), gleichzeitig die Steuern für hohe Einkommen und Unternehmen massiv gekürzt haben. Durch den dadurch geförderten Niedriglohnsektor (Leiharbeit) kam die Primärverteilung in Schieflage. Resultat nach etwa 10 Jahren - Ungleichheit in D. ist ein Thema.
Von einem Doktor der Philosophie hätte ich erwartet, dass er seine Meinungen auf Autoritäten stützt, die zu diesem Thema bereits viel beigetragen haben, wie Aristoteles (Nikomachische Ethik, Politik), Rousseau (2. Diskurs). Rawls (Theorie der Gerechtigkeit). Gerade Rawls`"Differenzprinzip", wonach die "besser Gestellten" bei der Verteilung nur dann mehr beanspruchen dürfen, wenn auch die Ärmeren "besser gestellt" werden, ist in D. seit Schröder nicht beachtet worden.

Werner Schütz | Mo., 11. Juli 2016 - 18:09

Zu dem Thema Gleichheit-Gerechtigkeit hat die kürzlich in Wirtschaftswissenschaften promovierte Sahra Wagenknecht "Reichtum ohne Gier - Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten" veröffentlicht. Sie analysiert brillant unser derzeitiges global vernetztes Wirtschaftssystem und zeigt v. a. die Entwicklung: von der ursprünglichen Sozialen Marktwirtschaft a la Rüstow, Eucken, Müller-Armack und Erhard zu den heutigen Verhältnissen. Sie erklärt verständlich, wie die Liberalisierung des US-Bankwesens zur internationalen Bankenkrise führte und wie die Banken es schafften, daraus eine Staatsschuldenkrise zu machen. Und wie die öffentliche Meinung dazu gebracht wurde, dem Sozialstaat eine Mitschuld zu geben. Und sie macht auch Vorschläge für ein gerechteres Wirtschaftssystem.
Herr Dr. Grau - auch Sie sollten dieses Buch lesen.
Vielleicht erzielen ja auch Sie einen Erkenntnisgewinn bezüglich Gleichheit und Gerechtigkeit!

Frank Spalke | Mo., 11. Juli 2016 - 22:09

Man stelle sich vor, die Aufgabe des Schiedsrichters in einem Fußballspiel bestünde nicht länger darin, die Einhaltung der Regeln durch die Spieler sicher zu stellen, sondern mit allen Mitteln für ein Remis bei Spielende zu sorgen...

Hanno Woitek | Di., 12. Juli 2016 - 10:26

Sind Sie, sehr geehrter Herr Grau, sonst hätten Sie Herrn Tritten richtig verstehen können. Er hat lediglich gesagt, dass der Staat die Vorraussetzungen für Chancengleichheit aller jungen Menschen schaffen solle, unabhängig ihrer sozialen Herkunft. Was daran so verwerflich sein soll, bleibt einem schlichtweg unerklärlich. Wenn man sie liest könnte man meinen, Sie würden weiter der Ausbeutung Unterstützung geben wollen.

Schöne Grüsse Hanno Woitek

Werner Kaunzner | Di., 12. Juli 2016 - 14:30

Jürgen Trittin ist (ehemaliger?) Kommunist; vermutlich nicht ehemalig, sondern immer noch.
Gleichheit bedeutet Ungerechtigkeit, denn sie belohnt den Faulen und besträft den Fleißigen.
Für Figuren wir Trittin, Wagenkencht und Co gilt: Alle sind gleich, einige sind gleicher.

In Sachen Chancengleichheit ist in Deutschland einiges zu tun. Die Kinder der roten und grünen Bonzen haben um ein mehrfaches höhere Chancen als die Kinder von ALGII Beziehern oder Arbeiterkindern.

Die Analysen von Karl Marx sind genial, die Schlussfolgerungen (die Therapie) Schwachsinn. Insofern lohnt es, sich Frau Wagenknechts Analysen anzuhören, auch Trittins Analysen gelegentlich. Die Forderungen sollte man vergessen.

Werner Schütz | Di., 12. Juli 2016 - 14:43

Wenn Herrn Dr. phil. Grau sowie einigen Foristen, nachdem sie meinen bisherigen Beitrag gelesen haben, die Forderung nach mehr Gleichheit, immer noch unmoralisch erscheint, empfehle ich doch bitte die Forschungsergebnisse der beiden englischen Gesundheitswissenschaftler Kate Pickett und Richard Wilkinson zur Kenntnis zu nehmen. Unter dem Original-Titel "The spirit level" ( 2009), deutsch "Gleichheit ist Glück" (2010)stellten sie die Ergebnisse ihrer langjährigen soziologischen Studie bezüglich des Einflusses der Ungleichheit in entwickelten Gesellschaften vor: Geistige und körperliche Gesundheit verbunden mit Bildung sowie Lebenserwartung sind nachweislich besser in egalitären Gesellschaften. Dagegen nehmen Krankheiten, Schwangerschaften bei Minderjährigen, Übergewicht und Kriminalität bei ungleicheren Gesellschaften zu. Eine gute Zusammenfassung des Buches findet man bei der Friedrich-Ebert-Stiftung als PDF library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07300 pdf.

Willy Ehrlich | Di., 12. Juli 2016 - 15:08

Die Wahrheit ist doch ganz banal:
Sowohl Gleichheit als auch Gerechtigkeit sind Ergebnisse ganz individueller Einschätzungen, d. h. jeder einzelne hat völlig unterschiedliche Definitionen für diese Begriffe, geboren aus den unterschiedlichen Erfahrungen.
Gelegentlich sind die Gleichheit und die Gerechtigkeit komplementär, gelegentlich substitutiv.

Peter Enders | Di., 12. Juli 2016 - 15:45

zum 1. Abschn.) Je höher die Steuereinnahmen des Staates, desto gerechtfertigter die Ungerechtigkeiten jedweder Art?
zum 2.) Graue Theorie - dazu: der Richter gibt nicht Recht, sondern spricht Recht.
zum 3.) Der Autor blended völlig aus, dass die Größe der Ungleichheiten weniger durch individuelle Unterschiede denn durch unterschiedliche Bedingungen im Staat hervorgerufen bzw. vergrößert und stabilisiert werden, z. B. mittels Steuerrecht.
Totalitäres Denken offenbart der Autor, indem er von "Umverteilung" statt von "Rückverteilung" spricht. Er sollte mal die FDP-Losung "Leistung muss sich wieder lohnen" ernst nehmen: Erben ist keine Leistung.

Markus Michaelis | Sa., 30. Juli 2016 - 14:23

Die theoretischen Betrachtungen zur Gerechtigkeit kann ich nachvollziehen, auch unterstützen. Das hat glaube ich nur wenig mit unserer Praxis zu tun. Herr Grau begreift Wirtschaft anscheinend als ein großes neutrales Spielfeld - für jeden da, für alle gleich. Wir sind alle kanadische Holzfäller im 18. Jh. Jeder kann seine Axt nehmen und unter gleichen Bedingungen loslegen. Geld und Reichtum sind dann einfach Ausdruck unseres persönlichen Erfolgs. Eine solche Einstellung ist mit wirklichkeitsfremd kaum zu beschreiben, sie wird auch schlicht zum Kollaps führen - egal mit welcher theoretischen Begründung man das dann als gut verkauft. Wir sind ein hochgradig vernetztes und sensibel voneinander abhängiges System. Geld ist einfach eine staatliche Garantie, das A für B in der Zukunft arbeiten muss, wobei B bestimmt, ob diese Zukunft morgen ist oder in 50 Jahren für As Enkel gilt etc. Hunderte solcher Überlegungen: Herr Grau, Ungleichheit kann Systeme zum Einsturz bringen.